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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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durch den furchtbaren Hunenkönig Attila selbst, die nur halb aus dem Zwie¬
lichte der Sage auftaucht. Wenige Jahrzehnte darauf, seit dem Ausgange
des fünften Jahrhunderts, geboten deutsche Herren, die Ripuarier oder Rhein¬
sranken, über die alte Stadt der Mediomatriker.

Eine tiefgreifende Umwandlung fand durch die Eroberung in der ganzen
nördlichen Hälfte Galliens statt; bis weit hinein in das heutige Frankreich,
das ja von daher seinen Namen erhielt, wurde deutsche Sprache neben der
römischen vernommen, ließen fränkische Einwanderer mit ihrem besonderen
Volksrechte sich unter römischen Provinzialen nieder. Von dieser Auffrischung,
dieser Beimischung deutschen Blutes wurden ganz besonders die Mosellande
berührt, die hierdurch ein neues Gepräge erhielten. Metz selbst, der Mittel¬
punkt Austrasiens, d. i. des Ostlandes, ward einer der Herrschersitze des frän¬
kischen Reiches. Vor dort aus eroberte König Theoderich unser Thüringen
und schon im sechsten Jahrhunderte bewunderte der Italiener Venantius For-
tunatus die liebliche Lage der Stadt, die er eine prächtige und glänzende
nennt, an den bläulichen Wellen der Mosel, starkbefestigt erscheint sie ihm,
von Mauern und Wässern umgürtet.

Wie unter dem ersten fränkischen Königshause, dem der Merovinger,
so spielte nicht minder unter ihren Nachfolgern, den Karolingern, Metz eine
hervorragende Rolle. War doch der Ahnherr dieses echt deutschen Geschlechtes,
der h. Arnulf, selbst Bischof dieser Stadt geworden, die Se. Arnould noch
jetzt als einen ihrer Schutzpatrone verehrt, und in seiner Kirche fanden Karls
des Großen Gemahlin Hildegard und sein Sohn Ludwig der Fromme ihre
letzte Ruhestätte. Von dem Bischöfe Chrodegang von Metz gingen die Ord¬
nungen für das kanonische Leben der Domherren im ganzen Abendlande aus
und in Metz wurde eine der beiden Sängerschulen errichtet, welche den römi¬
schen Kirchengesang diesseit der Alpen einbürgern sollten. Ein beliebter
Aufenthalt war für die ersten Karolinger auch die benachbarte Pfalz von
Diedenhofen (Thionville), einem Orte fränkischer Gründung.

Andere Zeiten kamen, da das Reich des großen Karl auseinanderfiel,
der deutsche Osten und der romanische Westen sich schieden und die Mitte,
vordem der Kern des Ganzen, nun zum Gegenstande des Streites für die
beiden Theilreiche wurde. Obgleich der französische König Karl der Kahle
zu Metz in vorschneller Begehrlichkeit die Krone des Lotharsreiches oder Lo¬
thringens sich aufs Haupt gesetzt hatte, so mußte er doch durch die Drohungen
seines Bruders, Ludwigs des Deutschen, gedrungen, die Beute ungern wieder
fahren lassen. Am 8. August 870, grade vor tausend Jahren also, wurde
Metz zum ersten Male deutsch sunt neun Jahre später folgte auch die da¬
mals französisch gebliebene Hälfte Lothringens der deutschen nach. Obgleich
der Besitz hierauf noch einige Male wechselte, Deutschland behauptete schließ-


durch den furchtbaren Hunenkönig Attila selbst, die nur halb aus dem Zwie¬
lichte der Sage auftaucht. Wenige Jahrzehnte darauf, seit dem Ausgange
des fünften Jahrhunderts, geboten deutsche Herren, die Ripuarier oder Rhein¬
sranken, über die alte Stadt der Mediomatriker.

Eine tiefgreifende Umwandlung fand durch die Eroberung in der ganzen
nördlichen Hälfte Galliens statt; bis weit hinein in das heutige Frankreich,
das ja von daher seinen Namen erhielt, wurde deutsche Sprache neben der
römischen vernommen, ließen fränkische Einwanderer mit ihrem besonderen
Volksrechte sich unter römischen Provinzialen nieder. Von dieser Auffrischung,
dieser Beimischung deutschen Blutes wurden ganz besonders die Mosellande
berührt, die hierdurch ein neues Gepräge erhielten. Metz selbst, der Mittel¬
punkt Austrasiens, d. i. des Ostlandes, ward einer der Herrschersitze des frän¬
kischen Reiches. Vor dort aus eroberte König Theoderich unser Thüringen
und schon im sechsten Jahrhunderte bewunderte der Italiener Venantius For-
tunatus die liebliche Lage der Stadt, die er eine prächtige und glänzende
nennt, an den bläulichen Wellen der Mosel, starkbefestigt erscheint sie ihm,
von Mauern und Wässern umgürtet.

Wie unter dem ersten fränkischen Königshause, dem der Merovinger,
so spielte nicht minder unter ihren Nachfolgern, den Karolingern, Metz eine
hervorragende Rolle. War doch der Ahnherr dieses echt deutschen Geschlechtes,
der h. Arnulf, selbst Bischof dieser Stadt geworden, die Se. Arnould noch
jetzt als einen ihrer Schutzpatrone verehrt, und in seiner Kirche fanden Karls
des Großen Gemahlin Hildegard und sein Sohn Ludwig der Fromme ihre
letzte Ruhestätte. Von dem Bischöfe Chrodegang von Metz gingen die Ord¬
nungen für das kanonische Leben der Domherren im ganzen Abendlande aus
und in Metz wurde eine der beiden Sängerschulen errichtet, welche den römi¬
schen Kirchengesang diesseit der Alpen einbürgern sollten. Ein beliebter
Aufenthalt war für die ersten Karolinger auch die benachbarte Pfalz von
Diedenhofen (Thionville), einem Orte fränkischer Gründung.

Andere Zeiten kamen, da das Reich des großen Karl auseinanderfiel,
der deutsche Osten und der romanische Westen sich schieden und die Mitte,
vordem der Kern des Ganzen, nun zum Gegenstande des Streites für die
beiden Theilreiche wurde. Obgleich der französische König Karl der Kahle
zu Metz in vorschneller Begehrlichkeit die Krone des Lotharsreiches oder Lo¬
thringens sich aufs Haupt gesetzt hatte, so mußte er doch durch die Drohungen
seines Bruders, Ludwigs des Deutschen, gedrungen, die Beute ungern wieder
fahren lassen. Am 8. August 870, grade vor tausend Jahren also, wurde
Metz zum ersten Male deutsch sunt neun Jahre später folgte auch die da¬
mals französisch gebliebene Hälfte Lothringens der deutschen nach. Obgleich
der Besitz hierauf noch einige Male wechselte, Deutschland behauptete schließ-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/490>, abgerufen am 22.12.2024.