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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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men unter den Industriezweigen, welche Lothringen reich und berühmt ge¬
macht haben.

Ich weiß nicht genau -- sagt Lepage -- in welche Epoche die ersten
Anfänge dieser Industrie in Lothringen fallen. Leider hat vor dem 16ten
Jahrhundert keiner unserer Chronisten sich mit diesem Gegenstande beschäftigt.
Aber es gibt doch Anhaltepunkte für die Annahme, daß diese Industrie ein
sehr hohes Alter hat.

Das älteste, die lothringische Glasbereitung erwähnende Document, wel¬
ches Lepage auffinden konnte, datirt aus dem Jahre 1373 und dieses ist
noch dazu wenig inhaltreich. Erst im Ausgange der ersten Hälfte des 16. Jahr¬
hunderts fangen die Quellen reichlicher zu fließen an.

Im Jahr 1448 verlieh Johann von Calabrien, Statthalter des Herzog-
thums Lothringen und Bar, während der Abwesenheit seines Vaters, Rene
von Anjou, den Glasherren eine Charte, welche am 13. September 1469
durch Herzog Johann II. von Lothringen und Bar bestätigt wurde. Durch
diese Charte wurden die Glasherren den Edelleuten gleichgestellt, wurden
ihnen die Privilegien der Steuerfreiheit, der Freiheit von Hilfen, Subsidien
und Unterstützungsgeldern, von der Heerfolge, dem Nachtlager und dem Um¬
ritt verliehen, Privilegien also, deren sich die Edelleute selbst nicht erfreuten.
Gleichzeitig erklärte der Fürst, es sei sein Wille, daß die Producte der Glas
industrie in seinen Landen frei und unbehelligt von Zöllen und Abgaben
sein sollten; die Glasherren sollten weiter unbehindert in den herzoglichen
Waldungen verkehren und daraus alles erforderliche Bau- und Brennholz
entnehmen dürfen; was das zum Betrieb der Glasindustrie nöthige Holz
anbelange, so solle ihnen auch dieses zur Verfügung stehen; nur möchten sie
bei Entnahme desselben die Waldungen so sehr schonen, als das die volle
Befriedigung ihres Bedarfes gestatte. Endlich stand den Glasherren das
Jagd" und Fischerei-Recht zu, und zwar in weit größerem Umfange, als den
Edelleuten, die nur auf ihren eigenen Besitzungen jagen und fischen dursten;
sie durften jagen wann und wie sie wollten in den Waldungen des Herzogs,
in den Umgebungen ihrer Glashütten; sie durften in allen Flüssen und
Bächen in der Nähe der letzteren auch mit dem Netz fischen. Und für diese
Privilegien alle, welche nicht nur den Glasherren, sondern auch ihren Ar¬
beitern, ihren Erben und Rechtsnachfolgern zugestanden waren, war nur eine
ganz mäßige jährliche Gebühr zu entrichten.

Diese Charte enthält Andeutungen, aus denen mit Sicherheit geschlossen
werden kann, daß die Glasfabrikation in Lothringen in der Mitte des fünf¬
zehnten Jahrhunderts bereits ein alt eingelebter Industriezweig war. Zu¬
gleich verschafft sie uns die Kenntniß der Namen einiger der angesehensten
Glasherren und die Namen der Orte, wo sie ihre Niederlassungen hatten.


men unter den Industriezweigen, welche Lothringen reich und berühmt ge¬
macht haben.

Ich weiß nicht genau — sagt Lepage — in welche Epoche die ersten
Anfänge dieser Industrie in Lothringen fallen. Leider hat vor dem 16ten
Jahrhundert keiner unserer Chronisten sich mit diesem Gegenstande beschäftigt.
Aber es gibt doch Anhaltepunkte für die Annahme, daß diese Industrie ein
sehr hohes Alter hat.

Das älteste, die lothringische Glasbereitung erwähnende Document, wel¬
ches Lepage auffinden konnte, datirt aus dem Jahre 1373 und dieses ist
noch dazu wenig inhaltreich. Erst im Ausgange der ersten Hälfte des 16. Jahr¬
hunderts fangen die Quellen reichlicher zu fließen an.

Im Jahr 1448 verlieh Johann von Calabrien, Statthalter des Herzog-
thums Lothringen und Bar, während der Abwesenheit seines Vaters, Rene
von Anjou, den Glasherren eine Charte, welche am 13. September 1469
durch Herzog Johann II. von Lothringen und Bar bestätigt wurde. Durch
diese Charte wurden die Glasherren den Edelleuten gleichgestellt, wurden
ihnen die Privilegien der Steuerfreiheit, der Freiheit von Hilfen, Subsidien
und Unterstützungsgeldern, von der Heerfolge, dem Nachtlager und dem Um¬
ritt verliehen, Privilegien also, deren sich die Edelleute selbst nicht erfreuten.
Gleichzeitig erklärte der Fürst, es sei sein Wille, daß die Producte der Glas
industrie in seinen Landen frei und unbehelligt von Zöllen und Abgaben
sein sollten; die Glasherren sollten weiter unbehindert in den herzoglichen
Waldungen verkehren und daraus alles erforderliche Bau- und Brennholz
entnehmen dürfen; was das zum Betrieb der Glasindustrie nöthige Holz
anbelange, so solle ihnen auch dieses zur Verfügung stehen; nur möchten sie
bei Entnahme desselben die Waldungen so sehr schonen, als das die volle
Befriedigung ihres Bedarfes gestatte. Endlich stand den Glasherren das
Jagd« und Fischerei-Recht zu, und zwar in weit größerem Umfange, als den
Edelleuten, die nur auf ihren eigenen Besitzungen jagen und fischen dursten;
sie durften jagen wann und wie sie wollten in den Waldungen des Herzogs,
in den Umgebungen ihrer Glashütten; sie durften in allen Flüssen und
Bächen in der Nähe der letzteren auch mit dem Netz fischen. Und für diese
Privilegien alle, welche nicht nur den Glasherren, sondern auch ihren Ar¬
beitern, ihren Erben und Rechtsnachfolgern zugestanden waren, war nur eine
ganz mäßige jährliche Gebühr zu entrichten.

Diese Charte enthält Andeutungen, aus denen mit Sicherheit geschlossen
werden kann, daß die Glasfabrikation in Lothringen in der Mitte des fünf¬
zehnten Jahrhunderts bereits ein alt eingelebter Industriezweig war. Zu¬
gleich verschafft sie uns die Kenntniß der Namen einiger der angesehensten
Glasherren und die Namen der Orte, wo sie ihre Niederlassungen hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/458>, abgerufen am 22.12.2024.