Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.von Choiseul die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, ging Der Frühling 1768 brachte zunächst die Belagerung von Olmütz. Es von Choiseul die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, ging Der Frühling 1768 brachte zunächst die Belagerung von Olmütz. Es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125124"/> <p xml:id="ID_1255" prev="#ID_1254"> von Choiseul die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, ging<lb/> mit der politischen Rathlosigkeit die militärische Hand in Hand. So wußte<lb/> man 1788 dem Nachfolger des gänzlich unfähigen Herzogs von Richelieu,<lb/> Clermont, nicht einmal für den Frühling des Jahres genauere Instructionen<lb/> zu geben. Nicht ganz Unrecht mag indessen Schäfer haben, wenn er meint,<lb/> der wahre Sinn derselben sei der gewesen, daß die königlichen Armeen sich<lb/> jeder offensiven Bewegung enthalten und westlich der Weser und des Rheins<lb/> sich reorganisiren sollten. Maria Theresia mußte persönlich alle Mittel auf¬<lb/> bieten, die Franzosen zum Festhalten an dem Bündniß zu bewegen: ja die<lb/> fromme Frau gewann es über sich, eine nicht unbedeutende Unwahrheit zu<lb/> sagen, um „das Ungeheuer", wie sie den König in einem Schreiben aus der<lb/> Zeit nennt, vollständig niederzuwerfen. Der Grund, schrieb sie der französi¬<lb/> schen Regierung, welcher sie zur Fortsetzung des Krieges bestimme, sei nicht<lb/> die Lockspeise Schlesien: die Niederlande seien für sie ein viel vortheilhafteres<lb/> und ehrenvolleres Besitzthum. Indeß, selbst die geschlagene französische Armee,<lb/> welche damals Ferdinand von Braunschweig sechs Wochen lang in flucht¬<lb/> ähnlicher Eile vor sich hertrieb, war keine schlechtere Truppe, als die widerwilligen<lb/> Mobilgarden aus den Reichskreisen. Ein niedliches Bild kleinstaatlicher Zu¬<lb/> stände gibt auch die Notiz, daß der herzoglich mecklenburgische Commandant<lb/> von Rostock sich im December 1737 nicht vertheidigen konnte, weil im ent¬<lb/> scheidenden Moment die Bürgerschaft die Kanonen, als städtisches Eigenthum,<lb/> ihm vorenthielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1256" next="#ID_1257"> Der Frühling 1768 brachte zunächst die Belagerung von Olmütz. Es<lb/> war ein verzweifeltes Unternehmen, dessen einzige Aussicht auf Erfolg in der<lb/> Schnelligkeit der Ausführung lag. Nur ein Meister der Kriegskunst konnte<lb/> es wagen, durch eine so kräftige Offensive den Feind zu schrecken, und als<lb/> durch unvorhergesehene Ereignisse und schlechte Wege Verzögerungen ein¬<lb/> traten, war Friedrich's Lage verzweifelt. Ihn konnte nur ein gleich ver¬<lb/> wegener Streich retten: ein solcher war der Abmarsch nach Böhmen statt des<lb/> Rückzugs nach Schlesien. Alles dies ist vom Verfasser lichtvoll dargestellt;<lb/> besonderes Lob aber verdient seine Beschreibung der Schlacht bei Zorndorf,<lb/> namentlich die beiden entscheidenden Cavallerieangriffe Seydlitz's finden ihre<lb/> verdiente Würdigung. Bei keiner Schlacht in der modernen Kriegsgeschichte<lb/> ist die Cavalerie in der Weise zur Geltung gekommen und ein Reiterangriff<lb/> auf compacte Infanteriemassen erscheint heutzutage fast als ein Anachronis¬<lb/> mus. Viele Details weichen übrigens von den Darstellungen anderer Ge¬<lb/> währsmänner bedeutend ab, namentlich von der Archenholz's, den Schäfer,<lb/> man weiß nicht aus welchem Grunde, nicht einmal der Ehre werth hält,<lb/> unter den Historikern dieses Krieges citirt zu werden. Nach Archenholz<lb/> waren die Russen sehr deprimirt und wären gern geflohen, wenn sie nur ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0418]
von Choiseul die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm, ging
mit der politischen Rathlosigkeit die militärische Hand in Hand. So wußte
man 1788 dem Nachfolger des gänzlich unfähigen Herzogs von Richelieu,
Clermont, nicht einmal für den Frühling des Jahres genauere Instructionen
zu geben. Nicht ganz Unrecht mag indessen Schäfer haben, wenn er meint,
der wahre Sinn derselben sei der gewesen, daß die königlichen Armeen sich
jeder offensiven Bewegung enthalten und westlich der Weser und des Rheins
sich reorganisiren sollten. Maria Theresia mußte persönlich alle Mittel auf¬
bieten, die Franzosen zum Festhalten an dem Bündniß zu bewegen: ja die
fromme Frau gewann es über sich, eine nicht unbedeutende Unwahrheit zu
sagen, um „das Ungeheuer", wie sie den König in einem Schreiben aus der
Zeit nennt, vollständig niederzuwerfen. Der Grund, schrieb sie der französi¬
schen Regierung, welcher sie zur Fortsetzung des Krieges bestimme, sei nicht
die Lockspeise Schlesien: die Niederlande seien für sie ein viel vortheilhafteres
und ehrenvolleres Besitzthum. Indeß, selbst die geschlagene französische Armee,
welche damals Ferdinand von Braunschweig sechs Wochen lang in flucht¬
ähnlicher Eile vor sich hertrieb, war keine schlechtere Truppe, als die widerwilligen
Mobilgarden aus den Reichskreisen. Ein niedliches Bild kleinstaatlicher Zu¬
stände gibt auch die Notiz, daß der herzoglich mecklenburgische Commandant
von Rostock sich im December 1737 nicht vertheidigen konnte, weil im ent¬
scheidenden Moment die Bürgerschaft die Kanonen, als städtisches Eigenthum,
ihm vorenthielt.
Der Frühling 1768 brachte zunächst die Belagerung von Olmütz. Es
war ein verzweifeltes Unternehmen, dessen einzige Aussicht auf Erfolg in der
Schnelligkeit der Ausführung lag. Nur ein Meister der Kriegskunst konnte
es wagen, durch eine so kräftige Offensive den Feind zu schrecken, und als
durch unvorhergesehene Ereignisse und schlechte Wege Verzögerungen ein¬
traten, war Friedrich's Lage verzweifelt. Ihn konnte nur ein gleich ver¬
wegener Streich retten: ein solcher war der Abmarsch nach Böhmen statt des
Rückzugs nach Schlesien. Alles dies ist vom Verfasser lichtvoll dargestellt;
besonderes Lob aber verdient seine Beschreibung der Schlacht bei Zorndorf,
namentlich die beiden entscheidenden Cavallerieangriffe Seydlitz's finden ihre
verdiente Würdigung. Bei keiner Schlacht in der modernen Kriegsgeschichte
ist die Cavalerie in der Weise zur Geltung gekommen und ein Reiterangriff
auf compacte Infanteriemassen erscheint heutzutage fast als ein Anachronis¬
mus. Viele Details weichen übrigens von den Darstellungen anderer Ge¬
währsmänner bedeutend ab, namentlich von der Archenholz's, den Schäfer,
man weiß nicht aus welchem Grunde, nicht einmal der Ehre werth hält,
unter den Historikern dieses Krieges citirt zu werden. Nach Archenholz
waren die Russen sehr deprimirt und wären gern geflohen, wenn sie nur ge-
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