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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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werden "aussi innoeentes Cue löZitimes" genannt; einen eigenthümlichen
Eindruck macht es auch, wenn Rußland angibt, sich durch den Vertrag gegen
eine preußische Invasion sichern zu wollen. In einem Separatartikel wird
dann außer Frankreich auch Schweden als Garant des westphälischen Frie¬
dens in das Bündniß miteingeschlossen. Freilich geschah das auch in dem
Versailler Vertrag vom 1. Mai 1757; ausdrücklich wurde, um Schweden zu¬
gleich mit Frankreich am Kriege theilnehmen lassen zu können, die Garantie
des westphälischen Friedens (Art. XV.) feierlich erneuert. In der Convention
zwischen Nußland und Oestreich wird aber Frankreich nicht neben Schweden
als Garant des Friedens, sondern als selbständige Macht aufgeführt. Der
westphälische Friede! wie oft diente er nicht zum Deckmantel für die selbst¬
süchtigen Interessen des Auslandes, auch damals mußte er dazu herhalten,
den Herzog von Mecklenburg in das französische Bündniß zu ziehen: zu allem
Möglichen mußte sich der Herzog erbieten und sich damit begnügen, der
"guten Dienste" Frankreichs versichert zu werden.

Von den übrigen Beilagen -- es sind größtenteils sehr detaillirre Be¬
richte v. Knyphausen's -- sind namentlich Nro. 62, 63, 63 g.., 63 und die
Verhandlungen, welche Friedrich durch den Grafen von Neuwied mit Frank¬
reich führen ließ, bemerkenswerth.

Wir kommen zur Betrachtung des zweiten Bandes, welcher in dem bis
jetzt erschienenen ersten Theile vom Anfange des Feldzuges von 1758 bis
zur Eröffnung desjenigen von 1760 reicht. Der Unterschied zwischen beiden
Bänden ist ein bedeutender und wir stehen nicht an, diesen für den ungleich
werthvolleren zu erklären. Für jenen blieben dem Verfasser die französischen
Archive zum Theil, die östreichischen absolut verschlossen, für diesen dagegen
hat Schäfer durch diplomatische Verwendung sowohl aus Paris wichtige
Papiere -- namentlich die Correspondenz der Regierung mit dem Gesandten
in Wien und des Herzogs von Choiseul mit Lord Bude -- als auch höchst
werthvolle Actenstücke aus Turin und Petersburg benutzen dürfen: und vor
Allem kommt dem Buche die ausgezeichnete Liberalität zu Gute, mit der
A. v. Arneth die Benutzung des Kaiserlichen Haus- und Staatsarchivs zu
Wien gestattete. Auch die militärischen Dinge sind sorgfältiger behandelt:
theils standen dem Verfasser ausgezeichnete Monographien zu Gebote, wie
die v. Seichte's über die Schlacht bei Kunersdorf (für die Schlacht bei Zorn¬
dorf konnte vielleicht auch A. Schottmüller's Schrift benutzt werden) theils sind
die Vorzüge aus diesem Gebiete der Beihilfe kundiger Militärs zu verdanken.

Höchst interessant sind die Nachweisungen über die Disposition zum Frie¬
den, welche nach der Schlacht bet Roßbach in Frankreich Platz griff und
durch Bernis nicht wenig genährt wurde; erst nach dessen Abgange kam
etwas Energie in die französische Kriegführung. Denn bevor der Herzog


Grenzboten IV. 1870. 52

werden „aussi innoeentes Cue löZitimes" genannt; einen eigenthümlichen
Eindruck macht es auch, wenn Rußland angibt, sich durch den Vertrag gegen
eine preußische Invasion sichern zu wollen. In einem Separatartikel wird
dann außer Frankreich auch Schweden als Garant des westphälischen Frie¬
dens in das Bündniß miteingeschlossen. Freilich geschah das auch in dem
Versailler Vertrag vom 1. Mai 1757; ausdrücklich wurde, um Schweden zu¬
gleich mit Frankreich am Kriege theilnehmen lassen zu können, die Garantie
des westphälischen Friedens (Art. XV.) feierlich erneuert. In der Convention
zwischen Nußland und Oestreich wird aber Frankreich nicht neben Schweden
als Garant des Friedens, sondern als selbständige Macht aufgeführt. Der
westphälische Friede! wie oft diente er nicht zum Deckmantel für die selbst¬
süchtigen Interessen des Auslandes, auch damals mußte er dazu herhalten,
den Herzog von Mecklenburg in das französische Bündniß zu ziehen: zu allem
Möglichen mußte sich der Herzog erbieten und sich damit begnügen, der
„guten Dienste" Frankreichs versichert zu werden.

Von den übrigen Beilagen — es sind größtenteils sehr detaillirre Be¬
richte v. Knyphausen's — sind namentlich Nro. 62, 63, 63 g.., 63 und die
Verhandlungen, welche Friedrich durch den Grafen von Neuwied mit Frank¬
reich führen ließ, bemerkenswerth.

Wir kommen zur Betrachtung des zweiten Bandes, welcher in dem bis
jetzt erschienenen ersten Theile vom Anfange des Feldzuges von 1758 bis
zur Eröffnung desjenigen von 1760 reicht. Der Unterschied zwischen beiden
Bänden ist ein bedeutender und wir stehen nicht an, diesen für den ungleich
werthvolleren zu erklären. Für jenen blieben dem Verfasser die französischen
Archive zum Theil, die östreichischen absolut verschlossen, für diesen dagegen
hat Schäfer durch diplomatische Verwendung sowohl aus Paris wichtige
Papiere — namentlich die Correspondenz der Regierung mit dem Gesandten
in Wien und des Herzogs von Choiseul mit Lord Bude — als auch höchst
werthvolle Actenstücke aus Turin und Petersburg benutzen dürfen: und vor
Allem kommt dem Buche die ausgezeichnete Liberalität zu Gute, mit der
A. v. Arneth die Benutzung des Kaiserlichen Haus- und Staatsarchivs zu
Wien gestattete. Auch die militärischen Dinge sind sorgfältiger behandelt:
theils standen dem Verfasser ausgezeichnete Monographien zu Gebote, wie
die v. Seichte's über die Schlacht bei Kunersdorf (für die Schlacht bei Zorn¬
dorf konnte vielleicht auch A. Schottmüller's Schrift benutzt werden) theils sind
die Vorzüge aus diesem Gebiete der Beihilfe kundiger Militärs zu verdanken.

Höchst interessant sind die Nachweisungen über die Disposition zum Frie¬
den, welche nach der Schlacht bet Roßbach in Frankreich Platz griff und
durch Bernis nicht wenig genährt wurde; erst nach dessen Abgange kam
etwas Energie in die französische Kriegführung. Denn bevor der Herzog


Grenzboten IV. 1870. 52
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[0417] werden „aussi innoeentes Cue löZitimes" genannt; einen eigenthümlichen Eindruck macht es auch, wenn Rußland angibt, sich durch den Vertrag gegen eine preußische Invasion sichern zu wollen. In einem Separatartikel wird dann außer Frankreich auch Schweden als Garant des westphälischen Frie¬ dens in das Bündniß miteingeschlossen. Freilich geschah das auch in dem Versailler Vertrag vom 1. Mai 1757; ausdrücklich wurde, um Schweden zu¬ gleich mit Frankreich am Kriege theilnehmen lassen zu können, die Garantie des westphälischen Friedens (Art. XV.) feierlich erneuert. In der Convention zwischen Nußland und Oestreich wird aber Frankreich nicht neben Schweden als Garant des Friedens, sondern als selbständige Macht aufgeführt. Der westphälische Friede! wie oft diente er nicht zum Deckmantel für die selbst¬ süchtigen Interessen des Auslandes, auch damals mußte er dazu herhalten, den Herzog von Mecklenburg in das französische Bündniß zu ziehen: zu allem Möglichen mußte sich der Herzog erbieten und sich damit begnügen, der „guten Dienste" Frankreichs versichert zu werden. Von den übrigen Beilagen — es sind größtenteils sehr detaillirre Be¬ richte v. Knyphausen's — sind namentlich Nro. 62, 63, 63 g.., 63 und die Verhandlungen, welche Friedrich durch den Grafen von Neuwied mit Frank¬ reich führen ließ, bemerkenswerth. Wir kommen zur Betrachtung des zweiten Bandes, welcher in dem bis jetzt erschienenen ersten Theile vom Anfange des Feldzuges von 1758 bis zur Eröffnung desjenigen von 1760 reicht. Der Unterschied zwischen beiden Bänden ist ein bedeutender und wir stehen nicht an, diesen für den ungleich werthvolleren zu erklären. Für jenen blieben dem Verfasser die französischen Archive zum Theil, die östreichischen absolut verschlossen, für diesen dagegen hat Schäfer durch diplomatische Verwendung sowohl aus Paris wichtige Papiere — namentlich die Correspondenz der Regierung mit dem Gesandten in Wien und des Herzogs von Choiseul mit Lord Bude — als auch höchst werthvolle Actenstücke aus Turin und Petersburg benutzen dürfen: und vor Allem kommt dem Buche die ausgezeichnete Liberalität zu Gute, mit der A. v. Arneth die Benutzung des Kaiserlichen Haus- und Staatsarchivs zu Wien gestattete. Auch die militärischen Dinge sind sorgfältiger behandelt: theils standen dem Verfasser ausgezeichnete Monographien zu Gebote, wie die v. Seichte's über die Schlacht bei Kunersdorf (für die Schlacht bei Zorn¬ dorf konnte vielleicht auch A. Schottmüller's Schrift benutzt werden) theils sind die Vorzüge aus diesem Gebiete der Beihilfe kundiger Militärs zu verdanken. Höchst interessant sind die Nachweisungen über die Disposition zum Frie¬ den, welche nach der Schlacht bet Roßbach in Frankreich Platz griff und durch Bernis nicht wenig genährt wurde; erst nach dessen Abgange kam etwas Energie in die französische Kriegführung. Denn bevor der Herzog Grenzboten IV. 1870. 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/417>, abgerufen am 23.12.2024.