Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.im Namen des Bundes zu erklären, von der Zustimmung des Bundesraths Dagegen wird den drei Königreichen Bayern, Sachsen, Würtemberg eine Von den zahlreichen Besonderheiten, welche Bayern für sich allein durch¬ im Namen des Bundes zu erklären, von der Zustimmung des Bundesraths Dagegen wird den drei Königreichen Bayern, Sachsen, Würtemberg eine Von den zahlreichen Besonderheiten, welche Bayern für sich allein durch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125110"/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> im Namen des Bundes zu erklären, von der Zustimmung des Bundesraths<lb/> abhängig gemacht, es bleibt ihm nur im Fall eines Angriffs auf das Bundes¬<lb/> gebiet oder dessen Küsten. — Was unter solchem Angriff bei modernen<lb/> Staatsverhältnissen zu verstehen, ist nicht deutlich. Sind Seepiraten gemeint?<lb/> Und hat der Bundesfeldherr dies Recht, wenn der Angriff erfolgt ist, oder<lb/> wenn er gefürchtet wird? Darf er das Heer vorher wenigstens mobilisiren?<lb/> Auch dies ist für das bayrische Heer zweifelhaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Dagegen wird den drei Königreichen Bayern, Sachsen, Würtemberg eine<lb/> besondere privilegirte Stellung im Bunde eingeräumt. Ihre Bevollmächtig¬<lb/> ten bilden im Bundesrath einen neuen Ausschuß für die auswärtigen<lb/> Angelegenheiten, mitAusschluß Preußens, unter dem Vorsitz Bayerns.<lb/> Es ist zu befürchten, daß dieser Ausschuß, der sich jedenfalls aus den Berliner<lb/> Gesandten der betreffenden Staaten zusammensetzt, etwas von dem Charakter<lb/> eines Tribunats oder einer Controlinstanz des regierenden preußischen Mini¬<lb/> sters annehmen wird. Der Minister muß die Mitglieder entweder ge-<lb/> winnen, indem er sie in wichtigen Dingen zu. Vertrauten macht, und<lb/> wie ist in schwebenden Fragen Vertrauen gegen die — nicht beabsichtigten —<lb/> Jndiseretionen dreier Höfe möglich? oder er wird von ihnen beargwöhnt<lb/> werden und ihre Höfe zur Fronde treiben. Graf Bismarck mag sich zutrauen,<lb/> mit solchen Vertrauten fertig zu werden, aber eine normale und richtige<lb/> Position für einen Minister des Auswärtigen entsteht dadurch sicher nicht.<lb/> Ferner aber haben die drei Königreiche zusammen mit 14 Stimmen im<lb/> Bundesrath ein Veto gegen jede Verfassungsreform. Dies darf man wohl<lb/> den letalen Uebelstand des Vertrages nennen. Denn zu solcher gründlichen Ver¬<lb/> schlechterung der Bundesverfassung kann der Reichstag seine Zustimmung<lb/> nicht geben. — Diese Vorrechte der Königreiche werden durch einen, bei andrer<lb/> Veranlassung bereits erwähnten Umstand, bedeutsamer. Preußen erhält im<lb/> Bundesrath von 88 Stimmen nur die früheren 17 Stimmen, während es<lb/> bisher von 43 Stimmen 17 hatte. Dadurch tritt für den großen Staat<lb/> von 23 Millionen bei allen von ihm angeregten oder begünstigten Maßregeln<lb/> und neuen Gesetzen ein recht bedenklicher Uebelstand ein. Die drei Königreiche<lb/> und Hessen haben z. B. zusammen ebenfalls 17 Stimmen, die Entscheidung<lb/> steht also, wenn die Genannten die Gegenseite vertreten, nur bei den klei¬<lb/> neren Staaten. Es ist anzunehmen, daß das preußische Volk diese Benach-<lb/> theiligung als ungerecht empfinden wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215" next="#ID_1216"> Von den zahlreichen Besonderheiten, welche Bayern für sich allein durch¬<lb/> gesetzt hat , ist die eine wie ein Schnitt durch das gemeinsame Tafeltuch<lb/> unsres neuen Haushalts. Das Aufsichtsrecht des Bundes über Heimaths¬<lb/> und Niederlassungsverhältnisse und die Gesetzgebung des Bundes darüber<lb/> erstrecken sich nicht auf Bayern. Die Bürger dieses Staates sollen also</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
im Namen des Bundes zu erklären, von der Zustimmung des Bundesraths
abhängig gemacht, es bleibt ihm nur im Fall eines Angriffs auf das Bundes¬
gebiet oder dessen Küsten. — Was unter solchem Angriff bei modernen
Staatsverhältnissen zu verstehen, ist nicht deutlich. Sind Seepiraten gemeint?
Und hat der Bundesfeldherr dies Recht, wenn der Angriff erfolgt ist, oder
wenn er gefürchtet wird? Darf er das Heer vorher wenigstens mobilisiren?
Auch dies ist für das bayrische Heer zweifelhaft.
Dagegen wird den drei Königreichen Bayern, Sachsen, Würtemberg eine
besondere privilegirte Stellung im Bunde eingeräumt. Ihre Bevollmächtig¬
ten bilden im Bundesrath einen neuen Ausschuß für die auswärtigen
Angelegenheiten, mitAusschluß Preußens, unter dem Vorsitz Bayerns.
Es ist zu befürchten, daß dieser Ausschuß, der sich jedenfalls aus den Berliner
Gesandten der betreffenden Staaten zusammensetzt, etwas von dem Charakter
eines Tribunats oder einer Controlinstanz des regierenden preußischen Mini¬
sters annehmen wird. Der Minister muß die Mitglieder entweder ge-
winnen, indem er sie in wichtigen Dingen zu. Vertrauten macht, und
wie ist in schwebenden Fragen Vertrauen gegen die — nicht beabsichtigten —
Jndiseretionen dreier Höfe möglich? oder er wird von ihnen beargwöhnt
werden und ihre Höfe zur Fronde treiben. Graf Bismarck mag sich zutrauen,
mit solchen Vertrauten fertig zu werden, aber eine normale und richtige
Position für einen Minister des Auswärtigen entsteht dadurch sicher nicht.
Ferner aber haben die drei Königreiche zusammen mit 14 Stimmen im
Bundesrath ein Veto gegen jede Verfassungsreform. Dies darf man wohl
den letalen Uebelstand des Vertrages nennen. Denn zu solcher gründlichen Ver¬
schlechterung der Bundesverfassung kann der Reichstag seine Zustimmung
nicht geben. — Diese Vorrechte der Königreiche werden durch einen, bei andrer
Veranlassung bereits erwähnten Umstand, bedeutsamer. Preußen erhält im
Bundesrath von 88 Stimmen nur die früheren 17 Stimmen, während es
bisher von 43 Stimmen 17 hatte. Dadurch tritt für den großen Staat
von 23 Millionen bei allen von ihm angeregten oder begünstigten Maßregeln
und neuen Gesetzen ein recht bedenklicher Uebelstand ein. Die drei Königreiche
und Hessen haben z. B. zusammen ebenfalls 17 Stimmen, die Entscheidung
steht also, wenn die Genannten die Gegenseite vertreten, nur bei den klei¬
neren Staaten. Es ist anzunehmen, daß das preußische Volk diese Benach-
theiligung als ungerecht empfinden wird.
Von den zahlreichen Besonderheiten, welche Bayern für sich allein durch¬
gesetzt hat , ist die eine wie ein Schnitt durch das gemeinsame Tafeltuch
unsres neuen Haushalts. Das Aufsichtsrecht des Bundes über Heimaths¬
und Niederlassungsverhältnisse und die Gesetzgebung des Bundes darüber
erstrecken sich nicht auf Bayern. Die Bürger dieses Staates sollen also
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |