Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.dieser sie anleiten will, sich seiner zu entäußern. Diese Wahrheit, die sich Die regellose Ausbreitung der Bezirksarmenvereine ist es, die sich bei Der Zweck der Landarmenverbände fällt mit dem der Bezirksarmen¬ Das Bundesgesetz bestimmt, daß die Bildung der Landarmenverbände dieser sie anleiten will, sich seiner zu entäußern. Diese Wahrheit, die sich Die regellose Ausbreitung der Bezirksarmenvereine ist es, die sich bei Der Zweck der Landarmenverbände fällt mit dem der Bezirksarmen¬ Das Bundesgesetz bestimmt, daß die Bildung der Landarmenverbände <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125104"/> <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> dieser sie anleiten will, sich seiner zu entäußern. Diese Wahrheit, die sich<lb/> mit den Bestrebungen für Selbstverwaltung durchaus verträgt, scheint bei<lb/> denselben nicht immer und genug beherzigt zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1199"> Die regellose Ausbreitung der Bezirksarmenvereine ist es, die sich bei<lb/> Bildung der Landarmenverbände unliebsam fühlbar machen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200"> Der Zweck der Landarmenverbände fällt mit dem der Bezirksarmen¬<lb/> vereine keineswegs zusammen. Es ist theoretisch denkbar, sie beide neben«<lb/> einander bestehen, die Aufgaben der Landarmenversorgung durch die Land¬<lb/> armenverbände, die Aufgaben der Landarmenpflege durch die Bezirksarmen¬<lb/> vereine vollziehen zu lassen. Praktisch scheint dagegen eine solche Scheidung<lb/> undurchführbar. Mehr noch wie bei anderen Verwaltungsangelegenheiten<lb/> kommt es bei dem Armenwesen darauf an, die Verwaltungsbefugnisse in<lb/> einer Hand zu vereinigen, die Armenpflege in die Hand zu legen, welche<lb/> die Armenunterstützung zu gewähren verpflichtet ist. Diese Auffassung darf<lb/> auch die herrschende genannt werden und es wäre nicht wohlgethan, sie bei<lb/> Seite zu setzen. Wichtiger (als dieser doctrinäre Grund) ist aber, daß das<lb/> Bundesgesetz die Bildung der Landarmenverbände in diesem Sinne zur<lb/> Voraussetzung nimmt. Man war darin einig, heißt es im Bericht der<lb/> Neichstagscommission, daß durch die Bestimmungen des Bundes¬<lb/> gesetzes (§.8) die analoge Uebertragung der Bestimmungen des<lb/> preußischen Gesetzgebung in die anderen Territorialgesetzge¬<lb/> bungen angebahnt sei." Die Einrichtung der Landarmenverbände nach<lb/> preußischem Vorbilde ist ein wesentlicher Theil des dem Bundesgesetz zu<lb/> Grunde liegenden Systems. Landarmenversorgung und Landarmenpflege<lb/> sollen verbunden sein. Ein größerer Verband soll die Landarmenlast tragen,<lb/> die Landarmenanstalten unterhalten, die Landarmensteuern aufbringen. Zu<lb/> den Unterschieden zwischen Bezirksarmenvereinen und Landarmenverbänden<lb/> gehört, daß jene ihrem genossenschaftlichen Charakter gemäß den Vereins¬<lb/> aufwand durch statutarisch zur Hebung kommende Umlagen bestreiten, diese<lb/> ein gesetzliches Besteuerungsrecht besitzen. Dort ist die Leistung der Vereins¬<lb/> mitglieder eine bürgerliche, mag sie auch öffentlichen Zwecken zu gute gehen,<lb/> hier eine öffentliche, wie andere staatliche oder communale Steuern und<lb/> Anlagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1201" next="#ID_1202"> Das Bundesgesetz bestimmt, daß die Bildung der Landarmenverbände<lb/> bis zu seinem Jnslebentreten, dem 1. Juli 1871, bewirkt sein muß. Binnen<lb/> dieser Frist ist die Frage zu lösen, wie die Bezirksarmenvereine in das neue<lb/> System der Landverbände übergeführt, wie sie aus freien Genossenschaften zu<lb/> staatlichen Verbänden, zu Verwaltungseinrtchtungen umgestaltet werden sollen.<lb/> Der Zeitraum ist noch lang genug, um die einschlagenden Verhältnisse genau zu<lb/> prüfen, um Verhandlungen zu Pflegen und die Ausgleichung der entgegen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
dieser sie anleiten will, sich seiner zu entäußern. Diese Wahrheit, die sich
mit den Bestrebungen für Selbstverwaltung durchaus verträgt, scheint bei
denselben nicht immer und genug beherzigt zu werden.
Die regellose Ausbreitung der Bezirksarmenvereine ist es, die sich bei
Bildung der Landarmenverbände unliebsam fühlbar machen muß.
Der Zweck der Landarmenverbände fällt mit dem der Bezirksarmen¬
vereine keineswegs zusammen. Es ist theoretisch denkbar, sie beide neben«
einander bestehen, die Aufgaben der Landarmenversorgung durch die Land¬
armenverbände, die Aufgaben der Landarmenpflege durch die Bezirksarmen¬
vereine vollziehen zu lassen. Praktisch scheint dagegen eine solche Scheidung
undurchführbar. Mehr noch wie bei anderen Verwaltungsangelegenheiten
kommt es bei dem Armenwesen darauf an, die Verwaltungsbefugnisse in
einer Hand zu vereinigen, die Armenpflege in die Hand zu legen, welche
die Armenunterstützung zu gewähren verpflichtet ist. Diese Auffassung darf
auch die herrschende genannt werden und es wäre nicht wohlgethan, sie bei
Seite zu setzen. Wichtiger (als dieser doctrinäre Grund) ist aber, daß das
Bundesgesetz die Bildung der Landarmenverbände in diesem Sinne zur
Voraussetzung nimmt. Man war darin einig, heißt es im Bericht der
Neichstagscommission, daß durch die Bestimmungen des Bundes¬
gesetzes (§.8) die analoge Uebertragung der Bestimmungen des
preußischen Gesetzgebung in die anderen Territorialgesetzge¬
bungen angebahnt sei." Die Einrichtung der Landarmenverbände nach
preußischem Vorbilde ist ein wesentlicher Theil des dem Bundesgesetz zu
Grunde liegenden Systems. Landarmenversorgung und Landarmenpflege
sollen verbunden sein. Ein größerer Verband soll die Landarmenlast tragen,
die Landarmenanstalten unterhalten, die Landarmensteuern aufbringen. Zu
den Unterschieden zwischen Bezirksarmenvereinen und Landarmenverbänden
gehört, daß jene ihrem genossenschaftlichen Charakter gemäß den Vereins¬
aufwand durch statutarisch zur Hebung kommende Umlagen bestreiten, diese
ein gesetzliches Besteuerungsrecht besitzen. Dort ist die Leistung der Vereins¬
mitglieder eine bürgerliche, mag sie auch öffentlichen Zwecken zu gute gehen,
hier eine öffentliche, wie andere staatliche oder communale Steuern und
Anlagen.
Das Bundesgesetz bestimmt, daß die Bildung der Landarmenverbände
bis zu seinem Jnslebentreten, dem 1. Juli 1871, bewirkt sein muß. Binnen
dieser Frist ist die Frage zu lösen, wie die Bezirksarmenvereine in das neue
System der Landverbände übergeführt, wie sie aus freien Genossenschaften zu
staatlichen Verbänden, zu Verwaltungseinrtchtungen umgestaltet werden sollen.
Der Zeitraum ist noch lang genug, um die einschlagenden Verhältnisse genau zu
prüfen, um Verhandlungen zu Pflegen und die Ausgleichung der entgegen-
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