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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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pation (wenn manu so sagen darf) dann auch wohl auf die fundamentale
Anordnung der Akademie einwirken, falls dieselbe für den fraglichen Zweck
noch zu wünschen ließe.

Warum jedoch Akademie, der griechische Name und Begriff? warum
nicht auf gut Deutsch Hochschule sagen? oder sobald sich der vornehmste
Zweck der Anstalt klar genug herausgestellt hat, Handelshochschule?

Auch in Bremen fehlt es nicht an einem Project, das gleich dem bereits
in die officielle Sphäre vorgerückten Hamburger Plan sich auf eine Schöpfung
der Vergangenheit zurückbezieht (nur daß dieselbe in Bremen längst völlig
vergangen ist), von dem allgemeinen Umschwung in Deutschland seinen letz¬
ten entscheidenden Anstoß erhalten hat, und auf eine Art moderner Univer¬
sität, d. h. auf eine Anstalt höchster Wissenschafts-Ueberlieferung nach den
Bedürfnissen der Gegenwart und des Ortes, gerichtet ist. Es handelt sich that¬
sächlich dort wie in Hamburg darum, aus der Gesammtheit der zeitgenössischen
Wissenschaften diejenigen herauszunehmen, welche einer großen Handelsstadt
die wichtigsten sind, und aus würdigen Vertretern dieser Fächer ein Colle-
gium zu bilden, das die Wissenschaft selber heimisch mache im Mittelpunkt
eines so bedeutenden Verkehrsgetriebes. Das Unternehmen steht noch durch¬
aus im Stadium des Projects; wie bald und durch welche Factoren es an¬
fangen wird, in Verwirklichung überzugehen, kann heute noch Niemand mit
Gewißheit sagen -- es müßte denn ein heimlicher Peabody oder Matthew
Vassar sein, der entschlossen wäre bei guter Zeit die hauptsächlichste Schwierig¬
keit zu ebnen. Allein das Bedürfniß einer solchen Heranziehung werthvoller
wissenschaftlicher Kräfte wird sich bald in weiten Kreisen bemerklich machen.
Es ist nämlich während des letzten Winters in Bremen ein Verein für junge
Kaufleute entstanden, der sichrer als seine zahlreichen ephemeren Vorgänger
fortzubestehen, mehr als sie einen beträchtlichen Theil der Gesammtheit zu
umfassen und nachhaltig zu fesseln verspricht; und der seiner Bestimmung
zu Folge an die vorhandenen Gelehrten solche Ansprüche stellt, daß sich die
Unmöglichkeit, denselben neben anderweiten Berufsgeschäften zu genügen, bald
ergeben muß. In Bremen wird demnach aller Wahrscheinlichkeit nach von
dieser Seite her sich die Forderung entwickeln, daß mehr Wissenschaft in
tüchtigen persönlichen Trägern auf die eine oder andere Art in das Ge¬
meinwesen hereingezogen werde.

Von einer dritten Seite her mag die Sache sich in Lübeck melden.
Was in Bremen fehlt, dessen hat man dort zuviel: nämlich Geld. Man
hat es im Uebermaß auf einem der wenigen Punkte des öffentlichen Lebens,
wo seiner leicht zuviel sich anhäufen und Verwendung finden kann, in den
zahlreichen Wohlthätigkeitsstiftungen der nicht so blühenden und bevölkerten
Stadt, so daß früher oder später muthmaßlich die Nothwendigkeit entstehen


Grenzboten IV. 1870. 49

pation (wenn manu so sagen darf) dann auch wohl auf die fundamentale
Anordnung der Akademie einwirken, falls dieselbe für den fraglichen Zweck
noch zu wünschen ließe.

Warum jedoch Akademie, der griechische Name und Begriff? warum
nicht auf gut Deutsch Hochschule sagen? oder sobald sich der vornehmste
Zweck der Anstalt klar genug herausgestellt hat, Handelshochschule?

Auch in Bremen fehlt es nicht an einem Project, das gleich dem bereits
in die officielle Sphäre vorgerückten Hamburger Plan sich auf eine Schöpfung
der Vergangenheit zurückbezieht (nur daß dieselbe in Bremen längst völlig
vergangen ist), von dem allgemeinen Umschwung in Deutschland seinen letz¬
ten entscheidenden Anstoß erhalten hat, und auf eine Art moderner Univer¬
sität, d. h. auf eine Anstalt höchster Wissenschafts-Ueberlieferung nach den
Bedürfnissen der Gegenwart und des Ortes, gerichtet ist. Es handelt sich that¬
sächlich dort wie in Hamburg darum, aus der Gesammtheit der zeitgenössischen
Wissenschaften diejenigen herauszunehmen, welche einer großen Handelsstadt
die wichtigsten sind, und aus würdigen Vertretern dieser Fächer ein Colle-
gium zu bilden, das die Wissenschaft selber heimisch mache im Mittelpunkt
eines so bedeutenden Verkehrsgetriebes. Das Unternehmen steht noch durch¬
aus im Stadium des Projects; wie bald und durch welche Factoren es an¬
fangen wird, in Verwirklichung überzugehen, kann heute noch Niemand mit
Gewißheit sagen — es müßte denn ein heimlicher Peabody oder Matthew
Vassar sein, der entschlossen wäre bei guter Zeit die hauptsächlichste Schwierig¬
keit zu ebnen. Allein das Bedürfniß einer solchen Heranziehung werthvoller
wissenschaftlicher Kräfte wird sich bald in weiten Kreisen bemerklich machen.
Es ist nämlich während des letzten Winters in Bremen ein Verein für junge
Kaufleute entstanden, der sichrer als seine zahlreichen ephemeren Vorgänger
fortzubestehen, mehr als sie einen beträchtlichen Theil der Gesammtheit zu
umfassen und nachhaltig zu fesseln verspricht; und der seiner Bestimmung
zu Folge an die vorhandenen Gelehrten solche Ansprüche stellt, daß sich die
Unmöglichkeit, denselben neben anderweiten Berufsgeschäften zu genügen, bald
ergeben muß. In Bremen wird demnach aller Wahrscheinlichkeit nach von
dieser Seite her sich die Forderung entwickeln, daß mehr Wissenschaft in
tüchtigen persönlichen Trägern auf die eine oder andere Art in das Ge¬
meinwesen hereingezogen werde.

Von einer dritten Seite her mag die Sache sich in Lübeck melden.
Was in Bremen fehlt, dessen hat man dort zuviel: nämlich Geld. Man
hat es im Uebermaß auf einem der wenigen Punkte des öffentlichen Lebens,
wo seiner leicht zuviel sich anhäufen und Verwendung finden kann, in den
zahlreichen Wohlthätigkeitsstiftungen der nicht so blühenden und bevölkerten
Stadt, so daß früher oder später muthmaßlich die Nothwendigkeit entstehen


Grenzboten IV. 1870. 49
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/393>, abgerufen am 22.12.2024.