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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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anderen Leser zu weit zu gehen. Der Schlußantrag geht einfach dahin: den
veralteten ursprünglichen Zweck der Anstalt, weitere Vorbereitung von Gym¬
nasiasten zur Universität, fallen zu lassen, und den Nebenzweck von 1837,
allgemein wissenschaftlich-praktische Thätigkeit der verbundenen Gelehrten durch
Vorträge für Jung und Alt u. f. f., in den Vordergrund zu rücken. Da¬
neben sollen sie den betreffenden Sammlungen und Anlagen vorstehen, Prü¬
fungen abhalten helfen, Gutachten ertheilen, -- kurz in jeder Weise bereit
sein, dem Gemeinwesen ihre besondere wissenschaftliche Einsicht zur Ver¬
fügung zu stellen. Sie sollen jedoch, wie selbstverständlich ist, dem verän¬
derten Zwecke gemäß in Zukunft etwas anders ausgesucht werden.
Biblisch-orientalische Philologie und griechisch-römische Philologie fallen mit
dem früheren Hauptzweck ohne weiteres fort. Daß in unserem höheren
Unterrichtswesen von diesen Fächern nicht zu wenig vorhanden ist, darüber
sind wohl alle leidlich unbefangenen und urtheilsfähigem Stimmen einig.
Die zu besetzenden Stellen sollen, meint der Bericht, etwa zu gleichen Theilen
den Naturwissenschaften und den Gesellschaftswissenschaften gewidmet werden.
Der Ausschuß der Bürgerschaft faßt also zusammen, was Prof. Aegidi und
der Professor der Botanik, ein jeder von seinem Standpunkte, nicht ohne Fug
getrennt, begründet hatten. Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, Astronomie,
hier und dort politische Geschichte, Nationalökonomie, Literaturgeschichte,
Aesthetik und Kunstgeschichte; so ungefähr scheint man sich die nächste Ab-
rundung der Fächer vorzustellen. Neben den eigentlichen Professoren der
Akademie -- "Hamburgische Akademie" würde sie zukünftig heißen -- soll
andern Gelehrten erlaubt-sein, sich an ihren Vorträgen und Arbeiten mehr
freiwillig zu betheiligen, auch eine Art Prtvatdocententhum dabei herange¬
zogen werden.

Nur die Kluft zwischen Wunsch und Entschluß, sagt der Bericht, habe
den Ausschuß abgehalten, etwas noch Kühneres zu thun; die Umwandlung
des akademischen Gymnasiums in eine Universität vorzuschlagen. Ob das
wirklich das Kühnere wäre? ob es nicht mindestens verdienstvoller und hoff¬
nungsvoller ist, nach dem langen Stillstande auf diesem Gebiet, einmal eine
ganz neue Bahn einzuschlagen?

Der Plan des bürgerschaftlichen Ausschusses ist, wie man sieht, in
keinerlei unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bildungsbedürfniß junger
Kaufleute gebracht. Aber er ist doch frei und lose genug gehalten, um diesem
präsumtiven Hauptstrom zu erlauben, sich das Beste vorzugsweise für seine
Anliegen zurechtzumachen. Diese Gruppe von Zuhörern braucht den Pro¬
fessoren nur recht stark und beharrlich mit Vortrags- und Unterweisungs-An-
sprüchen zu kommen, so wird keine andere rücksichtsvoller behandelt, lieber
bevorzugt werden, als sie. Mit der Zeit würde eine derartige legitime Usur-


anderen Leser zu weit zu gehen. Der Schlußantrag geht einfach dahin: den
veralteten ursprünglichen Zweck der Anstalt, weitere Vorbereitung von Gym¬
nasiasten zur Universität, fallen zu lassen, und den Nebenzweck von 1837,
allgemein wissenschaftlich-praktische Thätigkeit der verbundenen Gelehrten durch
Vorträge für Jung und Alt u. f. f., in den Vordergrund zu rücken. Da¬
neben sollen sie den betreffenden Sammlungen und Anlagen vorstehen, Prü¬
fungen abhalten helfen, Gutachten ertheilen, — kurz in jeder Weise bereit
sein, dem Gemeinwesen ihre besondere wissenschaftliche Einsicht zur Ver¬
fügung zu stellen. Sie sollen jedoch, wie selbstverständlich ist, dem verän¬
derten Zwecke gemäß in Zukunft etwas anders ausgesucht werden.
Biblisch-orientalische Philologie und griechisch-römische Philologie fallen mit
dem früheren Hauptzweck ohne weiteres fort. Daß in unserem höheren
Unterrichtswesen von diesen Fächern nicht zu wenig vorhanden ist, darüber
sind wohl alle leidlich unbefangenen und urtheilsfähigem Stimmen einig.
Die zu besetzenden Stellen sollen, meint der Bericht, etwa zu gleichen Theilen
den Naturwissenschaften und den Gesellschaftswissenschaften gewidmet werden.
Der Ausschuß der Bürgerschaft faßt also zusammen, was Prof. Aegidi und
der Professor der Botanik, ein jeder von seinem Standpunkte, nicht ohne Fug
getrennt, begründet hatten. Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, Astronomie,
hier und dort politische Geschichte, Nationalökonomie, Literaturgeschichte,
Aesthetik und Kunstgeschichte; so ungefähr scheint man sich die nächste Ab-
rundung der Fächer vorzustellen. Neben den eigentlichen Professoren der
Akademie — „Hamburgische Akademie" würde sie zukünftig heißen — soll
andern Gelehrten erlaubt-sein, sich an ihren Vorträgen und Arbeiten mehr
freiwillig zu betheiligen, auch eine Art Prtvatdocententhum dabei herange¬
zogen werden.

Nur die Kluft zwischen Wunsch und Entschluß, sagt der Bericht, habe
den Ausschuß abgehalten, etwas noch Kühneres zu thun; die Umwandlung
des akademischen Gymnasiums in eine Universität vorzuschlagen. Ob das
wirklich das Kühnere wäre? ob es nicht mindestens verdienstvoller und hoff¬
nungsvoller ist, nach dem langen Stillstande auf diesem Gebiet, einmal eine
ganz neue Bahn einzuschlagen?

Der Plan des bürgerschaftlichen Ausschusses ist, wie man sieht, in
keinerlei unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bildungsbedürfniß junger
Kaufleute gebracht. Aber er ist doch frei und lose genug gehalten, um diesem
präsumtiven Hauptstrom zu erlauben, sich das Beste vorzugsweise für seine
Anliegen zurechtzumachen. Diese Gruppe von Zuhörern braucht den Pro¬
fessoren nur recht stark und beharrlich mit Vortrags- und Unterweisungs-An-
sprüchen zu kommen, so wird keine andere rücksichtsvoller behandelt, lieber
bevorzugt werden, als sie. Mit der Zeit würde eine derartige legitime Usur-


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[0392] anderen Leser zu weit zu gehen. Der Schlußantrag geht einfach dahin: den veralteten ursprünglichen Zweck der Anstalt, weitere Vorbereitung von Gym¬ nasiasten zur Universität, fallen zu lassen, und den Nebenzweck von 1837, allgemein wissenschaftlich-praktische Thätigkeit der verbundenen Gelehrten durch Vorträge für Jung und Alt u. f. f., in den Vordergrund zu rücken. Da¬ neben sollen sie den betreffenden Sammlungen und Anlagen vorstehen, Prü¬ fungen abhalten helfen, Gutachten ertheilen, — kurz in jeder Weise bereit sein, dem Gemeinwesen ihre besondere wissenschaftliche Einsicht zur Ver¬ fügung zu stellen. Sie sollen jedoch, wie selbstverständlich ist, dem verän¬ derten Zwecke gemäß in Zukunft etwas anders ausgesucht werden. Biblisch-orientalische Philologie und griechisch-römische Philologie fallen mit dem früheren Hauptzweck ohne weiteres fort. Daß in unserem höheren Unterrichtswesen von diesen Fächern nicht zu wenig vorhanden ist, darüber sind wohl alle leidlich unbefangenen und urtheilsfähigem Stimmen einig. Die zu besetzenden Stellen sollen, meint der Bericht, etwa zu gleichen Theilen den Naturwissenschaften und den Gesellschaftswissenschaften gewidmet werden. Der Ausschuß der Bürgerschaft faßt also zusammen, was Prof. Aegidi und der Professor der Botanik, ein jeder von seinem Standpunkte, nicht ohne Fug getrennt, begründet hatten. Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, Astronomie, hier und dort politische Geschichte, Nationalökonomie, Literaturgeschichte, Aesthetik und Kunstgeschichte; so ungefähr scheint man sich die nächste Ab- rundung der Fächer vorzustellen. Neben den eigentlichen Professoren der Akademie — „Hamburgische Akademie" würde sie zukünftig heißen — soll andern Gelehrten erlaubt-sein, sich an ihren Vorträgen und Arbeiten mehr freiwillig zu betheiligen, auch eine Art Prtvatdocententhum dabei herange¬ zogen werden. Nur die Kluft zwischen Wunsch und Entschluß, sagt der Bericht, habe den Ausschuß abgehalten, etwas noch Kühneres zu thun; die Umwandlung des akademischen Gymnasiums in eine Universität vorzuschlagen. Ob das wirklich das Kühnere wäre? ob es nicht mindestens verdienstvoller und hoff¬ nungsvoller ist, nach dem langen Stillstande auf diesem Gebiet, einmal eine ganz neue Bahn einzuschlagen? Der Plan des bürgerschaftlichen Ausschusses ist, wie man sieht, in keinerlei unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bildungsbedürfniß junger Kaufleute gebracht. Aber er ist doch frei und lose genug gehalten, um diesem präsumtiven Hauptstrom zu erlauben, sich das Beste vorzugsweise für seine Anliegen zurechtzumachen. Diese Gruppe von Zuhörern braucht den Pro¬ fessoren nur recht stark und beharrlich mit Vortrags- und Unterweisungs-An- sprüchen zu kommen, so wird keine andere rücksichtsvoller behandelt, lieber bevorzugt werden, als sie. Mit der Zeit würde eine derartige legitime Usur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/392>, abgerufen am 22.12.2024.