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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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laß zu Streitigkeiten glücklich beseitigt. Allmählich sind die Schifferordnungen
in Vergessenheit gekommen; allmählich hat sich die Verfassung, wenn von
einer solchen hier überhaupt die Rede sein kann, in wesentlichen Stücken ver-
ändert. Beseitigt ist die Klassen-Eintheilung der Schifferschasts-Verwandten,
beseitigt die Bedingung des häuslichen und dablieben Sitzes, beseitigt der
Hauptschiffer und die Geschworenen, beseitigt die Rügungen. Noch aber be-
steht der schifferschaftliche Wald-, Mühlen- und Floß-Anstalten-Besitz, noch
das Lager- und Gewährbuch, noch die Schifferzeichen, noch die Waldstämme,
die Waldantheile, die aufrechten und niedergefallenen Sägegerechtigkeiten,
noch überhaupt die Schifferhändel, welche noch heute verschenkt, vererbt, ver¬
kauft, verpfändet und verpachtet werden -- verschenkt wohl am seltensten;
denn sie repräsentiren einen sehr ansehnlichen Werth, und wer deren viele
hat, kann sich "häuslich und habiles" machen, wo er will; in Gernsbach sitzen
die Rothschilds dieser Genossenschaft und betreiben das "Holtzgewerb Im
murgenthal" wie ihre Altvordern, nur in moderner Weise, mit glücklicheren
Erfolge, unbehelligt von miteinander streitenden Gemeinsherren.

Wüßte man nur. was diese Schifferschaft ist! Sie ist keine Gesellschaft
im Sinne des Landrechts, keine Handelsgesellschaft im Sinne des Handels¬
gesetzbuches, keine Genossenschaft im Sinne des Genossenschastsgesetzes, keine
Körperschaft im Sinne des II. Constitutions-Edictes. sie hat nicht die Rechte
der juristischen Person. Sie hat keinen anderen Rechtstitel. als ihre Existenz
und keinen anderen Halt als in ihrem Alter. Seit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts datiren die Projecte, ihr eine ordentliche Rechtsform zu geben.
Keiner dieser Versuche ist geglückt. In unserer Zeit aber, der unklare und
zweideutige Rechtsverhältnisse vor Allem zuwider sind, drängen in der That
Rechts- wie wirthschaftliche Gründe dazu, daß diese ehrwürdige Corporation sich
eine feste und zweckmäßige Verfassung schaffe. Wenn die jetzigen Haupttheil¬
haber nicht Gefahr laufen wollen, daß, was so lange zusammengehalten,
plötzlich einmal aus den Fugen geht, mögen sie diese Forderung nicht länger
überhören.


A. E.


Handels-Hoch Schulen in den Hansestädten.

Das akademische Gymnasium in Hamburg, 1610 aus berechtiger Eifer,
sucht auf die Gelehrtenschulen zu Bremen, Stade u. s. f. gegründet, welche
stärkere Anziehungskraft entwickelten als das Hamburger Johanneum, und


laß zu Streitigkeiten glücklich beseitigt. Allmählich sind die Schifferordnungen
in Vergessenheit gekommen; allmählich hat sich die Verfassung, wenn von
einer solchen hier überhaupt die Rede sein kann, in wesentlichen Stücken ver-
ändert. Beseitigt ist die Klassen-Eintheilung der Schifferschasts-Verwandten,
beseitigt die Bedingung des häuslichen und dablieben Sitzes, beseitigt der
Hauptschiffer und die Geschworenen, beseitigt die Rügungen. Noch aber be-
steht der schifferschaftliche Wald-, Mühlen- und Floß-Anstalten-Besitz, noch
das Lager- und Gewährbuch, noch die Schifferzeichen, noch die Waldstämme,
die Waldantheile, die aufrechten und niedergefallenen Sägegerechtigkeiten,
noch überhaupt die Schifferhändel, welche noch heute verschenkt, vererbt, ver¬
kauft, verpfändet und verpachtet werden — verschenkt wohl am seltensten;
denn sie repräsentiren einen sehr ansehnlichen Werth, und wer deren viele
hat, kann sich „häuslich und habiles" machen, wo er will; in Gernsbach sitzen
die Rothschilds dieser Genossenschaft und betreiben das „Holtzgewerb Im
murgenthal" wie ihre Altvordern, nur in moderner Weise, mit glücklicheren
Erfolge, unbehelligt von miteinander streitenden Gemeinsherren.

Wüßte man nur. was diese Schifferschaft ist! Sie ist keine Gesellschaft
im Sinne des Landrechts, keine Handelsgesellschaft im Sinne des Handels¬
gesetzbuches, keine Genossenschaft im Sinne des Genossenschastsgesetzes, keine
Körperschaft im Sinne des II. Constitutions-Edictes. sie hat nicht die Rechte
der juristischen Person. Sie hat keinen anderen Rechtstitel. als ihre Existenz
und keinen anderen Halt als in ihrem Alter. Seit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts datiren die Projecte, ihr eine ordentliche Rechtsform zu geben.
Keiner dieser Versuche ist geglückt. In unserer Zeit aber, der unklare und
zweideutige Rechtsverhältnisse vor Allem zuwider sind, drängen in der That
Rechts- wie wirthschaftliche Gründe dazu, daß diese ehrwürdige Corporation sich
eine feste und zweckmäßige Verfassung schaffe. Wenn die jetzigen Haupttheil¬
haber nicht Gefahr laufen wollen, daß, was so lange zusammengehalten,
plötzlich einmal aus den Fugen geht, mögen sie diese Forderung nicht länger
überhören.


A. E.


Handels-Hoch Schulen in den Hansestädten.

Das akademische Gymnasium in Hamburg, 1610 aus berechtiger Eifer,
sucht auf die Gelehrtenschulen zu Bremen, Stade u. s. f. gegründet, welche
stärkere Anziehungskraft entwickelten als das Hamburger Johanneum, und


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[0388] laß zu Streitigkeiten glücklich beseitigt. Allmählich sind die Schifferordnungen in Vergessenheit gekommen; allmählich hat sich die Verfassung, wenn von einer solchen hier überhaupt die Rede sein kann, in wesentlichen Stücken ver- ändert. Beseitigt ist die Klassen-Eintheilung der Schifferschasts-Verwandten, beseitigt die Bedingung des häuslichen und dablieben Sitzes, beseitigt der Hauptschiffer und die Geschworenen, beseitigt die Rügungen. Noch aber be- steht der schifferschaftliche Wald-, Mühlen- und Floß-Anstalten-Besitz, noch das Lager- und Gewährbuch, noch die Schifferzeichen, noch die Waldstämme, die Waldantheile, die aufrechten und niedergefallenen Sägegerechtigkeiten, noch überhaupt die Schifferhändel, welche noch heute verschenkt, vererbt, ver¬ kauft, verpfändet und verpachtet werden — verschenkt wohl am seltensten; denn sie repräsentiren einen sehr ansehnlichen Werth, und wer deren viele hat, kann sich „häuslich und habiles" machen, wo er will; in Gernsbach sitzen die Rothschilds dieser Genossenschaft und betreiben das „Holtzgewerb Im murgenthal" wie ihre Altvordern, nur in moderner Weise, mit glücklicheren Erfolge, unbehelligt von miteinander streitenden Gemeinsherren. Wüßte man nur. was diese Schifferschaft ist! Sie ist keine Gesellschaft im Sinne des Landrechts, keine Handelsgesellschaft im Sinne des Handels¬ gesetzbuches, keine Genossenschaft im Sinne des Genossenschastsgesetzes, keine Körperschaft im Sinne des II. Constitutions-Edictes. sie hat nicht die Rechte der juristischen Person. Sie hat keinen anderen Rechtstitel. als ihre Existenz und keinen anderen Halt als in ihrem Alter. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts datiren die Projecte, ihr eine ordentliche Rechtsform zu geben. Keiner dieser Versuche ist geglückt. In unserer Zeit aber, der unklare und zweideutige Rechtsverhältnisse vor Allem zuwider sind, drängen in der That Rechts- wie wirthschaftliche Gründe dazu, daß diese ehrwürdige Corporation sich eine feste und zweckmäßige Verfassung schaffe. Wenn die jetzigen Haupttheil¬ haber nicht Gefahr laufen wollen, daß, was so lange zusammengehalten, plötzlich einmal aus den Fugen geht, mögen sie diese Forderung nicht länger überhören. A. E. Handels-Hoch Schulen in den Hansestädten. Das akademische Gymnasium in Hamburg, 1610 aus berechtiger Eifer, sucht auf die Gelehrtenschulen zu Bremen, Stade u. s. f. gegründet, welche stärkere Anziehungskraft entwickelten als das Hamburger Johanneum, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/388>, abgerufen am 23.12.2024.