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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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sich schon im 17. Jahrhundert in bloße Amtstage, bei deinen nicht mehr die
gekorenen Beamten der Schifferschaft, sondern die eingesetzten herrschaftlichen
Vögte die erste Geige spielten.

Die Privilegien der Schifferschaft bestanden früher in der Alleinberech¬
tigung zum Holzhandel und zur Holz-Ausfuhr in der Grafschaft Eberstein,
sowie in der Alleinbenutzung der Murg und ihrer Nebenbäche zum Verstößen
von Stämmen, welche zu Sägewaaren bestimmt waren, und von Säge¬
waaren. Später erloschen die Holzhandelsprivilegien. Aber das Floßprivileg
d. h. jetzt das Recht, ohne besondere obrigkeitliche Erlaubniß Sägeholz, Säge¬
waaren und eine gewisse Anzahl Baustämme Verstößen zu dürfen, besteht noch
heute und ist der Schifferschaft in einer Murgfloßordnung vom Jahre 1864
ausdrücklich, bis auf Weiteres, bestätigt worden.

Die Geschichte der Schifferschast, soweit sie uns vor Augen liegt, ist
überaus arm an erhebenden Momenten. Vielleicht keine andere, aus so alter
Zeit stammende deutsche Genossenschaft von gleich großer vermögensrechtltcher
Bedeutung und gleich zäher Lebenskraft hat eine gleich unbedeutende, ja
jämmerliche Rolle im öffentlichen Leben der Nation gespielt, wohl keine an¬
dere ist zu irgend einer Zeit während ihrer Existenz innerlich so zerklüftet
und gespalten gewesen, als die Schifferschast während der ganzen Jahrhun¬
derte, durch welche wir ihre Geschichte verfolgen können. Zwar die äußeren
Existenzbedingungen, der Sitz in einem beengten, stets von mehreren Mit¬
herren beherrschten Territorium, die Unklarheit der Rechtsverhältnisse und der
Verfassung, erklären zum Theil die, ich möchte sagen bürgerliche und politi¬
sche, Ohnmacht dieser Genossenschaft. Aber doch nur zum Theil. Anderwärts
haben doch minder vermögende Genossenschaften aus mißlicheren Verhält¬
nissen zu größerer Macht, zu maßgebender Bedeutung für alle umgebenden
Kreise sich aufgeschwungen. Sollte dies aber geschehen, so mußten die Ge¬
nossen darnach sein. Und unter den Mitgliedern der Schifferschaft scheint es
von je zwar nicht an tüchtigen Geschäftsleuten und Männern, die mit einer
gewissen Bauernschlauheit begabt waren, aber an großen, schöpferischen, that¬
kräftigeren Charakteren, an festen männlichen Naturen, gefehlt zu haben.
Das Gedächtniß mancher hervorragender Namen aus dem Kreise der Ge¬
nossenschaft ist uns aufbewahrt. Aber die Träger glänzen nur durch ihren
Reichthum, haben sich höchstens durch Acte der Wohlthätigkeit, vielleicht
durch rechtschaffene, gutspießbürgerliche Gesinnung ausgezeichnet; von Keinem
von ihnen hören wir, daß er die Rechte der Genossenschaft gegen Beamten-
und Herren-Willkür kühn vertheidigt, daß er auch nur Frieden in der Ge¬
nossenschaft zu stiften vermocht, daß er durch Gemeingeist und fernsichtige
Klugheit allen Anderen vorangeleuchtet.

Ich sagte, allerdings seiendieäußeren Existenzbedingungen ungünstig gewesen.


sich schon im 17. Jahrhundert in bloße Amtstage, bei deinen nicht mehr die
gekorenen Beamten der Schifferschaft, sondern die eingesetzten herrschaftlichen
Vögte die erste Geige spielten.

Die Privilegien der Schifferschaft bestanden früher in der Alleinberech¬
tigung zum Holzhandel und zur Holz-Ausfuhr in der Grafschaft Eberstein,
sowie in der Alleinbenutzung der Murg und ihrer Nebenbäche zum Verstößen
von Stämmen, welche zu Sägewaaren bestimmt waren, und von Säge¬
waaren. Später erloschen die Holzhandelsprivilegien. Aber das Floßprivileg
d. h. jetzt das Recht, ohne besondere obrigkeitliche Erlaubniß Sägeholz, Säge¬
waaren und eine gewisse Anzahl Baustämme Verstößen zu dürfen, besteht noch
heute und ist der Schifferschaft in einer Murgfloßordnung vom Jahre 1864
ausdrücklich, bis auf Weiteres, bestätigt worden.

Die Geschichte der Schifferschast, soweit sie uns vor Augen liegt, ist
überaus arm an erhebenden Momenten. Vielleicht keine andere, aus so alter
Zeit stammende deutsche Genossenschaft von gleich großer vermögensrechtltcher
Bedeutung und gleich zäher Lebenskraft hat eine gleich unbedeutende, ja
jämmerliche Rolle im öffentlichen Leben der Nation gespielt, wohl keine an¬
dere ist zu irgend einer Zeit während ihrer Existenz innerlich so zerklüftet
und gespalten gewesen, als die Schifferschast während der ganzen Jahrhun¬
derte, durch welche wir ihre Geschichte verfolgen können. Zwar die äußeren
Existenzbedingungen, der Sitz in einem beengten, stets von mehreren Mit¬
herren beherrschten Territorium, die Unklarheit der Rechtsverhältnisse und der
Verfassung, erklären zum Theil die, ich möchte sagen bürgerliche und politi¬
sche, Ohnmacht dieser Genossenschaft. Aber doch nur zum Theil. Anderwärts
haben doch minder vermögende Genossenschaften aus mißlicheren Verhält¬
nissen zu größerer Macht, zu maßgebender Bedeutung für alle umgebenden
Kreise sich aufgeschwungen. Sollte dies aber geschehen, so mußten die Ge¬
nossen darnach sein. Und unter den Mitgliedern der Schifferschaft scheint es
von je zwar nicht an tüchtigen Geschäftsleuten und Männern, die mit einer
gewissen Bauernschlauheit begabt waren, aber an großen, schöpferischen, that¬
kräftigeren Charakteren, an festen männlichen Naturen, gefehlt zu haben.
Das Gedächtniß mancher hervorragender Namen aus dem Kreise der Ge¬
nossenschaft ist uns aufbewahrt. Aber die Träger glänzen nur durch ihren
Reichthum, haben sich höchstens durch Acte der Wohlthätigkeit, vielleicht
durch rechtschaffene, gutspießbürgerliche Gesinnung ausgezeichnet; von Keinem
von ihnen hören wir, daß er die Rechte der Genossenschaft gegen Beamten-
und Herren-Willkür kühn vertheidigt, daß er auch nur Frieden in der Ge¬
nossenschaft zu stiften vermocht, daß er durch Gemeingeist und fernsichtige
Klugheit allen Anderen vorangeleuchtet.

Ich sagte, allerdings seiendieäußeren Existenzbedingungen ungünstig gewesen.


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[0386] sich schon im 17. Jahrhundert in bloße Amtstage, bei deinen nicht mehr die gekorenen Beamten der Schifferschaft, sondern die eingesetzten herrschaftlichen Vögte die erste Geige spielten. Die Privilegien der Schifferschaft bestanden früher in der Alleinberech¬ tigung zum Holzhandel und zur Holz-Ausfuhr in der Grafschaft Eberstein, sowie in der Alleinbenutzung der Murg und ihrer Nebenbäche zum Verstößen von Stämmen, welche zu Sägewaaren bestimmt waren, und von Säge¬ waaren. Später erloschen die Holzhandelsprivilegien. Aber das Floßprivileg d. h. jetzt das Recht, ohne besondere obrigkeitliche Erlaubniß Sägeholz, Säge¬ waaren und eine gewisse Anzahl Baustämme Verstößen zu dürfen, besteht noch heute und ist der Schifferschaft in einer Murgfloßordnung vom Jahre 1864 ausdrücklich, bis auf Weiteres, bestätigt worden. Die Geschichte der Schifferschast, soweit sie uns vor Augen liegt, ist überaus arm an erhebenden Momenten. Vielleicht keine andere, aus so alter Zeit stammende deutsche Genossenschaft von gleich großer vermögensrechtltcher Bedeutung und gleich zäher Lebenskraft hat eine gleich unbedeutende, ja jämmerliche Rolle im öffentlichen Leben der Nation gespielt, wohl keine an¬ dere ist zu irgend einer Zeit während ihrer Existenz innerlich so zerklüftet und gespalten gewesen, als die Schifferschast während der ganzen Jahrhun¬ derte, durch welche wir ihre Geschichte verfolgen können. Zwar die äußeren Existenzbedingungen, der Sitz in einem beengten, stets von mehreren Mit¬ herren beherrschten Territorium, die Unklarheit der Rechtsverhältnisse und der Verfassung, erklären zum Theil die, ich möchte sagen bürgerliche und politi¬ sche, Ohnmacht dieser Genossenschaft. Aber doch nur zum Theil. Anderwärts haben doch minder vermögende Genossenschaften aus mißlicheren Verhält¬ nissen zu größerer Macht, zu maßgebender Bedeutung für alle umgebenden Kreise sich aufgeschwungen. Sollte dies aber geschehen, so mußten die Ge¬ nossen darnach sein. Und unter den Mitgliedern der Schifferschaft scheint es von je zwar nicht an tüchtigen Geschäftsleuten und Männern, die mit einer gewissen Bauernschlauheit begabt waren, aber an großen, schöpferischen, that¬ kräftigeren Charakteren, an festen männlichen Naturen, gefehlt zu haben. Das Gedächtniß mancher hervorragender Namen aus dem Kreise der Ge¬ nossenschaft ist uns aufbewahrt. Aber die Träger glänzen nur durch ihren Reichthum, haben sich höchstens durch Acte der Wohlthätigkeit, vielleicht durch rechtschaffene, gutspießbürgerliche Gesinnung ausgezeichnet; von Keinem von ihnen hören wir, daß er die Rechte der Genossenschaft gegen Beamten- und Herren-Willkür kühn vertheidigt, daß er auch nur Frieden in der Ge¬ nossenschaft zu stiften vermocht, daß er durch Gemeingeist und fernsichtige Klugheit allen Anderen vorangeleuchtet. Ich sagte, allerdings seiendieäußeren Existenzbedingungen ungünstig gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/386>, abgerufen am 23.12.2024.