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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Weiler'schen Stamm mit ^/^ Waidrecht betheiligt war, bekam, wenn daran
zusammen 20 Rechte bestanden, von 2400 gehauenen Stämmen 30 Stämme.
Jeder Schiffer hatte sein Schifferzeichen, eine Combination von Linien und
Figuren, welches gleich nach der Zutheilung im Walde den Stämmen auf¬
geschlagen wurde. Die Zeichen waren sämmtlich in dem "gemeinen Zeichen-
büchel" eingetragen. Die Stämme wurden nach einem gewissen "Model"
gehauen, d. h. es dursten nur Stämme gefällt werden, die in eine der auf¬
gestellten Größenklassen paßten und die Theilung der Stämme in Sägeklötze
erfolgte auch nach gewissen Maßen. Nach der Fällung wurde nun das Holz
zunächst und zwar von den "Waldschiffern", nach den Sägemühlen verstößt.
Jeder der Wald-Stämme besaß einige solche Sägemühlen. Jeder an dem
Waldstämme Betheiligte hatte auch eine verhältnißmäßige Anzahl von Säge¬
rechten, welche "Bordschnittsgerechtigkeiten" hießen, d. h. er konnte auf der
gemeinschaftlichen Sägemühle so und so viele Borde (Bretter) schneiden lassen.
Solcher Bordschnittsgerechtigkeiten gab es seit alter Zeit 360,800; auf jeden
Mühlgang kamen davon 6400. Die Mühlen wurden von den Betheiligten
erhalten, die Sägemüller von ihnen besoldet. Fiel eine solche Mühle nieder,
entweder in Folge gewaltsamer Zerstörung in unruhigen Zeiten oder vor
Altersschwäche, und wurde sie nicht wieder aufgebaut, so erloschen doch die
Rechte daran nicht. Man sprach daher von "aufrechten" und "niedergefallenen"
Sägemühlen und Bordschnittsgerechtigkeiten; wurde die Mühle wieder aus¬
gebaut, so lebten auch die Rechte der Betheiligten wieder auf.

Die ideellen Antheile an den Waldungen und Mühlen, sowie an
den Floßanstalten und die Bordschnittsgerechtigkeiten zusammen wurden
"Schifferhändel" genannt. Diese Schifferhändel konnten verkauft, ver¬
schenkt, vererbt, verpfändet und verliehen werden. Dem Verkäufer ge¬
genüber, der an einen Nichtschiffer verkaufen wollte, stand der Schiffer¬
schaft das Losungs-(Retrakts-)Recht zu, welches zu unseligen Streitigkeiten
Anlaß gab. Jede Veränderung von Schifferhändeln mußte in ein besonderes,
öffentlich geführtes Buch eingetragen werden. Erwerben und betreiben konnte
Schifferhändel nur, wer in der Grafschaft Eberstein "häuslich und habiles"
angesessen war und sich "zum Sakrament der heiligen Ehe verändert" hatte.
Wittwen von Schiffern konnten die Schifferhändel selbständig fortführen, mu߬
ten sie aber durch einen Bevollmächtigten, Factor, betreiben lassen.

Aus den Sägemühlen wurden von den Müllern ("Sägern") die Säge¬
waaren nach festbestimmten Vorschriften und Möbeln gefertigt; dann konnte
jeder Betheiligte seine Waaren allein oder zusammen mit denen eines ande¬
ren Schiffers einbinden lassen, nachdem sie durch beeidigte Führer gekohren,
d. h. besichtigt und classificirt waren. Die Sägwaaren-Flöße gingen auf
der Murg nach Steinmauren, geführt von verpflichteten Murgknechten. Hier


Weiler'schen Stamm mit ^/^ Waidrecht betheiligt war, bekam, wenn daran
zusammen 20 Rechte bestanden, von 2400 gehauenen Stämmen 30 Stämme.
Jeder Schiffer hatte sein Schifferzeichen, eine Combination von Linien und
Figuren, welches gleich nach der Zutheilung im Walde den Stämmen auf¬
geschlagen wurde. Die Zeichen waren sämmtlich in dem „gemeinen Zeichen-
büchel" eingetragen. Die Stämme wurden nach einem gewissen „Model"
gehauen, d. h. es dursten nur Stämme gefällt werden, die in eine der auf¬
gestellten Größenklassen paßten und die Theilung der Stämme in Sägeklötze
erfolgte auch nach gewissen Maßen. Nach der Fällung wurde nun das Holz
zunächst und zwar von den „Waldschiffern", nach den Sägemühlen verstößt.
Jeder der Wald-Stämme besaß einige solche Sägemühlen. Jeder an dem
Waldstämme Betheiligte hatte auch eine verhältnißmäßige Anzahl von Säge¬
rechten, welche „Bordschnittsgerechtigkeiten" hießen, d. h. er konnte auf der
gemeinschaftlichen Sägemühle so und so viele Borde (Bretter) schneiden lassen.
Solcher Bordschnittsgerechtigkeiten gab es seit alter Zeit 360,800; auf jeden
Mühlgang kamen davon 6400. Die Mühlen wurden von den Betheiligten
erhalten, die Sägemüller von ihnen besoldet. Fiel eine solche Mühle nieder,
entweder in Folge gewaltsamer Zerstörung in unruhigen Zeiten oder vor
Altersschwäche, und wurde sie nicht wieder aufgebaut, so erloschen doch die
Rechte daran nicht. Man sprach daher von „aufrechten" und „niedergefallenen"
Sägemühlen und Bordschnittsgerechtigkeiten; wurde die Mühle wieder aus¬
gebaut, so lebten auch die Rechte der Betheiligten wieder auf.

Die ideellen Antheile an den Waldungen und Mühlen, sowie an
den Floßanstalten und die Bordschnittsgerechtigkeiten zusammen wurden
„Schifferhändel" genannt. Diese Schifferhändel konnten verkauft, ver¬
schenkt, vererbt, verpfändet und verliehen werden. Dem Verkäufer ge¬
genüber, der an einen Nichtschiffer verkaufen wollte, stand der Schiffer¬
schaft das Losungs-(Retrakts-)Recht zu, welches zu unseligen Streitigkeiten
Anlaß gab. Jede Veränderung von Schifferhändeln mußte in ein besonderes,
öffentlich geführtes Buch eingetragen werden. Erwerben und betreiben konnte
Schifferhändel nur, wer in der Grafschaft Eberstein „häuslich und habiles"
angesessen war und sich „zum Sakrament der heiligen Ehe verändert" hatte.
Wittwen von Schiffern konnten die Schifferhändel selbständig fortführen, mu߬
ten sie aber durch einen Bevollmächtigten, Factor, betreiben lassen.

Aus den Sägemühlen wurden von den Müllern („Sägern") die Säge¬
waaren nach festbestimmten Vorschriften und Möbeln gefertigt; dann konnte
jeder Betheiligte seine Waaren allein oder zusammen mit denen eines ande¬
ren Schiffers einbinden lassen, nachdem sie durch beeidigte Führer gekohren,
d. h. besichtigt und classificirt waren. Die Sägwaaren-Flöße gingen auf
der Murg nach Steinmauren, geführt von verpflichteten Murgknechten. Hier


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[0384] Weiler'schen Stamm mit ^/^ Waidrecht betheiligt war, bekam, wenn daran zusammen 20 Rechte bestanden, von 2400 gehauenen Stämmen 30 Stämme. Jeder Schiffer hatte sein Schifferzeichen, eine Combination von Linien und Figuren, welches gleich nach der Zutheilung im Walde den Stämmen auf¬ geschlagen wurde. Die Zeichen waren sämmtlich in dem „gemeinen Zeichen- büchel" eingetragen. Die Stämme wurden nach einem gewissen „Model" gehauen, d. h. es dursten nur Stämme gefällt werden, die in eine der auf¬ gestellten Größenklassen paßten und die Theilung der Stämme in Sägeklötze erfolgte auch nach gewissen Maßen. Nach der Fällung wurde nun das Holz zunächst und zwar von den „Waldschiffern", nach den Sägemühlen verstößt. Jeder der Wald-Stämme besaß einige solche Sägemühlen. Jeder an dem Waldstämme Betheiligte hatte auch eine verhältnißmäßige Anzahl von Säge¬ rechten, welche „Bordschnittsgerechtigkeiten" hießen, d. h. er konnte auf der gemeinschaftlichen Sägemühle so und so viele Borde (Bretter) schneiden lassen. Solcher Bordschnittsgerechtigkeiten gab es seit alter Zeit 360,800; auf jeden Mühlgang kamen davon 6400. Die Mühlen wurden von den Betheiligten erhalten, die Sägemüller von ihnen besoldet. Fiel eine solche Mühle nieder, entweder in Folge gewaltsamer Zerstörung in unruhigen Zeiten oder vor Altersschwäche, und wurde sie nicht wieder aufgebaut, so erloschen doch die Rechte daran nicht. Man sprach daher von „aufrechten" und „niedergefallenen" Sägemühlen und Bordschnittsgerechtigkeiten; wurde die Mühle wieder aus¬ gebaut, so lebten auch die Rechte der Betheiligten wieder auf. Die ideellen Antheile an den Waldungen und Mühlen, sowie an den Floßanstalten und die Bordschnittsgerechtigkeiten zusammen wurden „Schifferhändel" genannt. Diese Schifferhändel konnten verkauft, ver¬ schenkt, vererbt, verpfändet und verliehen werden. Dem Verkäufer ge¬ genüber, der an einen Nichtschiffer verkaufen wollte, stand der Schiffer¬ schaft das Losungs-(Retrakts-)Recht zu, welches zu unseligen Streitigkeiten Anlaß gab. Jede Veränderung von Schifferhändeln mußte in ein besonderes, öffentlich geführtes Buch eingetragen werden. Erwerben und betreiben konnte Schifferhändel nur, wer in der Grafschaft Eberstein „häuslich und habiles" angesessen war und sich „zum Sakrament der heiligen Ehe verändert" hatte. Wittwen von Schiffern konnten die Schifferhändel selbständig fortführen, mu߬ ten sie aber durch einen Bevollmächtigten, Factor, betreiben lassen. Aus den Sägemühlen wurden von den Müllern („Sägern") die Säge¬ waaren nach festbestimmten Vorschriften und Möbeln gefertigt; dann konnte jeder Betheiligte seine Waaren allein oder zusammen mit denen eines ande¬ ren Schiffers einbinden lassen, nachdem sie durch beeidigte Führer gekohren, d. h. besichtigt und classificirt waren. Die Sägwaaren-Flöße gingen auf der Murg nach Steinmauren, geführt von verpflichteten Murgknechten. Hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/384>, abgerufen am 24.12.2024.