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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Offiziercorps, über die militärische Verwaltung und das Commando durch
den Bundesfeldherrn, Uebernahme von Post und Telegraphie durch den
Bund. Der Vertrag mit dem Königreich Württemberg sichert diesem etwa
die militärischen Privilegien von Sachsen, der mit Bayern dem Vernehmen
nach außer der bayrischen Souveränetät in dem Hsereswesen noch einige
weitere Zugeständnisse und in der Diplomatie und sonst einige beson¬
dere Ehrenrechte. Baden und noch mehr Württemberg, am meisten Bayern
haben in ihren Steuereinnahmen -- Getränksteuern -- Besonderheiten be¬
halten; die ganze Organisation sieht verschachtelt und ungleichmäßig aus.
Einige dieser Privilegien sind zur Zeit nothwendig und in der Ordnung;
-- wenn wir mit dem Zutritt der Südstaaten warten wollen, bis sie in
ihrer Außenstellung ihre Steuergesetzgebung nach unserm Modell umgeformt
hätten, so könnte lange Zeit vergehen. Andere Privilegien einzelner Süd¬
staaten sind große Mißstände, für welche keine andere Entschuldigung anzu¬
führen sein wird, als die, daß sie unvermeidlich waren. Auch einzige Ver¬
fassungsänderungen schneiden tief in das Leben des neuen Staats, so die Be¬
schränkung des Bundesoberhaupts im Recht über Krieg und Frieden; eine
andere ist abenteuerlich, die nie> in xartes und theilweise Abstimmung nach
Landschaften für Bundesrath und Reichstag in Fragen, welche nicht
den ganzen Staat, nur einzelne Landschaften angehen. Für den Bundesrath
ist solches Votiren eines Theils allerdings leichter möglich, obwohl nicht ohne
Bedenken, für den Reichstag ist es eine große Gefahr und ein Widerspruch
gegen das Wesen nationaler Vertretung. -- Hat der norddeutsche Bundesrath
die Verträge und die Verfassungsänderung angenommen, so werden sie dem
jetzt versammelten Reichstag zur Vereinbarung vorgelegt. Es ist wahrscheinlich,
daß die Ueberreichung der Verträge mit Württemberg und Bayern folgen wird,
sobald die Verträge mit den Großherzogthümern, welche zu weniger Bedenken Ver¬
anlassung geben, und die Nothwendigkeit der stipulirten Verfassungsänderungen
dem Reichstage unvermeidlich erschienen sind. Offenbar wird das ganze neue
Haus ein sehr unregelmäßiger Bau mit manchen seltsamen Thürmchen und unzu¬
gänglichen Zimmern. Wir Deutsche wußten das wohl, denn wir haben ihn
mühsam zwischen den scharfen Winkeln bestehender Rechte und Ansprüche auf¬
richten sehen. Aber es ist junge fröhliche Kraft, welche davon Besitz nimmt,
wir werden uns einrichten, einzelnes Unerträgliche bald beseitigen, und ihn all¬
mählich in Frieden zu einer guten Wohnung machen. Und dem Grafen Bis-
marck wird allseitig guter Mille entgegenkommen, das irgend Leibliche seiner
Verträge anzunehmen. Was uns als das Bedenklichste sür die Zukunft erscheint,
das ist die Beschränkung der Obmacht des Bundesfeldherrn in Bayern und
Württemberg. Denn grade dem bayrischen Heerwesen thut eine gründliche Einfüh¬
rung der norddeutschen Zucht am meisten noth. Freilich, dieser Hauptmangel


Offiziercorps, über die militärische Verwaltung und das Commando durch
den Bundesfeldherrn, Uebernahme von Post und Telegraphie durch den
Bund. Der Vertrag mit dem Königreich Württemberg sichert diesem etwa
die militärischen Privilegien von Sachsen, der mit Bayern dem Vernehmen
nach außer der bayrischen Souveränetät in dem Hsereswesen noch einige
weitere Zugeständnisse und in der Diplomatie und sonst einige beson¬
dere Ehrenrechte. Baden und noch mehr Württemberg, am meisten Bayern
haben in ihren Steuereinnahmen — Getränksteuern — Besonderheiten be¬
halten; die ganze Organisation sieht verschachtelt und ungleichmäßig aus.
Einige dieser Privilegien sind zur Zeit nothwendig und in der Ordnung;
— wenn wir mit dem Zutritt der Südstaaten warten wollen, bis sie in
ihrer Außenstellung ihre Steuergesetzgebung nach unserm Modell umgeformt
hätten, so könnte lange Zeit vergehen. Andere Privilegien einzelner Süd¬
staaten sind große Mißstände, für welche keine andere Entschuldigung anzu¬
führen sein wird, als die, daß sie unvermeidlich waren. Auch einzige Ver¬
fassungsänderungen schneiden tief in das Leben des neuen Staats, so die Be¬
schränkung des Bundesoberhaupts im Recht über Krieg und Frieden; eine
andere ist abenteuerlich, die nie> in xartes und theilweise Abstimmung nach
Landschaften für Bundesrath und Reichstag in Fragen, welche nicht
den ganzen Staat, nur einzelne Landschaften angehen. Für den Bundesrath
ist solches Votiren eines Theils allerdings leichter möglich, obwohl nicht ohne
Bedenken, für den Reichstag ist es eine große Gefahr und ein Widerspruch
gegen das Wesen nationaler Vertretung. — Hat der norddeutsche Bundesrath
die Verträge und die Verfassungsänderung angenommen, so werden sie dem
jetzt versammelten Reichstag zur Vereinbarung vorgelegt. Es ist wahrscheinlich,
daß die Ueberreichung der Verträge mit Württemberg und Bayern folgen wird,
sobald die Verträge mit den Großherzogthümern, welche zu weniger Bedenken Ver¬
anlassung geben, und die Nothwendigkeit der stipulirten Verfassungsänderungen
dem Reichstage unvermeidlich erschienen sind. Offenbar wird das ganze neue
Haus ein sehr unregelmäßiger Bau mit manchen seltsamen Thürmchen und unzu¬
gänglichen Zimmern. Wir Deutsche wußten das wohl, denn wir haben ihn
mühsam zwischen den scharfen Winkeln bestehender Rechte und Ansprüche auf¬
richten sehen. Aber es ist junge fröhliche Kraft, welche davon Besitz nimmt,
wir werden uns einrichten, einzelnes Unerträgliche bald beseitigen, und ihn all¬
mählich in Frieden zu einer guten Wohnung machen. Und dem Grafen Bis-
marck wird allseitig guter Mille entgegenkommen, das irgend Leibliche seiner
Verträge anzunehmen. Was uns als das Bedenklichste sür die Zukunft erscheint,
das ist die Beschränkung der Obmacht des Bundesfeldherrn in Bayern und
Württemberg. Denn grade dem bayrischen Heerwesen thut eine gründliche Einfüh¬
rung der norddeutschen Zucht am meisten noth. Freilich, dieser Hauptmangel


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[0366] Offiziercorps, über die militärische Verwaltung und das Commando durch den Bundesfeldherrn, Uebernahme von Post und Telegraphie durch den Bund. Der Vertrag mit dem Königreich Württemberg sichert diesem etwa die militärischen Privilegien von Sachsen, der mit Bayern dem Vernehmen nach außer der bayrischen Souveränetät in dem Hsereswesen noch einige weitere Zugeständnisse und in der Diplomatie und sonst einige beson¬ dere Ehrenrechte. Baden und noch mehr Württemberg, am meisten Bayern haben in ihren Steuereinnahmen — Getränksteuern — Besonderheiten be¬ halten; die ganze Organisation sieht verschachtelt und ungleichmäßig aus. Einige dieser Privilegien sind zur Zeit nothwendig und in der Ordnung; — wenn wir mit dem Zutritt der Südstaaten warten wollen, bis sie in ihrer Außenstellung ihre Steuergesetzgebung nach unserm Modell umgeformt hätten, so könnte lange Zeit vergehen. Andere Privilegien einzelner Süd¬ staaten sind große Mißstände, für welche keine andere Entschuldigung anzu¬ führen sein wird, als die, daß sie unvermeidlich waren. Auch einzige Ver¬ fassungsänderungen schneiden tief in das Leben des neuen Staats, so die Be¬ schränkung des Bundesoberhaupts im Recht über Krieg und Frieden; eine andere ist abenteuerlich, die nie> in xartes und theilweise Abstimmung nach Landschaften für Bundesrath und Reichstag in Fragen, welche nicht den ganzen Staat, nur einzelne Landschaften angehen. Für den Bundesrath ist solches Votiren eines Theils allerdings leichter möglich, obwohl nicht ohne Bedenken, für den Reichstag ist es eine große Gefahr und ein Widerspruch gegen das Wesen nationaler Vertretung. — Hat der norddeutsche Bundesrath die Verträge und die Verfassungsänderung angenommen, so werden sie dem jetzt versammelten Reichstag zur Vereinbarung vorgelegt. Es ist wahrscheinlich, daß die Ueberreichung der Verträge mit Württemberg und Bayern folgen wird, sobald die Verträge mit den Großherzogthümern, welche zu weniger Bedenken Ver¬ anlassung geben, und die Nothwendigkeit der stipulirten Verfassungsänderungen dem Reichstage unvermeidlich erschienen sind. Offenbar wird das ganze neue Haus ein sehr unregelmäßiger Bau mit manchen seltsamen Thürmchen und unzu¬ gänglichen Zimmern. Wir Deutsche wußten das wohl, denn wir haben ihn mühsam zwischen den scharfen Winkeln bestehender Rechte und Ansprüche auf¬ richten sehen. Aber es ist junge fröhliche Kraft, welche davon Besitz nimmt, wir werden uns einrichten, einzelnes Unerträgliche bald beseitigen, und ihn all¬ mählich in Frieden zu einer guten Wohnung machen. Und dem Grafen Bis- marck wird allseitig guter Mille entgegenkommen, das irgend Leibliche seiner Verträge anzunehmen. Was uns als das Bedenklichste sür die Zukunft erscheint, das ist die Beschränkung der Obmacht des Bundesfeldherrn in Bayern und Württemberg. Denn grade dem bayrischen Heerwesen thut eine gründliche Einfüh¬ rung der norddeutschen Zucht am meisten noth. Freilich, dieser Hauptmangel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/366>, abgerufen am 22.12.2024.