Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.national ist, als sie bis zum Kriege eifrig antinational war. Denn die Der Wahlkampf ist im Gang, und aufrichtig gesagt, die Nachrichten aus national ist, als sie bis zum Kriege eifrig antinational war. Denn die Der Wahlkampf ist im Gang, und aufrichtig gesagt, die Nachrichten aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125068"/> <p xml:id="ID_1089" prev="#ID_1088"> national ist, als sie bis zum Kriege eifrig antinational war. Denn die<lb/> deutsche Partei hat sich redliche Mühe gegeben, jenen unvermeidlichen<lb/> Apparat für die gute Sache in Bewegung zu setzen, und einen ganz erkleck¬<lb/> lichen Erfolg damit erzielt. Es ist deswegen auch schon das würtenbergische<lb/> Volk ob dieser plötzlichen Sinnesänderung nicht wenig belobt und anerkannt<lb/> worden. Schien es doch eine Zeit lang, als ob eine stürmische Begeisterung<lb/> des Landes sich bemächtigen wolle, die alle Parteien mit sich fortreiße. Und<lb/> allerdings steht fest, daß die Führer der demokratischen und ultramontanen<lb/> Partei es für räthlich hielten, jenen Kundgebungen nichts in den Weg zu<lb/> legen; sie ließen sie unbekümmert geschehen und hüllten sich in Schweigen.<lb/> Ruhig ließen sie den ersten Sturm der Begeisterung vorüberbrausen und<lb/> schienen auch keine Notiz davon zu nehmen, daß ihre Anhänger auf dem Lande<lb/> anfingen in bedenkliche Bahnen zu gerathen. Es kam nur darauf an, im<lb/> rechten Augenblick wieder einzugreifen. Seit der Ausrufung der Republik in<lb/> Paris begann ganz allmählich das Geschäft, Gift in die Freude über unsre Siege<lb/> zu träufeln. Mit vieler Kunst wurde die Bearbeitung des Volkes ins Werk<lb/> gesetzt, das die Vorstellung von Frankreich als dem Erbfeind allmählich wieder<lb/> mit den Gefühlen für das Brudervolk vertauschen sollte. Einige Vorsicht<lb/> war immerhin während der Kriegsdauer geboten, doch konnte sich das Blatt<lb/> Carl Muyer's immer Stärkeres erlauben, es sparte weder hohe noch heuch¬<lb/> lerische Sentimentalität, um die Wirkung des gewaltigen Kriegssturms auf<lb/> das Volk zu dämpfen und niederzuhalten. Die kurze Kammersitzung ist dann von<lb/> den Führern jener Parteien dazu benutzt worden, um zu verkündigen, daß<lb/> sie die Alten geblieben seien, und heute angesichts der Wahlen zeigen sich<lb/> die Parteien gegenseitig die alten, wohlbekannten Gesichter. Die Adressenbe¬<lb/> wegung für den Anschluß an den nordd. Bund ändert daran nur wenig. Es<lb/> lag ihr der ehrlichste Wille zu Grunde und sie ging unstreitig aus den besten<lb/> Kreisen der Bevölkerung hervor. Allein es ist wiederholt die Bemerkung<lb/> gemacht worden, daß eine solche Colportage der öffentlichen Meinung, wenn<lb/> sie auch in die Breite noch so sehr sich ausdehnt, doch nicht eigentlich<lb/> in die Tiefe des Volksgeistes hinabzusteigen pflegt. Die große Masse bleibt<lb/> von ihr unberührt und öffnet weder der einen noch der andern Partei ihr<lb/> Innerstes. Das allgemeine Stimmrecht ist zuletzt souverän und kümmert sich<lb/> wenig um die unterschriebenen Adressen. Wir fürchten, daß man zu viel be¬<lb/> hauptete, wenn von einer gänzlichen Umstimmung Würtembergs die Rede<lb/> war, und wollen uns zwar sehr gern durch den Ausfall der Wahlen eines<lb/> Besseren belehren lassen, möchten aber doch bei Zeiten vor ungemessenen Er¬<lb/> wartungen warnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1090" next="#ID_1091"> Der Wahlkampf ist im Gang, und aufrichtig gesagt, die Nachrichten aus<lb/> den verschiedenen Bezirken dürften besser sein. Weit bleibt die öffentliche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
national ist, als sie bis zum Kriege eifrig antinational war. Denn die
deutsche Partei hat sich redliche Mühe gegeben, jenen unvermeidlichen
Apparat für die gute Sache in Bewegung zu setzen, und einen ganz erkleck¬
lichen Erfolg damit erzielt. Es ist deswegen auch schon das würtenbergische
Volk ob dieser plötzlichen Sinnesänderung nicht wenig belobt und anerkannt
worden. Schien es doch eine Zeit lang, als ob eine stürmische Begeisterung
des Landes sich bemächtigen wolle, die alle Parteien mit sich fortreiße. Und
allerdings steht fest, daß die Führer der demokratischen und ultramontanen
Partei es für räthlich hielten, jenen Kundgebungen nichts in den Weg zu
legen; sie ließen sie unbekümmert geschehen und hüllten sich in Schweigen.
Ruhig ließen sie den ersten Sturm der Begeisterung vorüberbrausen und
schienen auch keine Notiz davon zu nehmen, daß ihre Anhänger auf dem Lande
anfingen in bedenkliche Bahnen zu gerathen. Es kam nur darauf an, im
rechten Augenblick wieder einzugreifen. Seit der Ausrufung der Republik in
Paris begann ganz allmählich das Geschäft, Gift in die Freude über unsre Siege
zu träufeln. Mit vieler Kunst wurde die Bearbeitung des Volkes ins Werk
gesetzt, das die Vorstellung von Frankreich als dem Erbfeind allmählich wieder
mit den Gefühlen für das Brudervolk vertauschen sollte. Einige Vorsicht
war immerhin während der Kriegsdauer geboten, doch konnte sich das Blatt
Carl Muyer's immer Stärkeres erlauben, es sparte weder hohe noch heuch¬
lerische Sentimentalität, um die Wirkung des gewaltigen Kriegssturms auf
das Volk zu dämpfen und niederzuhalten. Die kurze Kammersitzung ist dann von
den Führern jener Parteien dazu benutzt worden, um zu verkündigen, daß
sie die Alten geblieben seien, und heute angesichts der Wahlen zeigen sich
die Parteien gegenseitig die alten, wohlbekannten Gesichter. Die Adressenbe¬
wegung für den Anschluß an den nordd. Bund ändert daran nur wenig. Es
lag ihr der ehrlichste Wille zu Grunde und sie ging unstreitig aus den besten
Kreisen der Bevölkerung hervor. Allein es ist wiederholt die Bemerkung
gemacht worden, daß eine solche Colportage der öffentlichen Meinung, wenn
sie auch in die Breite noch so sehr sich ausdehnt, doch nicht eigentlich
in die Tiefe des Volksgeistes hinabzusteigen pflegt. Die große Masse bleibt
von ihr unberührt und öffnet weder der einen noch der andern Partei ihr
Innerstes. Das allgemeine Stimmrecht ist zuletzt souverän und kümmert sich
wenig um die unterschriebenen Adressen. Wir fürchten, daß man zu viel be¬
hauptete, wenn von einer gänzlichen Umstimmung Würtembergs die Rede
war, und wollen uns zwar sehr gern durch den Ausfall der Wahlen eines
Besseren belehren lassen, möchten aber doch bei Zeiten vor ungemessenen Er¬
wartungen warnen.
Der Wahlkampf ist im Gang, und aufrichtig gesagt, die Nachrichten aus
den verschiedenen Bezirken dürften besser sein. Weit bleibt die öffentliche
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