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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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bewaffneten Freiwilligencorps bei dem Küstenschutz, wenigstens so weit es
sich um die mecklenburgische Küste handelte, stillschweigend verzichtet habe.
Der bisherige Leiter des Unternehmens machte am 30. August bekannt, "daß
die Bildung eines militärisch organisirten Corps für den Küstenschutz durch
unvorhergesehene Hindernisse unmöglich geworden" sei. Die Bekannt¬
machung schloß mit der geheimnißvollen Andeutung: "Näheres hierüber mit¬
zutheilen bin ich wegen entgegenstehender preßgesetzlicher Bestimmungen augen¬
blicklich nicht in der Lage."

Während der General-Gouverneur die Ankündigung der Errichtung be¬
waffneter Freiwilligencorps hiernach stillschweigend fallen ließ, mußte er bei
seinen auf die Schifffahrt bezüglichen Anordnungen die Erfahrung machen,
daß dieselben in der anfänglichen Gestalt völlig unhaltbar waren und sich zu
wiederholten ausdrücklichen Abänderungen entschließen, was dem Ansehen
eines Gebietenden stets nachtheilig ist.

Unter dem 3. August erließ er nachstehenden Befehl: "Ich verbiete die
Ausfuhr von Schlachtvieh, Kornfrüchten und Lebensmitteln aller Art
ingleichen von Kohlen und Allem, was dem Feinde nützen kann, über See
und über die holländische Grenze. Ich verbiete serner jedes Auslaufen von
Fahrzeugen an der Ostseeküste auf der Strecke von Warnemünde bis zur
jütischen Grenze."

Dieser Erlaß erregte in seinen beiden Theilen das größte Befremden und
nicht geringe Verstimmung, namentlich in den Kreisen der Kaufmannschaft
und der Rhederet der Seestädte. Als derselbe in Rostock eintraf, waren hier
gerade mehrere neutrale Schiffe mit der Verladung von Getreide beschäftigt,
welches für neutrale Häfen bestimmt war. Man mußte mit der Arbeit inne¬
halten, fand es aber undenkbar, daß der General-Gouverneur die Schifffahrt
der Neutralen und den Handel mit neutralen Plätzen in der Weise beschrän¬
ken wolle, wie der Erlaß dies besagte. Sollte man die Blokade, welche
vom Feinde noch nicht erklärt war, bezüglich der Ausfuhr sich freiwillig selbst
auferlegen? Die Kaufmannschaft zu Rostock erbat sofort telegraphisch vom
General-Gouverneur eine Deklaration des Verbots in Bezug auf die in der
Ladung nach neutralen Häfen begriffenen neutralen Schiffe. Sie erhielt die
Antwort, daß vom stellvertretenden General-Commando des neunten Armee-
corps eine resormirende Bestimmung erfolgen werde, und bald darauf langte
eine telegraphische Mittheilung des mecklenburgischen Ministeriums des Innern
an, daß dem Auslaufen neutraler Schiffe bis auf Weiteres nichts entgegen¬
stehe. Demnächst wurde ein neuer Erlaß des General-Gouverneurs vom
5. August zur öffentlichen Kenntniß gebracht, welcher das Verbot vom 3. August
in Folge höherer Weisung abänderte. "Auf Allerhöchsten Befehl", so lautete
dieser neue Erlaß, "ist unter Aufhebung meines Ausfuhrverbots vom 3. August


bewaffneten Freiwilligencorps bei dem Küstenschutz, wenigstens so weit es
sich um die mecklenburgische Küste handelte, stillschweigend verzichtet habe.
Der bisherige Leiter des Unternehmens machte am 30. August bekannt, „daß
die Bildung eines militärisch organisirten Corps für den Küstenschutz durch
unvorhergesehene Hindernisse unmöglich geworden" sei. Die Bekannt¬
machung schloß mit der geheimnißvollen Andeutung: „Näheres hierüber mit¬
zutheilen bin ich wegen entgegenstehender preßgesetzlicher Bestimmungen augen¬
blicklich nicht in der Lage."

Während der General-Gouverneur die Ankündigung der Errichtung be¬
waffneter Freiwilligencorps hiernach stillschweigend fallen ließ, mußte er bei
seinen auf die Schifffahrt bezüglichen Anordnungen die Erfahrung machen,
daß dieselben in der anfänglichen Gestalt völlig unhaltbar waren und sich zu
wiederholten ausdrücklichen Abänderungen entschließen, was dem Ansehen
eines Gebietenden stets nachtheilig ist.

Unter dem 3. August erließ er nachstehenden Befehl: „Ich verbiete die
Ausfuhr von Schlachtvieh, Kornfrüchten und Lebensmitteln aller Art
ingleichen von Kohlen und Allem, was dem Feinde nützen kann, über See
und über die holländische Grenze. Ich verbiete serner jedes Auslaufen von
Fahrzeugen an der Ostseeküste auf der Strecke von Warnemünde bis zur
jütischen Grenze."

Dieser Erlaß erregte in seinen beiden Theilen das größte Befremden und
nicht geringe Verstimmung, namentlich in den Kreisen der Kaufmannschaft
und der Rhederet der Seestädte. Als derselbe in Rostock eintraf, waren hier
gerade mehrere neutrale Schiffe mit der Verladung von Getreide beschäftigt,
welches für neutrale Häfen bestimmt war. Man mußte mit der Arbeit inne¬
halten, fand es aber undenkbar, daß der General-Gouverneur die Schifffahrt
der Neutralen und den Handel mit neutralen Plätzen in der Weise beschrän¬
ken wolle, wie der Erlaß dies besagte. Sollte man die Blokade, welche
vom Feinde noch nicht erklärt war, bezüglich der Ausfuhr sich freiwillig selbst
auferlegen? Die Kaufmannschaft zu Rostock erbat sofort telegraphisch vom
General-Gouverneur eine Deklaration des Verbots in Bezug auf die in der
Ladung nach neutralen Häfen begriffenen neutralen Schiffe. Sie erhielt die
Antwort, daß vom stellvertretenden General-Commando des neunten Armee-
corps eine resormirende Bestimmung erfolgen werde, und bald darauf langte
eine telegraphische Mittheilung des mecklenburgischen Ministeriums des Innern
an, daß dem Auslaufen neutraler Schiffe bis auf Weiteres nichts entgegen¬
stehe. Demnächst wurde ein neuer Erlaß des General-Gouverneurs vom
5. August zur öffentlichen Kenntniß gebracht, welcher das Verbot vom 3. August
in Folge höherer Weisung abänderte. „Auf Allerhöchsten Befehl", so lautete
dieser neue Erlaß, „ist unter Aufhebung meines Ausfuhrverbots vom 3. August


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[0315] bewaffneten Freiwilligencorps bei dem Küstenschutz, wenigstens so weit es sich um die mecklenburgische Küste handelte, stillschweigend verzichtet habe. Der bisherige Leiter des Unternehmens machte am 30. August bekannt, „daß die Bildung eines militärisch organisirten Corps für den Küstenschutz durch unvorhergesehene Hindernisse unmöglich geworden" sei. Die Bekannt¬ machung schloß mit der geheimnißvollen Andeutung: „Näheres hierüber mit¬ zutheilen bin ich wegen entgegenstehender preßgesetzlicher Bestimmungen augen¬ blicklich nicht in der Lage." Während der General-Gouverneur die Ankündigung der Errichtung be¬ waffneter Freiwilligencorps hiernach stillschweigend fallen ließ, mußte er bei seinen auf die Schifffahrt bezüglichen Anordnungen die Erfahrung machen, daß dieselben in der anfänglichen Gestalt völlig unhaltbar waren und sich zu wiederholten ausdrücklichen Abänderungen entschließen, was dem Ansehen eines Gebietenden stets nachtheilig ist. Unter dem 3. August erließ er nachstehenden Befehl: „Ich verbiete die Ausfuhr von Schlachtvieh, Kornfrüchten und Lebensmitteln aller Art ingleichen von Kohlen und Allem, was dem Feinde nützen kann, über See und über die holländische Grenze. Ich verbiete serner jedes Auslaufen von Fahrzeugen an der Ostseeküste auf der Strecke von Warnemünde bis zur jütischen Grenze." Dieser Erlaß erregte in seinen beiden Theilen das größte Befremden und nicht geringe Verstimmung, namentlich in den Kreisen der Kaufmannschaft und der Rhederet der Seestädte. Als derselbe in Rostock eintraf, waren hier gerade mehrere neutrale Schiffe mit der Verladung von Getreide beschäftigt, welches für neutrale Häfen bestimmt war. Man mußte mit der Arbeit inne¬ halten, fand es aber undenkbar, daß der General-Gouverneur die Schifffahrt der Neutralen und den Handel mit neutralen Plätzen in der Weise beschrän¬ ken wolle, wie der Erlaß dies besagte. Sollte man die Blokade, welche vom Feinde noch nicht erklärt war, bezüglich der Ausfuhr sich freiwillig selbst auferlegen? Die Kaufmannschaft zu Rostock erbat sofort telegraphisch vom General-Gouverneur eine Deklaration des Verbots in Bezug auf die in der Ladung nach neutralen Häfen begriffenen neutralen Schiffe. Sie erhielt die Antwort, daß vom stellvertretenden General-Commando des neunten Armee- corps eine resormirende Bestimmung erfolgen werde, und bald darauf langte eine telegraphische Mittheilung des mecklenburgischen Ministeriums des Innern an, daß dem Auslaufen neutraler Schiffe bis auf Weiteres nichts entgegen¬ stehe. Demnächst wurde ein neuer Erlaß des General-Gouverneurs vom 5. August zur öffentlichen Kenntniß gebracht, welcher das Verbot vom 3. August in Folge höherer Weisung abänderte. „Auf Allerhöchsten Befehl", so lautete dieser neue Erlaß, „ist unter Aufhebung meines Ausfuhrverbots vom 3. August

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/315>, abgerufen am 23.12.2024.