Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Eine Erklärung für letzteres finden wir in dem Umstände, daß die Stellung Sofort nach dem Antritt seines Amtes, unter dem 23. Juli, erließ der Eine Erklärung für letzteres finden wir in dem Umstände, daß die Stellung Sofort nach dem Antritt seines Amtes, unter dem 23. Juli, erließ der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125018"/> <p xml:id="ID_940" prev="#ID_939"> Eine Erklärung für letzteres finden wir in dem Umstände, daß die Stellung<lb/> des General-Gouverneurs, außer den militärischen Eigenschaften, noch eine<lb/> Menge von Kenntnissen und Fähigkeiten erforderte, deren Vereinigung in<lb/> einer Person zu den größten Seltenheiten gehört und deren Mitwirkung<lb/> daher nur durch Zuziehung geeigneter practischer Männer gesichert werden<lb/> konnte. Es hätte also neben dem militärischen Generalstab dem General-<lb/> Gouverneur ein Generalstab von rechtskundigen, politisch und wirthschaftlich<lb/> gebildeten und im Verwaltungsfache erfahrenen Personen zur Verfügung ge.<lb/> stellt werden müssen. Daraus, daß dies, soviel wir wissen, nicht geschehen<lb/> ist, erklären sich die vielen, in der Führung des General-Gouvernements her¬<lb/> vorgetretenen Schwankungen, Unsicherheiten und Grenzüberschreitungen. Es<lb/> kommt hinzu, daß das Gesetz, welches provisorisch den Kriegszustand regelt,<lb/> da es für preußische Verhältnisse berechnet ist, auf die Verhältnisse des Nord¬<lb/> deutschen Bundes in manchen Punkten nur nach Analogie angewandt wer¬<lb/> den konnte, und daß bei dieser Anwendung sich manche Schwierigkeiten er¬<lb/> geben mußten. Indem wir diese Erklärung der gemachten Erfahrungen gern<lb/> gelten lassen, halten wir doch eine freimüthige Darlegung dessen, was an den<lb/> Anordnungen und Maßnahmen des General-Gouvernements der Küstenländer<lb/> Anlaß zum Tadel bietet, für nützlich und nach Lage der Sache auch nicht<lb/> für verfrüht. Wir sind uns bei dieser Darlegung im Uebrigen gar wohl<lb/> bewußt, daß wir uns dabei nur auf Wahrnehmungen stützen können, welche<lb/> meistens über den engen Kreis der nächsten Umgebung nicht hinausgehen,<lb/> und geben zu, daß in anderen deutschen Küstenländern die Amtsführung des<lb/> General-Gouverneurs theilweise in anderem Lichte erscheinen möge. Wir<lb/> übersehen namentlich das, was an der Nordseeküste geschehen ist, zur Zeit<lb/> um so weniger, als der Natur der Sache nach ein großer Theil der Anord¬<lb/> nungen des General-Gouverneurs sich in ein Geheimniß hüllen mußte, aus<lb/> welchem er erst später heraustreten wird. Wir erheben daher mit unserer<lb/> Darlegung auch nur den Anspruch, daß sie den Eindruck der militärischen<lb/> Verwaltung, unter welcher die deutschen Küstenländer während der Kriegs¬<lb/> monate standen, auf einem einzelnen, räumlich engbegrenzten Gebiete der¬<lb/> selben wiederspiegeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_941" next="#ID_942"> Sofort nach dem Antritt seines Amtes, unter dem 23. Juli, erließ der<lb/> General-Gouverneur nachstehenden „Aufruf an die Küstenbewohner der Nord-<lb/> uud Ostsee": „Unsere Küsten sind bedroht. Die Vertheidigung derselben ist<lb/> mir anvertraut; eure Vertreter im Reichstage haben mir aber auch mitge¬<lb/> theilt, daß es euer Wunsch und Wille sei, hierzu mitzuwirken; ich nehme<lb/> das mit Dank an, entschlossene Männer kann ich in dieser ernsten Zeit<lb/> brauchen, sie wiegen schwerer denn Gold. — So bewaffnet Euch längs<lb/> unserer ganzen Küste der Nord- und Ostsee, formirt Euch in Abtheilungen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Eine Erklärung für letzteres finden wir in dem Umstände, daß die Stellung
des General-Gouverneurs, außer den militärischen Eigenschaften, noch eine
Menge von Kenntnissen und Fähigkeiten erforderte, deren Vereinigung in
einer Person zu den größten Seltenheiten gehört und deren Mitwirkung
daher nur durch Zuziehung geeigneter practischer Männer gesichert werden
konnte. Es hätte also neben dem militärischen Generalstab dem General-
Gouverneur ein Generalstab von rechtskundigen, politisch und wirthschaftlich
gebildeten und im Verwaltungsfache erfahrenen Personen zur Verfügung ge.
stellt werden müssen. Daraus, daß dies, soviel wir wissen, nicht geschehen
ist, erklären sich die vielen, in der Führung des General-Gouvernements her¬
vorgetretenen Schwankungen, Unsicherheiten und Grenzüberschreitungen. Es
kommt hinzu, daß das Gesetz, welches provisorisch den Kriegszustand regelt,
da es für preußische Verhältnisse berechnet ist, auf die Verhältnisse des Nord¬
deutschen Bundes in manchen Punkten nur nach Analogie angewandt wer¬
den konnte, und daß bei dieser Anwendung sich manche Schwierigkeiten er¬
geben mußten. Indem wir diese Erklärung der gemachten Erfahrungen gern
gelten lassen, halten wir doch eine freimüthige Darlegung dessen, was an den
Anordnungen und Maßnahmen des General-Gouvernements der Küstenländer
Anlaß zum Tadel bietet, für nützlich und nach Lage der Sache auch nicht
für verfrüht. Wir sind uns bei dieser Darlegung im Uebrigen gar wohl
bewußt, daß wir uns dabei nur auf Wahrnehmungen stützen können, welche
meistens über den engen Kreis der nächsten Umgebung nicht hinausgehen,
und geben zu, daß in anderen deutschen Küstenländern die Amtsführung des
General-Gouverneurs theilweise in anderem Lichte erscheinen möge. Wir
übersehen namentlich das, was an der Nordseeküste geschehen ist, zur Zeit
um so weniger, als der Natur der Sache nach ein großer Theil der Anord¬
nungen des General-Gouverneurs sich in ein Geheimniß hüllen mußte, aus
welchem er erst später heraustreten wird. Wir erheben daher mit unserer
Darlegung auch nur den Anspruch, daß sie den Eindruck der militärischen
Verwaltung, unter welcher die deutschen Küstenländer während der Kriegs¬
monate standen, auf einem einzelnen, räumlich engbegrenzten Gebiete der¬
selben wiederspiegeln.
Sofort nach dem Antritt seines Amtes, unter dem 23. Juli, erließ der
General-Gouverneur nachstehenden „Aufruf an die Küstenbewohner der Nord-
uud Ostsee": „Unsere Küsten sind bedroht. Die Vertheidigung derselben ist
mir anvertraut; eure Vertreter im Reichstage haben mir aber auch mitge¬
theilt, daß es euer Wunsch und Wille sei, hierzu mitzuwirken; ich nehme
das mit Dank an, entschlossene Männer kann ich in dieser ernsten Zeit
brauchen, sie wiegen schwerer denn Gold. — So bewaffnet Euch längs
unserer ganzen Küste der Nord- und Ostsee, formirt Euch in Abtheilungen
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