Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.400 Häuser abgebrannt oder gänzlich zerstört. Der Verlust an liegendem Nun sollte man zwar meinen, der Staat, als die für alle Bewohner Was Hilfe es auch wohl Straßburg, wenn das französische Gesetz wirk¬ Nach der Staatsrechtspolitik wird überhaupt der Krieg in seinen ver¬ Nichtsdestoweniger hat der preußische Staat nach den Freiheitskriegen 400 Häuser abgebrannt oder gänzlich zerstört. Der Verlust an liegendem Nun sollte man zwar meinen, der Staat, als die für alle Bewohner Was Hilfe es auch wohl Straßburg, wenn das französische Gesetz wirk¬ Nach der Staatsrechtspolitik wird überhaupt der Krieg in seinen ver¬ Nichtsdestoweniger hat der preußische Staat nach den Freiheitskriegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124980"/> <p xml:id="ID_842" prev="#ID_841"> 400 Häuser abgebrannt oder gänzlich zerstört. Der Verlust an liegendem<lb/> Gut und fahrender Habe wird allein aus 180 Mill. Fras. geschätzt. Der¬<lb/> selbe ließe sich sehr leicht ersetzen, wenn Frankreich ähnliche Institute besäße<lb/> wie Preußen und andere deutsche Staaten in ihren öffentlichen Feuer-Socie¬<lb/> täten, welche selbst den Kriegsschäden ersetzen. Ein Bombardement der<lb/> Festung Stettin, welche dieselbe strategische und>ational-ökonomische Bedeutung<lb/> hat wie Straßburg, würde demnach wohl auch die Häuser und das bewegliche<lb/> Vermögen der Bürger dieser Stadt zerstören, dem Einzelnen aber deren Werth<lb/> erhalten, ihn mithin wirthschaftlich nicht ruiniren. Frankreich kennt indessen<lb/> den Segen der öffentlichen Feuersocietäten nicht, seine Brandversicherungs¬<lb/> anstalten sind lediglich Actiengesellschaften. Diese aber erkennen sogar in<lb/> Deutschland, wo doch die öffentlichen Anstalten mit den Privatvereinen con-<lb/> curriren, keine Verpflichtung zur Vergütung irgend eines Kriegsschadens an<lb/> Selbst diejenigen Straßburger Eigenthümer, welche ihre Gebäude bei einer<lb/> französischen oder deutschen Privat-Feuerversicherungsgesellschaft versichert<lb/> haben, können somit von diesen rechtlich keinen Schadenersatz verlangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_843"> Nun sollte man zwar meinen, der Staat, als die für alle Bewohner<lb/> eines Territoriums zum Zwecke ihres Schutzes und ihres Eigenthums nach<lb/> bestimmten Gesetzen gebildete Gemeinschaft, sei verpflichtet, den Schaden,<lb/> welcher durch Ausübung seiner Militärhoheit entsteht, dem Privateigenthümer<lb/> zu ersetzen. Im Staatsrechte hat indessen eine derartige im Prtvatrecht be¬<lb/> gründete Theorie noch keine Geltung gefunden, weder in Preußen, noch in<lb/> Frankreich. Daß dem so ist, wird Jedem einleuchten, welcher begreift, daß<lb/> der Krieg die Staatsexistenz selbst in Frage stellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_844"> Was Hilfe es auch wohl Straßburg, wenn das französische Gesetz wirk¬<lb/> lich Schadenersatz aus der Staatskasse für den Kriegsfall zuließe, da Stra߬<lb/> burg nach einer Proclamation des Generalgouverneurs Grafen v. Bismarck-<lb/> Bohlen eine deutsche Stadt geworden ist und dies auch bleibt. Andererseits<lb/> sind die Verluste, welche Straßburg durch das Bombardement der deutschen<lb/> Truppen erlitten hat, ihm als feindlicher Festung zugefügt worden und des¬<lb/> halb hat dasselbe wiederum auch kein Recht auf Schadenersatz durch die deut¬<lb/> schen Staaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_845"> Nach der Staatsrechtspolitik wird überhaupt der Krieg in seinen ver¬<lb/> schiedenen Actionen für ein elementares Unglück angesehen, dessen Folgen und<lb/> Wirkungen den Eigenthümer ohne irgend einen Anspruch an den Staat<lb/> treffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_846" next="#ID_847"> Nichtsdestoweniger hat der preußische Staat nach den Freiheitskriegen<lb/> es als eine moralische Pflicht angesehen, den durch kriegerische Actionen be¬<lb/> schädigten Staatsbürgern aus den zu diesem Zwecke vorhandenen Hilfs- und<lb/> sogenannten Retablissementsfonds Unterstützungen zu gewähren, um dieselben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
400 Häuser abgebrannt oder gänzlich zerstört. Der Verlust an liegendem
Gut und fahrender Habe wird allein aus 180 Mill. Fras. geschätzt. Der¬
selbe ließe sich sehr leicht ersetzen, wenn Frankreich ähnliche Institute besäße
wie Preußen und andere deutsche Staaten in ihren öffentlichen Feuer-Socie¬
täten, welche selbst den Kriegsschäden ersetzen. Ein Bombardement der
Festung Stettin, welche dieselbe strategische und>ational-ökonomische Bedeutung
hat wie Straßburg, würde demnach wohl auch die Häuser und das bewegliche
Vermögen der Bürger dieser Stadt zerstören, dem Einzelnen aber deren Werth
erhalten, ihn mithin wirthschaftlich nicht ruiniren. Frankreich kennt indessen
den Segen der öffentlichen Feuersocietäten nicht, seine Brandversicherungs¬
anstalten sind lediglich Actiengesellschaften. Diese aber erkennen sogar in
Deutschland, wo doch die öffentlichen Anstalten mit den Privatvereinen con-
curriren, keine Verpflichtung zur Vergütung irgend eines Kriegsschadens an
Selbst diejenigen Straßburger Eigenthümer, welche ihre Gebäude bei einer
französischen oder deutschen Privat-Feuerversicherungsgesellschaft versichert
haben, können somit von diesen rechtlich keinen Schadenersatz verlangen.
Nun sollte man zwar meinen, der Staat, als die für alle Bewohner
eines Territoriums zum Zwecke ihres Schutzes und ihres Eigenthums nach
bestimmten Gesetzen gebildete Gemeinschaft, sei verpflichtet, den Schaden,
welcher durch Ausübung seiner Militärhoheit entsteht, dem Privateigenthümer
zu ersetzen. Im Staatsrechte hat indessen eine derartige im Prtvatrecht be¬
gründete Theorie noch keine Geltung gefunden, weder in Preußen, noch in
Frankreich. Daß dem so ist, wird Jedem einleuchten, welcher begreift, daß
der Krieg die Staatsexistenz selbst in Frage stellt.
Was Hilfe es auch wohl Straßburg, wenn das französische Gesetz wirk¬
lich Schadenersatz aus der Staatskasse für den Kriegsfall zuließe, da Stra߬
burg nach einer Proclamation des Generalgouverneurs Grafen v. Bismarck-
Bohlen eine deutsche Stadt geworden ist und dies auch bleibt. Andererseits
sind die Verluste, welche Straßburg durch das Bombardement der deutschen
Truppen erlitten hat, ihm als feindlicher Festung zugefügt worden und des¬
halb hat dasselbe wiederum auch kein Recht auf Schadenersatz durch die deut¬
schen Staaten.
Nach der Staatsrechtspolitik wird überhaupt der Krieg in seinen ver¬
schiedenen Actionen für ein elementares Unglück angesehen, dessen Folgen und
Wirkungen den Eigenthümer ohne irgend einen Anspruch an den Staat
treffen.
Nichtsdestoweniger hat der preußische Staat nach den Freiheitskriegen
es als eine moralische Pflicht angesehen, den durch kriegerische Actionen be¬
schädigten Staatsbürgern aus den zu diesem Zwecke vorhandenen Hilfs- und
sogenannten Retablissementsfonds Unterstützungen zu gewähren, um dieselben
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