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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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den Hüten, worüber sich auch die Franzosen ärgerten, daß sie in der Haupt¬
stadt der Welt und im Dienste sich, unterstanden eil zu
sein, und so wenig <5Mrä zu haben.

Als am andern Tage die Oestreicher den Marcuslöwen abnahmen, der
auf der Fontäne vor den Invaliden stand, so brach ein Seil, der Löwe fiel
herunter und brach ein Bein. Solches machte den Franzosen eine große
Freude, und alles Volk, das herumstand, rief: vio<z lL roi! Dieses ging
ihnen recht von Herzen, und ganz anders, wie gewöhnlich, wenn die Polizei
es u raison us 30 on 40 sous rufen läßt."

Der vorstehende Bericht umfaßt nicht alle die Schätze, welche Deutsch¬
land gehören und ihm genommen sind. Schon jetzt sind mehrere Recla-
mationen in dieser Beziehung laut geworden. So schrieb man aus Braun¬
schweig am 27. September: "Das Braunschweiger Tageblatt erinnert für den
Friedensschluß daran, daß d!e von den Franzosen dem Lande Braunschweig
im Jahre 1807 geraubten und nicht wieder zurückgegebenen Kunst- und
Bücherschätze zurückgefordert werden müssen." Der Einsender macht dann be¬
sonders auf die unter den Pariser Jneunabeln befindliche, so seltene ZKzeilige latei¬
nische Bibel aufmerksam, die eigentlich der Wolfenbüttler Bibliothek gehörig, dort
absichtlich gegen ein werthloseres Exemplar' zurückgehalten zusein scheint, nicht min¬
der auf die gleichfalls aus Wolfenbüttel entführten "Mazarinschen Handschriften".

Man schreibt ferner aus München den 29. September: "Nach einer
preußischen Aufforderung an die bayerische Regierung werden die Kreisregie¬
rungen eingeladen, alle Kunstgegenstände und historischen Merkwürdigkeiten
zu bezeichnen, die im Verlauf der französischen Kriege über den Rhein ge¬
wandert sind. Vor Allem bezieht sich diese Vorschrift natürlich auf amtliche
Documente, allein auch das Eigenthum von Privaten, welches in dieser Zeit
geschädigt worden ist, soll nach Kräften wieder hergestellt werden. Es ist
daher auch der Befehl ergangen, sämmtliche Belegs, welche über die gewalt¬
same oder widerrechtliche Wegnahme Auskunft geben, auf das Sorgfäl¬
tigste zu sammeln und so rasch als möglich an die Regierung zu über¬
mitteln, die sie an die Militärbehörden gelangen läßt." Zu gleicher Zeit wurden
sämmtliche Archive in Bayern angewiesen, die Nachforschungen nach Kräften
zu unterstützen und ihr gesäumtes Urkundenmaterial auf Begehren zur Ver¬
fügung zu stellen.

Auch in Bonn bemüht man sich das Eigenthum an einem kostbaren
Brunnenaussatz, der aus dem dortigen Hofgarten nach Versailles geschafft sein
soll, nachzuweisen.

Englische Zeitungen haben im September die Ankunft von Schiffsladungen
verpackter Kunstschätze aus Frankreich gemeldet, französische wollten wissen,


den Hüten, worüber sich auch die Franzosen ärgerten, daß sie in der Haupt¬
stadt der Welt und im Dienste sich, unterstanden eil zu
sein, und so wenig <5Mrä zu haben.

Als am andern Tage die Oestreicher den Marcuslöwen abnahmen, der
auf der Fontäne vor den Invaliden stand, so brach ein Seil, der Löwe fiel
herunter und brach ein Bein. Solches machte den Franzosen eine große
Freude, und alles Volk, das herumstand, rief: vio<z lL roi! Dieses ging
ihnen recht von Herzen, und ganz anders, wie gewöhnlich, wenn die Polizei
es u raison us 30 on 40 sous rufen läßt."

Der vorstehende Bericht umfaßt nicht alle die Schätze, welche Deutsch¬
land gehören und ihm genommen sind. Schon jetzt sind mehrere Recla-
mationen in dieser Beziehung laut geworden. So schrieb man aus Braun¬
schweig am 27. September: „Das Braunschweiger Tageblatt erinnert für den
Friedensschluß daran, daß d!e von den Franzosen dem Lande Braunschweig
im Jahre 1807 geraubten und nicht wieder zurückgegebenen Kunst- und
Bücherschätze zurückgefordert werden müssen." Der Einsender macht dann be¬
sonders auf die unter den Pariser Jneunabeln befindliche, so seltene ZKzeilige latei¬
nische Bibel aufmerksam, die eigentlich der Wolfenbüttler Bibliothek gehörig, dort
absichtlich gegen ein werthloseres Exemplar' zurückgehalten zusein scheint, nicht min¬
der auf die gleichfalls aus Wolfenbüttel entführten „Mazarinschen Handschriften".

Man schreibt ferner aus München den 29. September: „Nach einer
preußischen Aufforderung an die bayerische Regierung werden die Kreisregie¬
rungen eingeladen, alle Kunstgegenstände und historischen Merkwürdigkeiten
zu bezeichnen, die im Verlauf der französischen Kriege über den Rhein ge¬
wandert sind. Vor Allem bezieht sich diese Vorschrift natürlich auf amtliche
Documente, allein auch das Eigenthum von Privaten, welches in dieser Zeit
geschädigt worden ist, soll nach Kräften wieder hergestellt werden. Es ist
daher auch der Befehl ergangen, sämmtliche Belegs, welche über die gewalt¬
same oder widerrechtliche Wegnahme Auskunft geben, auf das Sorgfäl¬
tigste zu sammeln und so rasch als möglich an die Regierung zu über¬
mitteln, die sie an die Militärbehörden gelangen läßt." Zu gleicher Zeit wurden
sämmtliche Archive in Bayern angewiesen, die Nachforschungen nach Kräften
zu unterstützen und ihr gesäumtes Urkundenmaterial auf Begehren zur Ver¬
fügung zu stellen.

Auch in Bonn bemüht man sich das Eigenthum an einem kostbaren
Brunnenaussatz, der aus dem dortigen Hofgarten nach Versailles geschafft sein
soll, nachzuweisen.

Englische Zeitungen haben im September die Ankunft von Schiffsladungen
verpackter Kunstschätze aus Frankreich gemeldet, französische wollten wissen,


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[0234] den Hüten, worüber sich auch die Franzosen ärgerten, daß sie in der Haupt¬ stadt der Welt und im Dienste sich, unterstanden eil zu sein, und so wenig <5Mrä zu haben. Als am andern Tage die Oestreicher den Marcuslöwen abnahmen, der auf der Fontäne vor den Invaliden stand, so brach ein Seil, der Löwe fiel herunter und brach ein Bein. Solches machte den Franzosen eine große Freude, und alles Volk, das herumstand, rief: vio<z lL roi! Dieses ging ihnen recht von Herzen, und ganz anders, wie gewöhnlich, wenn die Polizei es u raison us 30 on 40 sous rufen läßt." Der vorstehende Bericht umfaßt nicht alle die Schätze, welche Deutsch¬ land gehören und ihm genommen sind. Schon jetzt sind mehrere Recla- mationen in dieser Beziehung laut geworden. So schrieb man aus Braun¬ schweig am 27. September: „Das Braunschweiger Tageblatt erinnert für den Friedensschluß daran, daß d!e von den Franzosen dem Lande Braunschweig im Jahre 1807 geraubten und nicht wieder zurückgegebenen Kunst- und Bücherschätze zurückgefordert werden müssen." Der Einsender macht dann be¬ sonders auf die unter den Pariser Jneunabeln befindliche, so seltene ZKzeilige latei¬ nische Bibel aufmerksam, die eigentlich der Wolfenbüttler Bibliothek gehörig, dort absichtlich gegen ein werthloseres Exemplar' zurückgehalten zusein scheint, nicht min¬ der auf die gleichfalls aus Wolfenbüttel entführten „Mazarinschen Handschriften". Man schreibt ferner aus München den 29. September: „Nach einer preußischen Aufforderung an die bayerische Regierung werden die Kreisregie¬ rungen eingeladen, alle Kunstgegenstände und historischen Merkwürdigkeiten zu bezeichnen, die im Verlauf der französischen Kriege über den Rhein ge¬ wandert sind. Vor Allem bezieht sich diese Vorschrift natürlich auf amtliche Documente, allein auch das Eigenthum von Privaten, welches in dieser Zeit geschädigt worden ist, soll nach Kräften wieder hergestellt werden. Es ist daher auch der Befehl ergangen, sämmtliche Belegs, welche über die gewalt¬ same oder widerrechtliche Wegnahme Auskunft geben, auf das Sorgfäl¬ tigste zu sammeln und so rasch als möglich an die Regierung zu über¬ mitteln, die sie an die Militärbehörden gelangen läßt." Zu gleicher Zeit wurden sämmtliche Archive in Bayern angewiesen, die Nachforschungen nach Kräften zu unterstützen und ihr gesäumtes Urkundenmaterial auf Begehren zur Ver¬ fügung zu stellen. Auch in Bonn bemüht man sich das Eigenthum an einem kostbaren Brunnenaussatz, der aus dem dortigen Hofgarten nach Versailles geschafft sein soll, nachzuweisen. Englische Zeitungen haben im September die Ankunft von Schiffsladungen verpackter Kunstschätze aus Frankreich gemeldet, französische wollten wissen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/234>, abgerufen am 22.12.2024.