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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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und der 1. October. das waren herrliche Tage, wo man so recht fühlte, daß
man als Sieger in Paris war.

Die Oestreicher waren etwas langsam mit dem Pferdewegnehmen und
man fürchtete, sie möchten sie am Ende gar stehen lassen. Endlich schrieb
Fürst Schwarzenberg an den Gouverneur v. Müffling: Er möge die
Pferde abnehmen lassen, aber so, daß es nicht viel Aufsehen mache. General
Müffling sprach hierüber mit dem General Desolles, dem General der
Nationalgarde. Dieser bat, man möge ihm dieses überlassen, er wolle, um
Ludwig den XVIII. zu schonen, sie des Nachts wegnehmen lassen. Da
die Oestreicher keine Pioniere in Paris hatten, so wurde eine Compagnie
englischer Pioniere dazu beordert. Diese stiegen des Abends auf den Triumph¬
bogen, fingen an zu hämmern und die Pferde loszumachen. Dieses hörten
die Nationalgarten und die Gardes du Corps des Königs. Sie hielten einen
Kriegsrath und kamen gegen halb 12 Uhr mit Fackeln aus dem Tuilerien-
palaste und holten, statt der Pferde, die Engländer und schickten sie nach
Hause.

Des anderen Tages war großer Jubel in der Stadt. Man erzählte,
wie die Engländer die Pferde hätten stehlen wollen, wie sie aber doch Furcht
gehabt, es bei Tage zu thun, und wie man sie so schön heruntergeholt. Lss
etranMrs out bien xeur. Dieses war die allgemeine Meinung. ^Ir! actes
Capitals immense! und sie wüßten auch nicht, ob sie für sich hätten ein¬
stehen können, wenn so etwas bei Tage geschehen. Unter den Deutschen
wurde sehr laut über diese Halbheit gesprochen, und über die Höflichkeit, sich
selbst zu blamiren, um Ludwig den XVIII. zu schonen. Ob dieses Sprechen
geholfen, oder ob man sonst in sich gegangen, kurz, nachdem ein Tag in
dieser Bewegung hingegangen, so kam der Befehl, sie bei Tage abzunehmen.
Es rückten zwei Bataillone östreichischer Grenadiere auf den Carrousselplatz
und schlössen ein Viereck. Im Hintergrunde ritten 8 Schwadronen Cürassiere
auf. Alle Zugänge zum Platze wurden mit doppelten Wachen besetzt. Die
Gitterthore an den Tuilerien wurden geschlossen und es durfte kein Franzose
mehr über den Platz.

Nun fing ein fröhliches Leben an. Alle Deutsche versammelten sich auf
dem Carrousselplatze, um dem Abnehmen zuzusehen. Im Innern des Triumph¬
bogens ging eine steinerne Treppe hinauf, und es war leicht, von den östrei¬
chischen Offizieren die Erlaubniß zu erhalten, hinaufsteigen zu dürfen. Die
rothen englischen Offiziere kletterten wie die Mauerspechte auf ihm herum.
Die Pioniere hämmerten die Steine weg, um die Pferde loszumachen, die
ungefähr einen Fuß tief mit eisernen Stangen und Klötzen eingegossen
waren. Getrunken wurde leidlich. Die Engländer warfen die leeren Flaschen
weg und sangen: Ruth Lritanma. Offiziere von allen Nationen waren auf


und der 1. October. das waren herrliche Tage, wo man so recht fühlte, daß
man als Sieger in Paris war.

Die Oestreicher waren etwas langsam mit dem Pferdewegnehmen und
man fürchtete, sie möchten sie am Ende gar stehen lassen. Endlich schrieb
Fürst Schwarzenberg an den Gouverneur v. Müffling: Er möge die
Pferde abnehmen lassen, aber so, daß es nicht viel Aufsehen mache. General
Müffling sprach hierüber mit dem General Desolles, dem General der
Nationalgarde. Dieser bat, man möge ihm dieses überlassen, er wolle, um
Ludwig den XVIII. zu schonen, sie des Nachts wegnehmen lassen. Da
die Oestreicher keine Pioniere in Paris hatten, so wurde eine Compagnie
englischer Pioniere dazu beordert. Diese stiegen des Abends auf den Triumph¬
bogen, fingen an zu hämmern und die Pferde loszumachen. Dieses hörten
die Nationalgarten und die Gardes du Corps des Königs. Sie hielten einen
Kriegsrath und kamen gegen halb 12 Uhr mit Fackeln aus dem Tuilerien-
palaste und holten, statt der Pferde, die Engländer und schickten sie nach
Hause.

Des anderen Tages war großer Jubel in der Stadt. Man erzählte,
wie die Engländer die Pferde hätten stehlen wollen, wie sie aber doch Furcht
gehabt, es bei Tage zu thun, und wie man sie so schön heruntergeholt. Lss
etranMrs out bien xeur. Dieses war die allgemeine Meinung. ^Ir! actes
Capitals immense! und sie wüßten auch nicht, ob sie für sich hätten ein¬
stehen können, wenn so etwas bei Tage geschehen. Unter den Deutschen
wurde sehr laut über diese Halbheit gesprochen, und über die Höflichkeit, sich
selbst zu blamiren, um Ludwig den XVIII. zu schonen. Ob dieses Sprechen
geholfen, oder ob man sonst in sich gegangen, kurz, nachdem ein Tag in
dieser Bewegung hingegangen, so kam der Befehl, sie bei Tage abzunehmen.
Es rückten zwei Bataillone östreichischer Grenadiere auf den Carrousselplatz
und schlössen ein Viereck. Im Hintergrunde ritten 8 Schwadronen Cürassiere
auf. Alle Zugänge zum Platze wurden mit doppelten Wachen besetzt. Die
Gitterthore an den Tuilerien wurden geschlossen und es durfte kein Franzose
mehr über den Platz.

Nun fing ein fröhliches Leben an. Alle Deutsche versammelten sich auf
dem Carrousselplatze, um dem Abnehmen zuzusehen. Im Innern des Triumph¬
bogens ging eine steinerne Treppe hinauf, und es war leicht, von den östrei¬
chischen Offizieren die Erlaubniß zu erhalten, hinaufsteigen zu dürfen. Die
rothen englischen Offiziere kletterten wie die Mauerspechte auf ihm herum.
Die Pioniere hämmerten die Steine weg, um die Pferde loszumachen, die
ungefähr einen Fuß tief mit eisernen Stangen und Klötzen eingegossen
waren. Getrunken wurde leidlich. Die Engländer warfen die leeren Flaschen
weg und sangen: Ruth Lritanma. Offiziere von allen Nationen waren auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/231>, abgerufen am 22.12.2024.