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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Preußischen Landen dorthin gekommen, und es mochten etwa 16 bis 20 leere
Stellen in der Galerie entstanden sein.

Nun kamen aber die Hessen und wollten auch ihre Sachen wieder haben.
Ihre Kataloge über das aus Cassel Geraubte waren in einer so schönen
Ordnung, ihre Original-Neeepisses so beweisend, daß man nicht umhin
konnte, zu erklären: das, was für Preußen recht gewesen, sei für Hessen
wenigstens billig. Da räumte es nun schon mehr auf, denn die Casseler
hatten viel. -- Dann kamen noch die Niederländer und besonders die Ant-
werper und wollten auch ihre Gemälde wiederholen. Denon wollte aber
gar nicht dran, und schloß das Museum. Indeß da Wellington sich
für die Zurückgabe derselben verwandte, so mußte es wieder geöffnet werden
und diese großen Gemälde machten, als sie weggenommen wurden, größere
Lücken, als alle früheren. -- Endlich kamen auch die Florentiner und der
Papst. Vor den Italienern hatte man indeß wenig Respect, man meinte,
die hätten ja nichts gethan, was die nun noch wollten? Es wurde nun so
unruhig im Museum, das alle zehn Schritte eine Wache gestellt werden mußte.
Auch wurde die französische Nationalgarde weggeschickt und es hatten blos östrei¬
chische Grenadiere die Wache. Denon, der aus Haß und Verdruß krank ge¬
worden, gab seinen Abschied, und an Ueberliefern nach Katalogen wurde
nicht mehr gedacht. Die Franzosen gaben das Museum preis, und die hohen
Alliirten konnten allda machen, was sie wollten. Innerhalb sieben Wochen
waren von 1S00 Gemälden, die dagehangen. nur noch 230 übrig. Dieses
war Alles, was ihnen blieb, und was sie vor der Revolution unter den
Bourbonen gehabt.

Von den Gemälden ging es an die Statuen. Zuerst holten die Floren¬
tiner die Venus von Medicis. Das Museum war nun einen ganzen Tag
geschlossen; als man des andern Morgens wieder durch eine Nebenthür
hinein kam, so war die Venus weg, und Stückchen Holz und Restchen Heu
lagen noch auf der Erde. Darauf fing Canova an, den Apoll von Bel-
vedere und den Laokoon einzumauern, und so ging es dann allmählich weiter,
bis ungefähr die Hälfte der Statuen weg war. Die andern, die aus den
königlichen Schlössern und die aus der Villa Borghese, die Bonaparte ge¬
kauft, blieben da. 0 mon äisul U us unus röste pus les our8, sagten die
Franzosen, wenn sie wohl so herein kamen um zu sehen, wie man im Museo
am Mauern, Hämmern, Packen, Schleppen und Losbrechen war. Es war
eine fröhliche Zeit, und ich bin froh, daß ich solches gesehen, um es denen
erzählen zu können, die nach uns kommen.

Mehr noch, als die Wegnahme des Museums, hat die Franzosen die
Wegnahme der Pferde vom Triumphbogen gedemüthigt. Der 30. September


Preußischen Landen dorthin gekommen, und es mochten etwa 16 bis 20 leere
Stellen in der Galerie entstanden sein.

Nun kamen aber die Hessen und wollten auch ihre Sachen wieder haben.
Ihre Kataloge über das aus Cassel Geraubte waren in einer so schönen
Ordnung, ihre Original-Neeepisses so beweisend, daß man nicht umhin
konnte, zu erklären: das, was für Preußen recht gewesen, sei für Hessen
wenigstens billig. Da räumte es nun schon mehr auf, denn die Casseler
hatten viel. — Dann kamen noch die Niederländer und besonders die Ant-
werper und wollten auch ihre Gemälde wiederholen. Denon wollte aber
gar nicht dran, und schloß das Museum. Indeß da Wellington sich
für die Zurückgabe derselben verwandte, so mußte es wieder geöffnet werden
und diese großen Gemälde machten, als sie weggenommen wurden, größere
Lücken, als alle früheren. — Endlich kamen auch die Florentiner und der
Papst. Vor den Italienern hatte man indeß wenig Respect, man meinte,
die hätten ja nichts gethan, was die nun noch wollten? Es wurde nun so
unruhig im Museum, das alle zehn Schritte eine Wache gestellt werden mußte.
Auch wurde die französische Nationalgarde weggeschickt und es hatten blos östrei¬
chische Grenadiere die Wache. Denon, der aus Haß und Verdruß krank ge¬
worden, gab seinen Abschied, und an Ueberliefern nach Katalogen wurde
nicht mehr gedacht. Die Franzosen gaben das Museum preis, und die hohen
Alliirten konnten allda machen, was sie wollten. Innerhalb sieben Wochen
waren von 1S00 Gemälden, die dagehangen. nur noch 230 übrig. Dieses
war Alles, was ihnen blieb, und was sie vor der Revolution unter den
Bourbonen gehabt.

Von den Gemälden ging es an die Statuen. Zuerst holten die Floren¬
tiner die Venus von Medicis. Das Museum war nun einen ganzen Tag
geschlossen; als man des andern Morgens wieder durch eine Nebenthür
hinein kam, so war die Venus weg, und Stückchen Holz und Restchen Heu
lagen noch auf der Erde. Darauf fing Canova an, den Apoll von Bel-
vedere und den Laokoon einzumauern, und so ging es dann allmählich weiter,
bis ungefähr die Hälfte der Statuen weg war. Die andern, die aus den
königlichen Schlössern und die aus der Villa Borghese, die Bonaparte ge¬
kauft, blieben da. 0 mon äisul U us unus röste pus les our8, sagten die
Franzosen, wenn sie wohl so herein kamen um zu sehen, wie man im Museo
am Mauern, Hämmern, Packen, Schleppen und Losbrechen war. Es war
eine fröhliche Zeit, und ich bin froh, daß ich solches gesehen, um es denen
erzählen zu können, die nach uns kommen.

Mehr noch, als die Wegnahme des Museums, hat die Franzosen die
Wegnahme der Pferde vom Triumphbogen gedemüthigt. Der 30. September


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[0230] Preußischen Landen dorthin gekommen, und es mochten etwa 16 bis 20 leere Stellen in der Galerie entstanden sein. Nun kamen aber die Hessen und wollten auch ihre Sachen wieder haben. Ihre Kataloge über das aus Cassel Geraubte waren in einer so schönen Ordnung, ihre Original-Neeepisses so beweisend, daß man nicht umhin konnte, zu erklären: das, was für Preußen recht gewesen, sei für Hessen wenigstens billig. Da räumte es nun schon mehr auf, denn die Casseler hatten viel. — Dann kamen noch die Niederländer und besonders die Ant- werper und wollten auch ihre Gemälde wiederholen. Denon wollte aber gar nicht dran, und schloß das Museum. Indeß da Wellington sich für die Zurückgabe derselben verwandte, so mußte es wieder geöffnet werden und diese großen Gemälde machten, als sie weggenommen wurden, größere Lücken, als alle früheren. — Endlich kamen auch die Florentiner und der Papst. Vor den Italienern hatte man indeß wenig Respect, man meinte, die hätten ja nichts gethan, was die nun noch wollten? Es wurde nun so unruhig im Museum, das alle zehn Schritte eine Wache gestellt werden mußte. Auch wurde die französische Nationalgarde weggeschickt und es hatten blos östrei¬ chische Grenadiere die Wache. Denon, der aus Haß und Verdruß krank ge¬ worden, gab seinen Abschied, und an Ueberliefern nach Katalogen wurde nicht mehr gedacht. Die Franzosen gaben das Museum preis, und die hohen Alliirten konnten allda machen, was sie wollten. Innerhalb sieben Wochen waren von 1S00 Gemälden, die dagehangen. nur noch 230 übrig. Dieses war Alles, was ihnen blieb, und was sie vor der Revolution unter den Bourbonen gehabt. Von den Gemälden ging es an die Statuen. Zuerst holten die Floren¬ tiner die Venus von Medicis. Das Museum war nun einen ganzen Tag geschlossen; als man des andern Morgens wieder durch eine Nebenthür hinein kam, so war die Venus weg, und Stückchen Holz und Restchen Heu lagen noch auf der Erde. Darauf fing Canova an, den Apoll von Bel- vedere und den Laokoon einzumauern, und so ging es dann allmählich weiter, bis ungefähr die Hälfte der Statuen weg war. Die andern, die aus den königlichen Schlössern und die aus der Villa Borghese, die Bonaparte ge¬ kauft, blieben da. 0 mon äisul U us unus röste pus les our8, sagten die Franzosen, wenn sie wohl so herein kamen um zu sehen, wie man im Museo am Mauern, Hämmern, Packen, Schleppen und Losbrechen war. Es war eine fröhliche Zeit, und ich bin froh, daß ich solches gesehen, um es denen erzählen zu können, die nach uns kommen. Mehr noch, als die Wegnahme des Museums, hat die Franzosen die Wegnahme der Pferde vom Triumphbogen gedemüthigt. Der 30. September

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/230>, abgerufen am 22.12.2024.