Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.worden ist, daß nämlich dieser gemeinschaftliche Krieg die Mainlinie tilgen Es ist nicht zu leugnen, daß der Krieg, ein so gewaltiges Moment er Dieser gute Wille wird allerdings durch verschiedene Erwägungen er¬ worden ist, daß nämlich dieser gemeinschaftliche Krieg die Mainlinie tilgen Es ist nicht zu leugnen, daß der Krieg, ein so gewaltiges Moment er Dieser gute Wille wird allerdings durch verschiedene Erwägungen er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124905"/> <p xml:id="ID_598" prev="#ID_597"> worden ist, daß nämlich dieser gemeinschaftliche Krieg die Mainlinie tilgen<lb/> und die Aufrichtung des deutschen Bundesstaates herbeiführen müsse. Nach<lb/> den öffentlichen Betheuerungen wenigstens, begegnen sich auch in diesem Ziel<lb/> sämmtliche alte Parteien. Gänzlich verschollen ist das häßliche Gerede vom<lb/> Südbund, aber von dem mächtigen deutschen Bundesstaat, ja von der Herr¬<lb/> lichkeit des künftigen Reichs schwärmten in die Wette die erbitterten Gegner<lb/> von gestern. Sobald man freilich das Wie näher erörterte und sobald es<lb/> mit den Verhandlungen Ernst wurde, traten auch sofort die alten Partei¬<lb/> standpunkte auseinander, und so widerspruchsvoll stehen sich die Meinungen<lb/> gegenüber, daß man um das Resultat ernstlich besorgt sein dürste, wenn nicht<lb/> zum Glück das, was gesucht wird, bereits bestünde. Der deutsche Bundes¬<lb/> staat existirt und gedenkt auch serner zu existtren; er ist bereit aufzunehmen,<lb/> die ihm willig sich anschließen wollen, er ist auch bereit, ihnen die bequemsten<lb/> Brücken dazu zu bauen — aber mehr kann man ihm schlechterdings nicht<lb/> zumuthen. Um den Bundesstaat auszubauen, darf man ihn nicht zerstören<lb/> wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_599"> Es ist nicht zu leugnen, daß der Krieg, ein so gewaltiges Moment er<lb/> für die Lösung der deutschen Frage ist, doch zugleich dieselbe eigenthümlich<lb/> erschwerte, die Treue der süddeutschen Staaten; — durch welche Motive sie<lb/> übrigens veranlaßt war, worüber insbesondere Graf Bray sehr offenherzig<lb/> war, — hat die Fortexistenz dieser Staaten gesichert. Die Allianzverträge<lb/> haben sich thatsächlich bewährt, ganz Deutschland stellte sich unter die Füh¬<lb/> rung des Königs von Preußen, vom easus toeäöi'is war öffentlich wenigstens<lb/> gar nicht die Rede, die süddeutschen Fürsten sind thatsächlich loyale Bundes¬<lb/> genossen gewesen, und ihr Selbstgefühl ist durch die Thaten ihrer Heere nicht<lb/> wenig erhöht. Das ist sicher nicht der Moment ihnen irgend etwas zuzu-<lb/> muthen, irgend einen Zwang anzuthun, und wenn es schon bisher die Politik<lb/> Preußens war, sich jedes Druckes auf sie vornehm zu enthalten, so werden<lb/> sie auch jetzt ihre Entschließungen ganz nach eigenem Ermessen zu treffen<lb/> haben. Die Vollendung der deutschen Staatseinheit ist in den guten Willen<lb/> der süddeutschen Kabinette gegeben. Ist dieser vorhanden, so kann das Eini¬<lb/> gungswerk in kurzer Frist vollendet und zur Vorlage für die Ständekammern<lb/> bereit sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_600" next="#ID_601"> Dieser gute Wille wird allerdings durch verschiedene Erwägungen er¬<lb/> heblich gefördert. Das moralische Gewicht eines Krieges, in welchem ge¬<lb/> meinsam so schwere Opfer gebracht sind, so viel theures Blut geflossen ist,<lb/> wird nicht zu unterschätzen sein. Die Forderungen der Ehre sind in der<lb/> Regel schwer zu Präcisiren, aber sie werden darum nicht minder lebhaft em¬<lb/> pfunden. Leichtsinnig soll Niemand beschuldigt werden, daß der gewaltige<lb/> Ernst dieser deutschen Erhebung spurlos an ihm vorüber gegangen sei. Sind</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
worden ist, daß nämlich dieser gemeinschaftliche Krieg die Mainlinie tilgen
und die Aufrichtung des deutschen Bundesstaates herbeiführen müsse. Nach
den öffentlichen Betheuerungen wenigstens, begegnen sich auch in diesem Ziel
sämmtliche alte Parteien. Gänzlich verschollen ist das häßliche Gerede vom
Südbund, aber von dem mächtigen deutschen Bundesstaat, ja von der Herr¬
lichkeit des künftigen Reichs schwärmten in die Wette die erbitterten Gegner
von gestern. Sobald man freilich das Wie näher erörterte und sobald es
mit den Verhandlungen Ernst wurde, traten auch sofort die alten Partei¬
standpunkte auseinander, und so widerspruchsvoll stehen sich die Meinungen
gegenüber, daß man um das Resultat ernstlich besorgt sein dürste, wenn nicht
zum Glück das, was gesucht wird, bereits bestünde. Der deutsche Bundes¬
staat existirt und gedenkt auch serner zu existtren; er ist bereit aufzunehmen,
die ihm willig sich anschließen wollen, er ist auch bereit, ihnen die bequemsten
Brücken dazu zu bauen — aber mehr kann man ihm schlechterdings nicht
zumuthen. Um den Bundesstaat auszubauen, darf man ihn nicht zerstören
wollen.
Es ist nicht zu leugnen, daß der Krieg, ein so gewaltiges Moment er
für die Lösung der deutschen Frage ist, doch zugleich dieselbe eigenthümlich
erschwerte, die Treue der süddeutschen Staaten; — durch welche Motive sie
übrigens veranlaßt war, worüber insbesondere Graf Bray sehr offenherzig
war, — hat die Fortexistenz dieser Staaten gesichert. Die Allianzverträge
haben sich thatsächlich bewährt, ganz Deutschland stellte sich unter die Füh¬
rung des Königs von Preußen, vom easus toeäöi'is war öffentlich wenigstens
gar nicht die Rede, die süddeutschen Fürsten sind thatsächlich loyale Bundes¬
genossen gewesen, und ihr Selbstgefühl ist durch die Thaten ihrer Heere nicht
wenig erhöht. Das ist sicher nicht der Moment ihnen irgend etwas zuzu-
muthen, irgend einen Zwang anzuthun, und wenn es schon bisher die Politik
Preußens war, sich jedes Druckes auf sie vornehm zu enthalten, so werden
sie auch jetzt ihre Entschließungen ganz nach eigenem Ermessen zu treffen
haben. Die Vollendung der deutschen Staatseinheit ist in den guten Willen
der süddeutschen Kabinette gegeben. Ist dieser vorhanden, so kann das Eini¬
gungswerk in kurzer Frist vollendet und zur Vorlage für die Ständekammern
bereit sein.
Dieser gute Wille wird allerdings durch verschiedene Erwägungen er¬
heblich gefördert. Das moralische Gewicht eines Krieges, in welchem ge¬
meinsam so schwere Opfer gebracht sind, so viel theures Blut geflossen ist,
wird nicht zu unterschätzen sein. Die Forderungen der Ehre sind in der
Regel schwer zu Präcisiren, aber sie werden darum nicht minder lebhaft em¬
pfunden. Leichtsinnig soll Niemand beschuldigt werden, daß der gewaltige
Ernst dieser deutschen Erhebung spurlos an ihm vorüber gegangen sei. Sind
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