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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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zichten. Der Fürst schien mir weniger günstig gestimmt als Tags zuvor
und besonders gegen den General Langenau aufgebracht. "Wenn der Kaiser
über Ihre Schritte unwillig ist", sagte er, "und sich darüber beschwert, so
werden Sie Alle geopfert, gerade so, wie es dem Herrn v. Schulenburg schon
ergangen ist, den man auf unsere Forderung in Arrest gesetzt hat." --

Am 27. November wiederholte mir Repnin den Rath, mich ganz ruhig
zu verhalten und die Rückkehr seines Couriers abzuwarten.

Nachdem ich am folgenden Tage abermals bet dem Fürsten dinirt hatte,
nahm er mich wieder bei Seite und sagte mir vertraulich, er sei von den ge¬
heimen Maßnahmen des sächsischen Hofes und von den Befehlen, die derselbe
insgeheim an verschiedene Personen in Sachsen erlasse, aufs peinlichste be¬
rührt. "Ich habe", äußerte er, "eine Correspondenz des Grafen Einsiedel in
Händen; um den Kaiser nicht noch mehr aufzubringen beabsichtige ich keinen
Gebrauch davon zu machen, aber um Gotteswillen, sorgen Sie, wenn Sie
nach Berlin kommen, dafür, daß diese geheimen Schliche aufhören, die Ihrer
Sache nur schaden können. Wünscht der König etwas in Sachsen, z. B. in
Betreff seiner Domainen, so mag sich sein Minister offen an mich wenden,
und will er nicht an den Generalgouvemeur von Sachsen schreiben, so schreibe
er an den Herrn von Repnin, der immer erfreut sein wird, wenn er eine
Gelegenheit findet, dem Könige etwas Angenehmes zu erweisen; nur aber
unterlasse man diese Heimlichkeiten, von denen ich in derselben Minute unter¬
richtet werde, welche nur die betreffenden Personen unglücklich machen können
und von denen ich schließlich genöthigt sein werde, meinem Hofe Bericht zu
erstatten. In Folge der Anordnungen, die Ihr Minister heimlich hat treffen
lassen, habe ich heute Befehle in Bezug auf die Domains unterzeichnet und
werde genöthigt sein, sehr strenge Maßnahmen zu ergreifen, um eine Gäh-
rung zu verhindern, die aus diesen Schritten entstehen könnte. Uebrigens
mag sich der König nur offen an den Kaiser, meinen Herrn, wenden, der in
diesem Augenblicke über das Schicksal des Königreichs entscheidet, und sicher¬
lich wird er sich dabei besser befinden, als wenn er sich Oestreich in die Arme
wirft, dessen ebenfalls geheime Machinationen bei uns nothwendig einen
üblen Eindruck hervorrufen müssen." --

Von diesem Tage an bis zum 5. December wurde Repnin sichtbar kälter
gegen mich; er theilte mir mit, daß der Kaiser sich geweigert habe den General
Watzdorf zu sehen, er declamirte in heftigen Ausdrücken, gegen Langenau,
gegen den er eine besondere Abneigung zu haben scheint, sprach mit ebenso
wenig Schonung von Sevfft und sagte mir unumwunden, daß er mich, ohne
formell dazu autorisire zu sein, nicht abreisen lassen werde. Von dem Ver¬
luste meiner Effecten war nicht mehr die Rede und die versprochenen Nach¬
forschungen danach fanden niemals statt. Obgleich Repnin die Antwort auf


Grenzboten IV. 1870, 23

zichten. Der Fürst schien mir weniger günstig gestimmt als Tags zuvor
und besonders gegen den General Langenau aufgebracht. „Wenn der Kaiser
über Ihre Schritte unwillig ist", sagte er, „und sich darüber beschwert, so
werden Sie Alle geopfert, gerade so, wie es dem Herrn v. Schulenburg schon
ergangen ist, den man auf unsere Forderung in Arrest gesetzt hat." —

Am 27. November wiederholte mir Repnin den Rath, mich ganz ruhig
zu verhalten und die Rückkehr seines Couriers abzuwarten.

Nachdem ich am folgenden Tage abermals bet dem Fürsten dinirt hatte,
nahm er mich wieder bei Seite und sagte mir vertraulich, er sei von den ge¬
heimen Maßnahmen des sächsischen Hofes und von den Befehlen, die derselbe
insgeheim an verschiedene Personen in Sachsen erlasse, aufs peinlichste be¬
rührt. „Ich habe", äußerte er, „eine Correspondenz des Grafen Einsiedel in
Händen; um den Kaiser nicht noch mehr aufzubringen beabsichtige ich keinen
Gebrauch davon zu machen, aber um Gotteswillen, sorgen Sie, wenn Sie
nach Berlin kommen, dafür, daß diese geheimen Schliche aufhören, die Ihrer
Sache nur schaden können. Wünscht der König etwas in Sachsen, z. B. in
Betreff seiner Domainen, so mag sich sein Minister offen an mich wenden,
und will er nicht an den Generalgouvemeur von Sachsen schreiben, so schreibe
er an den Herrn von Repnin, der immer erfreut sein wird, wenn er eine
Gelegenheit findet, dem Könige etwas Angenehmes zu erweisen; nur aber
unterlasse man diese Heimlichkeiten, von denen ich in derselben Minute unter¬
richtet werde, welche nur die betreffenden Personen unglücklich machen können
und von denen ich schließlich genöthigt sein werde, meinem Hofe Bericht zu
erstatten. In Folge der Anordnungen, die Ihr Minister heimlich hat treffen
lassen, habe ich heute Befehle in Bezug auf die Domains unterzeichnet und
werde genöthigt sein, sehr strenge Maßnahmen zu ergreifen, um eine Gäh-
rung zu verhindern, die aus diesen Schritten entstehen könnte. Uebrigens
mag sich der König nur offen an den Kaiser, meinen Herrn, wenden, der in
diesem Augenblicke über das Schicksal des Königreichs entscheidet, und sicher¬
lich wird er sich dabei besser befinden, als wenn er sich Oestreich in die Arme
wirft, dessen ebenfalls geheime Machinationen bei uns nothwendig einen
üblen Eindruck hervorrufen müssen." —

Von diesem Tage an bis zum 5. December wurde Repnin sichtbar kälter
gegen mich; er theilte mir mit, daß der Kaiser sich geweigert habe den General
Watzdorf zu sehen, er declamirte in heftigen Ausdrücken, gegen Langenau,
gegen den er eine besondere Abneigung zu haben scheint, sprach mit ebenso
wenig Schonung von Sevfft und sagte mir unumwunden, daß er mich, ohne
formell dazu autorisire zu sein, nicht abreisen lassen werde. Von dem Ver¬
luste meiner Effecten war nicht mehr die Rede und die versprochenen Nach¬
forschungen danach fanden niemals statt. Obgleich Repnin die Antwort auf


Grenzboten IV. 1870, 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/185>, abgerufen am 22.12.2024.