Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.dem Munde eines hohen Beamten, umsonst protestirten und remonstrirten sie In der Neckarstraße in Darmstadt stehen nebeneinander zwei große Ge¬ dem Munde eines hohen Beamten, umsonst protestirten und remonstrirten sie In der Neckarstraße in Darmstadt stehen nebeneinander zwei große Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124861"/> <p xml:id="ID_478" prev="#ID_477"> dem Munde eines hohen Beamten, umsonst protestirten und remonstrirten sie<lb/> gegen ein Verbot, welches Jedem als der erste Schritt zum Uebergang in das fran¬<lb/> zösische Lager erscheinen mußte. Die Versammlung war und blieb verboten. Was<lb/> in allen Städten Deutschlands als der Ausdruck eines selbstverständlichen Ge«<lb/> subies erschien, dem sich selbst deutsche Fürsten nicht entzogen haben, — es<lb/> wurde unter der Herrschaft des Herrn v. Dalwigk als eine staatsgefährliche<lb/> Demonstration bezeichnet und verboten. Die Deputation, welche mit Herrn<lb/> v. Willich verhandelte, erbat sich eine schriftliche und motivirte Ausfertigung<lb/> des Verbots. Sie wurde ihr gewährt und enthielt die Worte, daß wegen<lb/> der eröffneten Kriegsoperationen die Versammlung unterbleiben müsse. Unter<lb/> den Kriegsoperationen waren die der Franzosen gemeint, wie Herr v. Willich<lb/> mündlich erläuterte. Herr v. Dalwigk hat später zu seiner Entschuldigung<lb/> vorbringen lassen, das Verbot der Versammlung sei von einem untergeord¬<lb/> neten Polizeibeamten ausgegangen und in seiner Abwesenheit ersolgt. Beides<lb/> aber sind offenbare Unwahrheiten; am Abende des 16. kehrte Herr v. Dal¬<lb/> wigk zurück und am 17. Morgens beschäftigte sich ein Ministerrath mit der<lb/> Frage, ob das Verbot der Vol ksversammlung aufrecht erhalten werden sollte<lb/> oder nicht. Er und in ihm Herr v. Dalwigk entschied sich für die Auf¬<lb/> rechthaltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_479" next="#ID_480"> In der Neckarstraße in Darmstadt stehen nebeneinander zwei große Ge¬<lb/> bäude, das eine führt die pompöse Bezeichnung Kriegsministerium, das andere<lb/> die nicht minder hochklingende Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.<lb/> In dem ersteren lief in der Nacht vom Freitag zum Samstag die Ordre des<lb/> preußischen Corpscommandanten in Cassel ein, welche ohne weitere Rücksicht<lb/> auf die hessische Politik und ihre Leiter, die Mobiliflrung der hessischen Divi¬<lb/> sion anordnete. Noch in der Nacht gingen die Ordres von da aus nach<lb/> allen Seiten und das Ministerium des Aeußern konnte es durch Mittheilung<lb/> von Kanzleidiener zu Kanzleidiener in Erfahrung bringen, daß die hessische<lb/> Division zum Krieg gegen Frankreich mobilisirt werde. Auf dem Ministerium<lb/> der auswärtigen Angelegenheiten aber erschien am Sonntag in feierlicher<lb/> Haltung der französische Gesandte und forderte die hessische Regierung zur<lb/> Neutralität auf, indem er eine scharf gehaltene Note übergab. Herr v. Dal><lb/> wigk hat es als patriotische That späterhin gerühmt, daß er ohne den Großherzog<lb/> nur noch einmal zu fragen, dem französischen Gesandten eröffnete, er werde an den<lb/> Verträgen mit Preußen festhalten. Er hätte aber nur einfach den Franzosen<lb/> an das Fenster zu führen und ihm das Kriegsministerium zu zeigen gehabt,<lb/> das von Geschäftigkeit überfloß und Alles wäre gesagt gewesen. Doch<lb/> wurde die Sache versüßt, so sehr wie möglich. Die Darmstädter Zeitung<lb/> brachte eine Nachricht aus München, dahin lautend, die den süddeutschen<lb/> Regierungen übergebenen französischen Noten seien in einem drohenden Ton</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
dem Munde eines hohen Beamten, umsonst protestirten und remonstrirten sie
gegen ein Verbot, welches Jedem als der erste Schritt zum Uebergang in das fran¬
zösische Lager erscheinen mußte. Die Versammlung war und blieb verboten. Was
in allen Städten Deutschlands als der Ausdruck eines selbstverständlichen Ge«
subies erschien, dem sich selbst deutsche Fürsten nicht entzogen haben, — es
wurde unter der Herrschaft des Herrn v. Dalwigk als eine staatsgefährliche
Demonstration bezeichnet und verboten. Die Deputation, welche mit Herrn
v. Willich verhandelte, erbat sich eine schriftliche und motivirte Ausfertigung
des Verbots. Sie wurde ihr gewährt und enthielt die Worte, daß wegen
der eröffneten Kriegsoperationen die Versammlung unterbleiben müsse. Unter
den Kriegsoperationen waren die der Franzosen gemeint, wie Herr v. Willich
mündlich erläuterte. Herr v. Dalwigk hat später zu seiner Entschuldigung
vorbringen lassen, das Verbot der Versammlung sei von einem untergeord¬
neten Polizeibeamten ausgegangen und in seiner Abwesenheit ersolgt. Beides
aber sind offenbare Unwahrheiten; am Abende des 16. kehrte Herr v. Dal¬
wigk zurück und am 17. Morgens beschäftigte sich ein Ministerrath mit der
Frage, ob das Verbot der Vol ksversammlung aufrecht erhalten werden sollte
oder nicht. Er und in ihm Herr v. Dalwigk entschied sich für die Auf¬
rechthaltung.
In der Neckarstraße in Darmstadt stehen nebeneinander zwei große Ge¬
bäude, das eine führt die pompöse Bezeichnung Kriegsministerium, das andere
die nicht minder hochklingende Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.
In dem ersteren lief in der Nacht vom Freitag zum Samstag die Ordre des
preußischen Corpscommandanten in Cassel ein, welche ohne weitere Rücksicht
auf die hessische Politik und ihre Leiter, die Mobiliflrung der hessischen Divi¬
sion anordnete. Noch in der Nacht gingen die Ordres von da aus nach
allen Seiten und das Ministerium des Aeußern konnte es durch Mittheilung
von Kanzleidiener zu Kanzleidiener in Erfahrung bringen, daß die hessische
Division zum Krieg gegen Frankreich mobilisirt werde. Auf dem Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten aber erschien am Sonntag in feierlicher
Haltung der französische Gesandte und forderte die hessische Regierung zur
Neutralität auf, indem er eine scharf gehaltene Note übergab. Herr v. Dal>
wigk hat es als patriotische That späterhin gerühmt, daß er ohne den Großherzog
nur noch einmal zu fragen, dem französischen Gesandten eröffnete, er werde an den
Verträgen mit Preußen festhalten. Er hätte aber nur einfach den Franzosen
an das Fenster zu führen und ihm das Kriegsministerium zu zeigen gehabt,
das von Geschäftigkeit überfloß und Alles wäre gesagt gewesen. Doch
wurde die Sache versüßt, so sehr wie möglich. Die Darmstädter Zeitung
brachte eine Nachricht aus München, dahin lautend, die den süddeutschen
Regierungen übergebenen französischen Noten seien in einem drohenden Ton
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