Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.vertreten? Welcher Heißhunger nach nichtigen eiteln Auszeichnungen, nach Wird die neue Republik plötzlich die Wiedergeburt dieses entarteten, von Eine heilige und gerechte Vorsehung, die nach langer Geduld endlich vertreten? Welcher Heißhunger nach nichtigen eiteln Auszeichnungen, nach Wird die neue Republik plötzlich die Wiedergeburt dieses entarteten, von Eine heilige und gerechte Vorsehung, die nach langer Geduld endlich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124855"/> <p xml:id="ID_460" prev="#ID_459"> vertreten? Welcher Heißhunger nach nichtigen eiteln Auszeichnungen, nach<lb/> lohnenden Aemtern und reichen Pensionen hat so viele Männer mit ehren¬<lb/> vollen Namen, aber freilich noch mehr Abenteurer, deren früheres Leben<lb/> mit Schande bedeckt war, ins kaiserliche Lager gezogen! Und wie haben sie<lb/> alle mit ihren Weibern und Kindern sich in das Leben voll unsinnigen Luxus<lb/> und unersättlicher Genüsse gestürzt, dessen Beispiel von dem kaiserlichen Hofe<lb/> ausging! Mußte nicht das verderbliche Beispiel, das von den höchsten Kreisen<lb/> des Landes ausging, immer tiefer in alle Schichten der Nation wirken<lb/> und ebenso die physische Kraft seiner Söhne entnerven, als alle sittlichen<lb/> Grundlagen eines edlen Volkslebens, die Familie, die Literatur, den religiösen<lb/> Glauben Zerstören? Darum hat Frankreich, sonst so fruchtbar an großen<lb/> Männern, in der Stunde der schreiendsten Gefahr keinen tüchtigen Retter ge¬<lb/> funden; darum haben die sonst so gerühmten Heerführer ihre Schaaren so<lb/> kopflos und verblendet in Schmach und Verderben geführt; darum haben<lb/> selbst die sonst als unüberwindlich gepriesenenen Soldaten alle Bande der<lb/> Zucht gelöst und sich dann so leichten Kaufes schlagen und zu Tausenden<lb/> gefangen nehmen lassen. Und welches Schauspiel bietet das Ende dieser ganzen<lb/> Wirthschaft dar? Wie haben die so lange in der kaiserlichen Gunst sich<lb/> formenden Sclaven das glänzende Götzenbild vertheidigt, dem sie so lange<lb/> einen knechtischen Dienst geweiht hatten? Sie sind feige geflohen, ohne auch<lb/> nur den Versuch zu machen, das Regiment zu retten, daß sie so oft als das<lb/> einzige Heil der Gesellschaft gerühmt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_461"> Wird die neue Republik plötzlich die Wiedergeburt dieses entarteten, von<lb/> seiner alten Kraft und Würde so tief herabgekommenen Frankreichs bewirken?<lb/> Wird sie Alles heilen, was bis ins innerste Mark der Nation hinein faul<lb/> und verrottet ist? Wir werden es ja sehen. Aber nach der eigenmächtigen,<lb/> würde- und rechtlosen Art, wie diese Republik entstanden, nach dem Gebahren<lb/> ihrer zweideutigen Helden, die sich unter dem Geschrei wilder Volkshaufen<lb/> die Macht über vierzig Millionen angemaßt haben, kann ich von der Republik<lb/> und ihren jetzigen Leitern kein Heil für Ihr armes Frankreich hoffen. Ich<lb/> fürchte vielmehr, daß neue Umwälzungen, wie sie von einem solchen<lb/> Parteisiege unzertrennlich sind, Ihnen eine Lage bereiten werden, welche Sie<lb/> vielleicht noch dahin bringt, die jetzt verfluchten Preußen als willkommene<lb/> Retter mit Freuden zu begrüßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_462" next="#ID_463"> Eine heilige und gerechte Vorsehung, die nach langer Geduld endlich<lb/> doch den Meineid und den Mord vieler tausend schuldloser Menschen fürchter¬<lb/> lich rächt, hat sich deutlich in dem wunderbaren Sturze eines Mannes offen¬<lb/> bart, der durch seine Klugheit und Geschicklichkeit, durch seine mit jahrelanger<lb/> Mühe befestigte Machtstellung gegen jede verdiente Strafe völlig geschützt<lb/> schien. Wer weiß, ob diese Vorsehung nicht auch die Absicht hat, durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0149]
vertreten? Welcher Heißhunger nach nichtigen eiteln Auszeichnungen, nach
lohnenden Aemtern und reichen Pensionen hat so viele Männer mit ehren¬
vollen Namen, aber freilich noch mehr Abenteurer, deren früheres Leben
mit Schande bedeckt war, ins kaiserliche Lager gezogen! Und wie haben sie
alle mit ihren Weibern und Kindern sich in das Leben voll unsinnigen Luxus
und unersättlicher Genüsse gestürzt, dessen Beispiel von dem kaiserlichen Hofe
ausging! Mußte nicht das verderbliche Beispiel, das von den höchsten Kreisen
des Landes ausging, immer tiefer in alle Schichten der Nation wirken
und ebenso die physische Kraft seiner Söhne entnerven, als alle sittlichen
Grundlagen eines edlen Volkslebens, die Familie, die Literatur, den religiösen
Glauben Zerstören? Darum hat Frankreich, sonst so fruchtbar an großen
Männern, in der Stunde der schreiendsten Gefahr keinen tüchtigen Retter ge¬
funden; darum haben die sonst so gerühmten Heerführer ihre Schaaren so
kopflos und verblendet in Schmach und Verderben geführt; darum haben
selbst die sonst als unüberwindlich gepriesenenen Soldaten alle Bande der
Zucht gelöst und sich dann so leichten Kaufes schlagen und zu Tausenden
gefangen nehmen lassen. Und welches Schauspiel bietet das Ende dieser ganzen
Wirthschaft dar? Wie haben die so lange in der kaiserlichen Gunst sich
formenden Sclaven das glänzende Götzenbild vertheidigt, dem sie so lange
einen knechtischen Dienst geweiht hatten? Sie sind feige geflohen, ohne auch
nur den Versuch zu machen, das Regiment zu retten, daß sie so oft als das
einzige Heil der Gesellschaft gerühmt haben.
Wird die neue Republik plötzlich die Wiedergeburt dieses entarteten, von
seiner alten Kraft und Würde so tief herabgekommenen Frankreichs bewirken?
Wird sie Alles heilen, was bis ins innerste Mark der Nation hinein faul
und verrottet ist? Wir werden es ja sehen. Aber nach der eigenmächtigen,
würde- und rechtlosen Art, wie diese Republik entstanden, nach dem Gebahren
ihrer zweideutigen Helden, die sich unter dem Geschrei wilder Volkshaufen
die Macht über vierzig Millionen angemaßt haben, kann ich von der Republik
und ihren jetzigen Leitern kein Heil für Ihr armes Frankreich hoffen. Ich
fürchte vielmehr, daß neue Umwälzungen, wie sie von einem solchen
Parteisiege unzertrennlich sind, Ihnen eine Lage bereiten werden, welche Sie
vielleicht noch dahin bringt, die jetzt verfluchten Preußen als willkommene
Retter mit Freuden zu begrüßen.
Eine heilige und gerechte Vorsehung, die nach langer Geduld endlich
doch den Meineid und den Mord vieler tausend schuldloser Menschen fürchter¬
lich rächt, hat sich deutlich in dem wunderbaren Sturze eines Mannes offen¬
bart, der durch seine Klugheit und Geschicklichkeit, durch seine mit jahrelanger
Mühe befestigte Machtstellung gegen jede verdiente Strafe völlig geschützt
schien. Wer weiß, ob diese Vorsehung nicht auch die Absicht hat, durch
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