Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Gleich im Anfange dieses Krieges, wo wir eben unsern kleinen Franz Sagen Sie. mir also, lieber Pastor, was hat eigentlich Deutschland Möchte ich bald so glücklich sein, wieder etwas von Ihnen zu lesen! Grüßen Sie von uns alle die theuren Ihrigen! Ich bin stets :c. Gleich im Anfange dieses Krieges, wo wir eben unsern kleinen Franz Sagen Sie. mir also, lieber Pastor, was hat eigentlich Deutschland Möchte ich bald so glücklich sein, wieder etwas von Ihnen zu lesen! Grüßen Sie von uns alle die theuren Ihrigen! Ich bin stets :c. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124844"/> <p xml:id="ID_430"> Gleich im Anfange dieses Krieges, wo wir eben unsern kleinen Franz<lb/> verloren hatten, sagte ich Ihnen, daß ich die Dinge nicht unter dem Gesichts¬<lb/> punkte auslassen könnte, wie die meisten Andern um mich her. Wir haben<lb/> soviel Kummer über unsern kleinen Liebling gehabt, der in einem Alter von<lb/> 15 Monaten noch nicht in Stande war uns zu kennen, daß wir es uns ganz<lb/> denken konnten, mit welchem Herzeleid wir ihn in einem Alter von 20 Jahren<lb/> uns hätten entreißen sehen, um mit ganzen Haufen andrer jungen Leute<lb/> niedergeschossen zu werden, ihn. den wir dann zwanzig Jahre lang gehegt<lb/> und gepflegt hätten, ihn, der dann ein Mensch von Verstand und Herz ge¬<lb/> wesen wäre. Nein, ich konnte einen solchen Krieg nicht gutheißen, von welcher<lb/> Seite er auch kam. — Dennoch würde ich den Krieg billigen, einmal, wenn es<lb/> gilt einen großen Gedanken zu vertheidigen, wie den unsrer großen Revolution<lb/> im Jahre 1792, gegen die Könige Europa's, die allerdings mehr Mitleid<lb/> als Haß verdienten; oder zweitens, wenn es gilt den Schwachen gegen den<lb/> Starken zu vertheidigen. Aber jetzt war keiner dieser Gründe vorhanden,<lb/> warum also hat man von einer Seite den Krieg erklärt und von der andern<lb/> Seite angenommen? Noch einmal, wir und unsre Söhne, wir dürfen kein<lb/> Haar auf dem Haupte verlieren, wenn unsre Diplomaten ihr Spiel mit ein¬<lb/> ander treiben, oder wenn die einen wahnwitzige Thorenj und die andern<lb/> elende Meister in arglistigen Künsten sind. Mögen sie sich alt einander<lb/> schlagen und ihre schmutzige Wäsche innerhalb ihrer Familie waschen. Weder<lb/> die Söhne des ernsten Deutschlands, die hinter der kaltblütigen Stirn einen<lb/> Glutherd tragen, noch die Franzosen, diese Bienen in dem großen Bienen¬<lb/> stocke Frankreich, welche isoviel köstlichen Samen auf den ganzen Erde aus-<lb/> streuen und — nicht davon ernten, sollten an einem solchen Kriege Theil<lb/> nehmen oder gar ihn mit Freuden willkommen heißen. Aber was will man<lb/> denn eigentlich von der einen Seite und von der andern? Die Nheinbrücken,<lb/> diese zum Theil so herrlichen Kunstwerke, waren sie denn nicht gebaut, damit<lb/> die Anwohner einander auf immer die Bruderhand reichen möchten? —<lb/> Nationen! ein pomphaftes Wort um ausdrücken: Barbarei! Selbstsucht und Haß<lb/> allein haben ein Vaterland; die Bruderliebe hat keins. Und doch, je auf¬<lb/> geklärter die Welr wird, desto mehr erhebt sie sich zur Einheit. Ich wenig¬<lb/> stens betrachte jeden als meinen Landsmann und Mitbürger, der nach der<lb/> Wahrheit strebt. Das ist mein Vaterland!</p><lb/> <p xml:id="ID_431"> Sagen Sie. mir also, lieber Pastor, was hat eigentlich Deutschland<lb/> bewogen, diesen Krieg anzunehmen und ihn mit so viel Erbitterung zu<lb/> führen?</p><lb/> <p xml:id="ID_432"> Möchte ich bald so glücklich sein, wieder etwas von Ihnen zu lesen!</p><lb/> <note type="closer"> Grüßen Sie von uns alle die theuren Ihrigen! Ich bin stets :c.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
Gleich im Anfange dieses Krieges, wo wir eben unsern kleinen Franz
verloren hatten, sagte ich Ihnen, daß ich die Dinge nicht unter dem Gesichts¬
punkte auslassen könnte, wie die meisten Andern um mich her. Wir haben
soviel Kummer über unsern kleinen Liebling gehabt, der in einem Alter von
15 Monaten noch nicht in Stande war uns zu kennen, daß wir es uns ganz
denken konnten, mit welchem Herzeleid wir ihn in einem Alter von 20 Jahren
uns hätten entreißen sehen, um mit ganzen Haufen andrer jungen Leute
niedergeschossen zu werden, ihn. den wir dann zwanzig Jahre lang gehegt
und gepflegt hätten, ihn, der dann ein Mensch von Verstand und Herz ge¬
wesen wäre. Nein, ich konnte einen solchen Krieg nicht gutheißen, von welcher
Seite er auch kam. — Dennoch würde ich den Krieg billigen, einmal, wenn es
gilt einen großen Gedanken zu vertheidigen, wie den unsrer großen Revolution
im Jahre 1792, gegen die Könige Europa's, die allerdings mehr Mitleid
als Haß verdienten; oder zweitens, wenn es gilt den Schwachen gegen den
Starken zu vertheidigen. Aber jetzt war keiner dieser Gründe vorhanden,
warum also hat man von einer Seite den Krieg erklärt und von der andern
Seite angenommen? Noch einmal, wir und unsre Söhne, wir dürfen kein
Haar auf dem Haupte verlieren, wenn unsre Diplomaten ihr Spiel mit ein¬
ander treiben, oder wenn die einen wahnwitzige Thorenj und die andern
elende Meister in arglistigen Künsten sind. Mögen sie sich alt einander
schlagen und ihre schmutzige Wäsche innerhalb ihrer Familie waschen. Weder
die Söhne des ernsten Deutschlands, die hinter der kaltblütigen Stirn einen
Glutherd tragen, noch die Franzosen, diese Bienen in dem großen Bienen¬
stocke Frankreich, welche isoviel köstlichen Samen auf den ganzen Erde aus-
streuen und — nicht davon ernten, sollten an einem solchen Kriege Theil
nehmen oder gar ihn mit Freuden willkommen heißen. Aber was will man
denn eigentlich von der einen Seite und von der andern? Die Nheinbrücken,
diese zum Theil so herrlichen Kunstwerke, waren sie denn nicht gebaut, damit
die Anwohner einander auf immer die Bruderhand reichen möchten? —
Nationen! ein pomphaftes Wort um ausdrücken: Barbarei! Selbstsucht und Haß
allein haben ein Vaterland; die Bruderliebe hat keins. Und doch, je auf¬
geklärter die Welr wird, desto mehr erhebt sie sich zur Einheit. Ich wenig¬
stens betrachte jeden als meinen Landsmann und Mitbürger, der nach der
Wahrheit strebt. Das ist mein Vaterland!
Sagen Sie. mir also, lieber Pastor, was hat eigentlich Deutschland
bewogen, diesen Krieg anzunehmen und ihn mit so viel Erbitterung zu
führen?
Möchte ich bald so glücklich sein, wieder etwas von Ihnen zu lesen!
Grüßen Sie von uns alle die theuren Ihrigen! Ich bin stets :c.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |