Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.Handels tauchen? Wir sollen die Vertheilung der Reichthümer innerhalb Sehen wir uns gerade dies Frankreich an, dessen Erbschaft jenseits der Aber gehen nicht auch wir umgekehrt in dieser Aengstlichkeit zu weit? Handels tauchen? Wir sollen die Vertheilung der Reichthümer innerhalb Sehen wir uns gerade dies Frankreich an, dessen Erbschaft jenseits der Aber gehen nicht auch wir umgekehrt in dieser Aengstlichkeit zu weit? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124840"/> <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> Handels tauchen? Wir sollen die Vertheilung der Reichthümer innerhalb<lb/> unseres Volkes, die erst in den jüngsten Zeiten ungleichmäßiger geworden ist,<lb/> als uns lieb sein kann, durch dies künstliche Mittel nach dem Muster anderer<lb/> geldaristokratisch regierter Nationen geflissentlich ungünstiger gestalten?</p><lb/> <p xml:id="ID_419"> Sehen wir uns gerade dies Frankreich an, dessen Erbschaft jenseits der<lb/> Oceane man uns jetzt anzutreten räth! Ich weiß sehr wohl, daß man den<lb/> schlechten Gang sast aller französischen Colonisation zum Theil auf den National¬<lb/> charakter dieser Kolonisten zurückführen muß, die unter allen Zonen Franzosen<lb/> oder gar Pariser sein und bleiben wollen. Gewiß, der Deutsche, der sich bisher<lb/> nur allzuleicht auch dem fremdesten Wesen angeschmiegt hat, würde es ihnen<lb/> an Colonisationstalent weit zuvorthun ; unsere Holländer können dafür als Beleg<lb/> dienen. Aber mindestens eben so sehr ist doch an dem Mißlingen der trans¬<lb/> marinen Unternehmungen Frankreichs auch die künstliche Art schuld gewesen,<lb/> mit der sie ins Leben gerufen wurden. Die französischen Herrscher und<lb/> Minister wollten einmal durchaus, aus Neid gegen Holland und England,<lb/> auch ihre Colonien haben, der Eitelkeit der für tönende Namen so empfäng¬<lb/> lichen Nation mußte neben ihren europäischen Triumphtiteln gerade auch<lb/> durch Kämpfe und Besitzungen „in vier Welttheilen" geschmeichelt werden.<lb/> Selbst von den Gründungen Napoleons III., der mit mehr Studium, als<lb/> seine Vorgänger, an diese Arbeit gegangen ist, dienen einige nur so zur<lb/> Fütterung sür den Volkshunger nach Gloire. Von Senegambien und zumal<lb/> von Korea wenigstens darf man das getrost behaupten. Gewissensbisse über<lb/> die Unsittlichkeit des Colonialmonopols haben sich zudem die Franzosen wohl<lb/> schwerlich je gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> Aber gehen nicht auch wir umgekehrt in dieser Aengstlichkeit zu weit?<lb/> Gibt es nicht auch heut noch uncivilisirte und unzuverlässige Völker genug,<lb/> mit denen sich nicht anders sicher handeln läßt, als wenn man sie dabei<lb/> dauernd beaufsichtigt und sich stets bereit und stark zeigt, sie im Falle des<lb/> Unrechts zu strafen? Beides ist ohne Zweifel an vielen Stellen nöthig, aber<lb/> zur Aufsicht und Strafe genügen Consuln und Kriegs-Marine. Ganze<lb/> Staatsniederlassungen brauchte to,n um deswillen nur anzulegen, als ein<lb/> schnelles Wirken von der Heimath in die Ferne noch ganz unmöglich war.<lb/> Bei unserer Dampfschifffahrt, bei unserer Telegraphie sind Colonien aus<lb/> diesem Gesichtspunkte so wenig mehr erforderlich, wie daheim gegen die Nach¬<lb/> barn die Militärgrenzmarken Karls des Großen. Nein, daß wir nicht einem<lb/> falschen, übergeistigen Idealismus huldigen, lehrt der deutlich erkennbare Gang<lb/> der Geschichte: die Zeit der Handelscolonien ist auch äußerlich vorüber; sie<lb/> werden fort und fort zusammenschwinden oder ihren Charakter einbüßen. Das<lb/> Prinzip des freien Handels, das die Culturvölker erfrischt und gestärkt hat,<lb/> wird auch den uncultivirten, zum Theil bisher gewaltsam niedergehaltenen<lb/> Rassen zugute kommen und sie emporbringen, wenn ihnen anders überhaupt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Handels tauchen? Wir sollen die Vertheilung der Reichthümer innerhalb
unseres Volkes, die erst in den jüngsten Zeiten ungleichmäßiger geworden ist,
als uns lieb sein kann, durch dies künstliche Mittel nach dem Muster anderer
geldaristokratisch regierter Nationen geflissentlich ungünstiger gestalten?
Sehen wir uns gerade dies Frankreich an, dessen Erbschaft jenseits der
Oceane man uns jetzt anzutreten räth! Ich weiß sehr wohl, daß man den
schlechten Gang sast aller französischen Colonisation zum Theil auf den National¬
charakter dieser Kolonisten zurückführen muß, die unter allen Zonen Franzosen
oder gar Pariser sein und bleiben wollen. Gewiß, der Deutsche, der sich bisher
nur allzuleicht auch dem fremdesten Wesen angeschmiegt hat, würde es ihnen
an Colonisationstalent weit zuvorthun ; unsere Holländer können dafür als Beleg
dienen. Aber mindestens eben so sehr ist doch an dem Mißlingen der trans¬
marinen Unternehmungen Frankreichs auch die künstliche Art schuld gewesen,
mit der sie ins Leben gerufen wurden. Die französischen Herrscher und
Minister wollten einmal durchaus, aus Neid gegen Holland und England,
auch ihre Colonien haben, der Eitelkeit der für tönende Namen so empfäng¬
lichen Nation mußte neben ihren europäischen Triumphtiteln gerade auch
durch Kämpfe und Besitzungen „in vier Welttheilen" geschmeichelt werden.
Selbst von den Gründungen Napoleons III., der mit mehr Studium, als
seine Vorgänger, an diese Arbeit gegangen ist, dienen einige nur so zur
Fütterung sür den Volkshunger nach Gloire. Von Senegambien und zumal
von Korea wenigstens darf man das getrost behaupten. Gewissensbisse über
die Unsittlichkeit des Colonialmonopols haben sich zudem die Franzosen wohl
schwerlich je gemacht.
Aber gehen nicht auch wir umgekehrt in dieser Aengstlichkeit zu weit?
Gibt es nicht auch heut noch uncivilisirte und unzuverlässige Völker genug,
mit denen sich nicht anders sicher handeln läßt, als wenn man sie dabei
dauernd beaufsichtigt und sich stets bereit und stark zeigt, sie im Falle des
Unrechts zu strafen? Beides ist ohne Zweifel an vielen Stellen nöthig, aber
zur Aufsicht und Strafe genügen Consuln und Kriegs-Marine. Ganze
Staatsniederlassungen brauchte to,n um deswillen nur anzulegen, als ein
schnelles Wirken von der Heimath in die Ferne noch ganz unmöglich war.
Bei unserer Dampfschifffahrt, bei unserer Telegraphie sind Colonien aus
diesem Gesichtspunkte so wenig mehr erforderlich, wie daheim gegen die Nach¬
barn die Militärgrenzmarken Karls des Großen. Nein, daß wir nicht einem
falschen, übergeistigen Idealismus huldigen, lehrt der deutlich erkennbare Gang
der Geschichte: die Zeit der Handelscolonien ist auch äußerlich vorüber; sie
werden fort und fort zusammenschwinden oder ihren Charakter einbüßen. Das
Prinzip des freien Handels, das die Culturvölker erfrischt und gestärkt hat,
wird auch den uncultivirten, zum Theil bisher gewaltsam niedergehaltenen
Rassen zugute kommen und sie emporbringen, wenn ihnen anders überhaupt
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