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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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geltend machen. Hierüber werden nach wie vor die Kundigen allein ent¬
scheiden dürfen.

Mit den Bürgschaften für die Deutschen in Apenrade, Christiansfeld,
Hadersleben u. s. f. mußten wir es so lange sehr genau nehmen, als in Folge
der Einmischung Frankreichs nicht zu gewärtigen stand, daß Dänemark irgend
eine billige Erfüllung unserer Zusage als definitive Grenzregelung ansehen
werde. Solange konnte es wähnen, nicht genöthigt zu sein, sich mit uns auf
einen ehrlich guten Fuß zu stellen. Die Niederlage der französischen Politik
auf viele Jahre schneidet ihm alle weitergehenden Hoffnungen ab. Es muß,
was ihm jetzt zu Theil wird, als eine unverhoffte Gnade des Geschicks hin¬
nehmen. Es kann nicht umhin, zu fühlen, daß ihm ein so wichtiges Zuge-
ständniß nur unter der Voraussetzung unbedingten künftigen Wohlverhaltens
gegen Deutschland und alle Deutschen gemacht wird. Unsere Landsleute wer¬
den daher voraussichtlich demnächst in Dänemark so unangefochten leben
können, wie in England oder Nordamerika; wir sind ihnen überdies nahe
genug, um ihnen nicht allein wirksamen, sondern auch den promptesten Schutz
angedeihen zu lassen, ohne allzu weitläufige formelle Stipulationen.

Man wird aber natürlich wünschen, auch in rein politischer Hinsicht die
Concession nicht ganz umsonst zu machen. Allein das wird auch nicht ge¬
schehen. Von vertragsmäßig unmittelbaren Gegeneinräumungen muß man,
da Rußland nun einmal unser guter Freund ist, allerdings vorerst wohl ab¬
sehen. Als Morgengabe in die scandinavische Union können wir Nordschles¬
wig nicht stiften. Aber der Act wird auf der Stelle die Wirkung haben,
daß in Norwegen, Schweden und mit der Zeit wohl selbst in Dänemark eine
gründliche nationale Umstimmung gegen Deutschland eintritt. Laden wir
uns dann unvermeidlicher Weise mit der Zurücknahme von Elsaß und Deutsch-
Lothringen eine permanente Feindschaft im Westen auf, bereit bei jeder zu¬
künftigen europäischen Verwickelung gegen uns Partei zu nehmen, so schließen
wir dafür endgiltig die noch offne Wunde im Norden und präpariren uns
hier eine Allianz, die sowohl gegen Westen wie gegen Osten einst ihren
Nutzen entwickeln mag.


L.
Bemerkungen der Redaction.

Wir haben den vorstehenden Aus¬
führungen unseres geschätzten Correspondenten die Aufnahme in unser Blatt
deshalb nicht versagt, weil wir wissen, daß manchem wackern Manne in
Deutschland eine baldige Lösung der Frage über Nordschleswig zu innerer
Beruhigung dienen würde, und weil wir es nicht für unmöglich halten, daß
die preußische Regierung selber vielleicht in nicht allzuferner Zeit mit ähn¬
lichen Ideen hervortreten könnte; wenigstens sind wir geneigt, die unerwartet
gewissenhafte Neutralität Dänemarks im gegenwärtigen Kriege minder auf


geltend machen. Hierüber werden nach wie vor die Kundigen allein ent¬
scheiden dürfen.

Mit den Bürgschaften für die Deutschen in Apenrade, Christiansfeld,
Hadersleben u. s. f. mußten wir es so lange sehr genau nehmen, als in Folge
der Einmischung Frankreichs nicht zu gewärtigen stand, daß Dänemark irgend
eine billige Erfüllung unserer Zusage als definitive Grenzregelung ansehen
werde. Solange konnte es wähnen, nicht genöthigt zu sein, sich mit uns auf
einen ehrlich guten Fuß zu stellen. Die Niederlage der französischen Politik
auf viele Jahre schneidet ihm alle weitergehenden Hoffnungen ab. Es muß,
was ihm jetzt zu Theil wird, als eine unverhoffte Gnade des Geschicks hin¬
nehmen. Es kann nicht umhin, zu fühlen, daß ihm ein so wichtiges Zuge-
ständniß nur unter der Voraussetzung unbedingten künftigen Wohlverhaltens
gegen Deutschland und alle Deutschen gemacht wird. Unsere Landsleute wer¬
den daher voraussichtlich demnächst in Dänemark so unangefochten leben
können, wie in England oder Nordamerika; wir sind ihnen überdies nahe
genug, um ihnen nicht allein wirksamen, sondern auch den promptesten Schutz
angedeihen zu lassen, ohne allzu weitläufige formelle Stipulationen.

Man wird aber natürlich wünschen, auch in rein politischer Hinsicht die
Concession nicht ganz umsonst zu machen. Allein das wird auch nicht ge¬
schehen. Von vertragsmäßig unmittelbaren Gegeneinräumungen muß man,
da Rußland nun einmal unser guter Freund ist, allerdings vorerst wohl ab¬
sehen. Als Morgengabe in die scandinavische Union können wir Nordschles¬
wig nicht stiften. Aber der Act wird auf der Stelle die Wirkung haben,
daß in Norwegen, Schweden und mit der Zeit wohl selbst in Dänemark eine
gründliche nationale Umstimmung gegen Deutschland eintritt. Laden wir
uns dann unvermeidlicher Weise mit der Zurücknahme von Elsaß und Deutsch-
Lothringen eine permanente Feindschaft im Westen auf, bereit bei jeder zu¬
künftigen europäischen Verwickelung gegen uns Partei zu nehmen, so schließen
wir dafür endgiltig die noch offne Wunde im Norden und präpariren uns
hier eine Allianz, die sowohl gegen Westen wie gegen Osten einst ihren
Nutzen entwickeln mag.


L.
Bemerkungen der Redaction.

Wir haben den vorstehenden Aus¬
führungen unseres geschätzten Correspondenten die Aufnahme in unser Blatt
deshalb nicht versagt, weil wir wissen, daß manchem wackern Manne in
Deutschland eine baldige Lösung der Frage über Nordschleswig zu innerer
Beruhigung dienen würde, und weil wir es nicht für unmöglich halten, daß
die preußische Regierung selber vielleicht in nicht allzuferner Zeit mit ähn¬
lichen Ideen hervortreten könnte; wenigstens sind wir geneigt, die unerwartet
gewissenhafte Neutralität Dänemarks im gegenwärtigen Kriege minder auf


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[0112] geltend machen. Hierüber werden nach wie vor die Kundigen allein ent¬ scheiden dürfen. Mit den Bürgschaften für die Deutschen in Apenrade, Christiansfeld, Hadersleben u. s. f. mußten wir es so lange sehr genau nehmen, als in Folge der Einmischung Frankreichs nicht zu gewärtigen stand, daß Dänemark irgend eine billige Erfüllung unserer Zusage als definitive Grenzregelung ansehen werde. Solange konnte es wähnen, nicht genöthigt zu sein, sich mit uns auf einen ehrlich guten Fuß zu stellen. Die Niederlage der französischen Politik auf viele Jahre schneidet ihm alle weitergehenden Hoffnungen ab. Es muß, was ihm jetzt zu Theil wird, als eine unverhoffte Gnade des Geschicks hin¬ nehmen. Es kann nicht umhin, zu fühlen, daß ihm ein so wichtiges Zuge- ständniß nur unter der Voraussetzung unbedingten künftigen Wohlverhaltens gegen Deutschland und alle Deutschen gemacht wird. Unsere Landsleute wer¬ den daher voraussichtlich demnächst in Dänemark so unangefochten leben können, wie in England oder Nordamerika; wir sind ihnen überdies nahe genug, um ihnen nicht allein wirksamen, sondern auch den promptesten Schutz angedeihen zu lassen, ohne allzu weitläufige formelle Stipulationen. Man wird aber natürlich wünschen, auch in rein politischer Hinsicht die Concession nicht ganz umsonst zu machen. Allein das wird auch nicht ge¬ schehen. Von vertragsmäßig unmittelbaren Gegeneinräumungen muß man, da Rußland nun einmal unser guter Freund ist, allerdings vorerst wohl ab¬ sehen. Als Morgengabe in die scandinavische Union können wir Nordschles¬ wig nicht stiften. Aber der Act wird auf der Stelle die Wirkung haben, daß in Norwegen, Schweden und mit der Zeit wohl selbst in Dänemark eine gründliche nationale Umstimmung gegen Deutschland eintritt. Laden wir uns dann unvermeidlicher Weise mit der Zurücknahme von Elsaß und Deutsch- Lothringen eine permanente Feindschaft im Westen auf, bereit bei jeder zu¬ künftigen europäischen Verwickelung gegen uns Partei zu nehmen, so schließen wir dafür endgiltig die noch offne Wunde im Norden und präpariren uns hier eine Allianz, die sowohl gegen Westen wie gegen Osten einst ihren Nutzen entwickeln mag. L. Bemerkungen der Redaction. Wir haben den vorstehenden Aus¬ führungen unseres geschätzten Correspondenten die Aufnahme in unser Blatt deshalb nicht versagt, weil wir wissen, daß manchem wackern Manne in Deutschland eine baldige Lösung der Frage über Nordschleswig zu innerer Beruhigung dienen würde, und weil wir es nicht für unmöglich halten, daß die preußische Regierung selber vielleicht in nicht allzuferner Zeit mit ähn¬ lichen Ideen hervortreten könnte; wenigstens sind wir geneigt, die unerwartet gewissenhafte Neutralität Dänemarks im gegenwärtigen Kriege minder auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/112>, abgerufen am 22.12.2024.