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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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deren Erfolg doch mindestens noch zweifelhaft war, sie durften nun mit Ver¬
achtung auf die geifernde Ohnmacht Hinblicken, welche nach der Entscheidung
ihre Gegner als Anbeter des Erfolges zu verlästern suchte. Denn wenn der
Haufe der Bierbankpolitiker sofort Kehrt machte, frühere Behauptungen ab¬
leugnete oder doch falsch verstanden sein wollte, so gab und gibt das impo¬
tente Altwienerthum seinen Groll noch keineswegs auf; es werden nur neue
Motive und Schlagworte hervorgesucht. Solche zu liefern ist die Haupt¬
arbeit jener pseudo-demokratischen Presse, welche von den Juliner des
Welfenhoses oder doch des bekannten hannoverschen Hofbankiers geleitet
wird. Sie haben es natürlich nie mit dem Bonapartismus gehalten, er
war ihnen nur gut, um das noch viel greulichere "Zollernthum" zu Boden
zu werfen; ihr Ziel war immer die europäische Republik. Vielleicht haben
sie dem König Georg die erbliche Präsidentenwürde in dem deutschen Bezirke
der Ltats uvis as I'Luroxe zugesichert, als deren Finanzminister sich Herr
Moses May gewiß sehr gut ausnehmen würde! Nach den Brosamen, welche
von dieser oder ähnlicher Herren Tische fallen, greift nun mit Begier jenes
Altwienerthum, welchem es nachgerade sehr unheimlich zu Muthe wird. Da
wird geseufzt über die furchtbaren Menschenopfer, die "dem Ehrgeiz Einzel¬
ner", der preußischen Eroberungssucht dargebracht werden,' und zwar in einem
Zeitalter, welches sich seiner Humanität, seiner Civilisation zu rühmen liebt!
Da weissagen Andere, Oestreich, das wie immer an Allem unschuldig, werde
wie immer am Ende die Zeche bezahlen müssen. Da werden Geschöpfe,
welche zu den Zeiten Bach's, Thun's und Kempen's Alles bei uns aufs
beste eingerichtet fanden, plötzlich hitzige Freiheitsmänner und wüthen über
das Umsichgreifen des preußischen Militarismus. Junker- und Muckerthums.
Keine Dummheit ist zu dumm, um von diesem Gelichter mit wichtiger Miene
zu Markte gebracht zu werden. In einem Organe für Volksverdummung
wird bittere Beschwerde darüber geführt, daß der König Wilhelm die Sieges¬
nachrichten immer an die Königin, nie an das deutsche Volk adressire; in
einem andern darüber, daß der König von Preußen Alles eigenmächtig, ohne
die verbündeten Fürsten zu fragen, anordne, -- daß er das als Oberbefehls¬
haber thut, braucht ja Niemand zu kümmern; die Capitulation von Sedan
war abgekartetes Spiel zwischen Napoleon und Bismarck, das weiß man hier
ganz genau, beide werden sich mit einander vergleichen, die französische Frei¬
heit und Oestreich müssen dafür büßen. Das ist keine Uebertreibung, in sol¬
chen Kreisen wurde bereits das Gerücht colpvrtirt, Bayern solle als Kriegs¬
entschädigung das Innviertel erhalten, und nur über den Punkt ist man
noch getheilter Meinung, ob das nimm?rsatte Preußen jetzt gleich die übrigen
deutschen Länder Oestreichs verschlingen oder sich noch eine kurze Berdauungs-


deren Erfolg doch mindestens noch zweifelhaft war, sie durften nun mit Ver¬
achtung auf die geifernde Ohnmacht Hinblicken, welche nach der Entscheidung
ihre Gegner als Anbeter des Erfolges zu verlästern suchte. Denn wenn der
Haufe der Bierbankpolitiker sofort Kehrt machte, frühere Behauptungen ab¬
leugnete oder doch falsch verstanden sein wollte, so gab und gibt das impo¬
tente Altwienerthum seinen Groll noch keineswegs auf; es werden nur neue
Motive und Schlagworte hervorgesucht. Solche zu liefern ist die Haupt¬
arbeit jener pseudo-demokratischen Presse, welche von den Juliner des
Welfenhoses oder doch des bekannten hannoverschen Hofbankiers geleitet
wird. Sie haben es natürlich nie mit dem Bonapartismus gehalten, er
war ihnen nur gut, um das noch viel greulichere „Zollernthum" zu Boden
zu werfen; ihr Ziel war immer die europäische Republik. Vielleicht haben
sie dem König Georg die erbliche Präsidentenwürde in dem deutschen Bezirke
der Ltats uvis as I'Luroxe zugesichert, als deren Finanzminister sich Herr
Moses May gewiß sehr gut ausnehmen würde! Nach den Brosamen, welche
von dieser oder ähnlicher Herren Tische fallen, greift nun mit Begier jenes
Altwienerthum, welchem es nachgerade sehr unheimlich zu Muthe wird. Da
wird geseufzt über die furchtbaren Menschenopfer, die „dem Ehrgeiz Einzel¬
ner", der preußischen Eroberungssucht dargebracht werden,' und zwar in einem
Zeitalter, welches sich seiner Humanität, seiner Civilisation zu rühmen liebt!
Da weissagen Andere, Oestreich, das wie immer an Allem unschuldig, werde
wie immer am Ende die Zeche bezahlen müssen. Da werden Geschöpfe,
welche zu den Zeiten Bach's, Thun's und Kempen's Alles bei uns aufs
beste eingerichtet fanden, plötzlich hitzige Freiheitsmänner und wüthen über
das Umsichgreifen des preußischen Militarismus. Junker- und Muckerthums.
Keine Dummheit ist zu dumm, um von diesem Gelichter mit wichtiger Miene
zu Markte gebracht zu werden. In einem Organe für Volksverdummung
wird bittere Beschwerde darüber geführt, daß der König Wilhelm die Sieges¬
nachrichten immer an die Königin, nie an das deutsche Volk adressire; in
einem andern darüber, daß der König von Preußen Alles eigenmächtig, ohne
die verbündeten Fürsten zu fragen, anordne, — daß er das als Oberbefehls¬
haber thut, braucht ja Niemand zu kümmern; die Capitulation von Sedan
war abgekartetes Spiel zwischen Napoleon und Bismarck, das weiß man hier
ganz genau, beide werden sich mit einander vergleichen, die französische Frei¬
heit und Oestreich müssen dafür büßen. Das ist keine Uebertreibung, in sol¬
chen Kreisen wurde bereits das Gerücht colpvrtirt, Bayern solle als Kriegs¬
entschädigung das Innviertel erhalten, und nur über den Punkt ist man
noch getheilter Meinung, ob das nimm?rsatte Preußen jetzt gleich die übrigen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/545>, abgerufen am 29.06.2024.