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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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und die noch vorhandenen alten Schiffe dieser Art, namentlich die colossalen
Radfregatten, die vor Anwendung der Schraube für Linienschiffe als Gefechts¬
schiffe construirt wie "Cazique", "Or6moque", "Mogador", "Christophe Co-
lomb", "Descartes" dienen nur noch zum Truppentransport: Die kleineren
Raddampfer dagegen find noch ziemlich zahlreich vorhanden und werden
unter der Benennung "Avisos" (Radavisos, avisos A, aubes) bei Friedens¬
zeiten besonders im Colonialdienst verwandt*), in Kriegszeiten dagegen dazu
benutzt, die Verbindung der einzelnen Flottentheile unter einander und mit
den Häfen aufrecht zu erhalten und Nachrichten über den Feind einzuziehen,
mit dem sie stets Fühlung behalten sollen. Diese Avisos sind meist als
Briggs (mit zwei Masten und Raaen an beiden) oder als Schooner
(mit zwei Masten und Raaen nur am vorderen) getakelt, und bilden mit
den Schraubenavisos den Haupttheil der sogenannten aus etwa 150 kleineren
Fahrzeugen bestehenden "Flottille", welche mit der Panzerflotte und der
Transportflotte im Wesentlichen die ganzen gegen den Feind verwendbaren
Seestreitkräfte darstellt.

Die dritte Klasse, die Klasse der ,,ungepanzerten Schrauben-
schifse" war noch vor einem Jahrzehnt der ansehnlichste und werthvollste
Theil der französischen Marine. Sie enthielt Schiffe von einer Schönheit der
Construction, welche die der englischen weit hinter sich ließ und daher den Eng¬
ländern vielfach zum Muster gedient hat. Erst das Aufkommen der Panzer¬
schiffe hat dieses Verhältniß geändert. Frankreich besaß damals nicht weniger
als 38 Schraubenlinienschiffe (vaisLeaux s, InNes, Schraubenschiffe mit zwei
oder drei gedeckten Lagen von Geschützen über einander und mit Vollschifftake¬
lage d. h. drei Masten und Raaen an allen), zwei Dutzend Schraubenfre¬
gatten (trkMtes Ä Keliee, Vollschiffe mit einer gedeckten Lage von Geschützen
und Oberdeckskanonen darüber) und etwa ein Dutzend Schraubencorvetten
(eorvettes ", nelieo, Vollschiffe blos mit Oberdeckskanonen), ganz ungerechnet
die überaus zahlreichen Schraubenavisos und die Kanonenböte (oaovimiöres)
für die Küstenvertheidigung. Die Zahl der Schraubenfregatten, Schrauben¬
corvetten und Schraubenavisos hat seit jener Zeit nur wenig abgenommen,
da die ausrangirten Schiffe meist durch neue schöne Fahrzeuge ersetzt wurden,
wie z. B. durch den vor 2 Jahren im Havre gebauten "Chateau Renaud".
Dieselben werden größtentheils für den Handelsschutz in fremden Gewässern
verwandt. Vermindert und zwar sehr stark vermindert hat sich seit jener Zeit
nur die Zahl der Schraubenlinienschiffe gerade der schönsten Constructionen,
weil ihre Armirung (die der Zwischendecke mit 90 Geschützen) und Be-



') In Frankreich ist das Marineministerium zugleich Ministerium der Colomen.
Grenzboten III. 187". 64

und die noch vorhandenen alten Schiffe dieser Art, namentlich die colossalen
Radfregatten, die vor Anwendung der Schraube für Linienschiffe als Gefechts¬
schiffe construirt wie „Cazique", „Or6moque", „Mogador", „Christophe Co-
lomb", „Descartes" dienen nur noch zum Truppentransport: Die kleineren
Raddampfer dagegen find noch ziemlich zahlreich vorhanden und werden
unter der Benennung „Avisos" (Radavisos, avisos A, aubes) bei Friedens¬
zeiten besonders im Colonialdienst verwandt*), in Kriegszeiten dagegen dazu
benutzt, die Verbindung der einzelnen Flottentheile unter einander und mit
den Häfen aufrecht zu erhalten und Nachrichten über den Feind einzuziehen,
mit dem sie stets Fühlung behalten sollen. Diese Avisos sind meist als
Briggs (mit zwei Masten und Raaen an beiden) oder als Schooner
(mit zwei Masten und Raaen nur am vorderen) getakelt, und bilden mit
den Schraubenavisos den Haupttheil der sogenannten aus etwa 150 kleineren
Fahrzeugen bestehenden „Flottille", welche mit der Panzerflotte und der
Transportflotte im Wesentlichen die ganzen gegen den Feind verwendbaren
Seestreitkräfte darstellt.

Die dritte Klasse, die Klasse der ,,ungepanzerten Schrauben-
schifse" war noch vor einem Jahrzehnt der ansehnlichste und werthvollste
Theil der französischen Marine. Sie enthielt Schiffe von einer Schönheit der
Construction, welche die der englischen weit hinter sich ließ und daher den Eng¬
ländern vielfach zum Muster gedient hat. Erst das Aufkommen der Panzer¬
schiffe hat dieses Verhältniß geändert. Frankreich besaß damals nicht weniger
als 38 Schraubenlinienschiffe (vaisLeaux s, InNes, Schraubenschiffe mit zwei
oder drei gedeckten Lagen von Geschützen über einander und mit Vollschifftake¬
lage d. h. drei Masten und Raaen an allen), zwei Dutzend Schraubenfre¬
gatten (trkMtes Ä Keliee, Vollschiffe mit einer gedeckten Lage von Geschützen
und Oberdeckskanonen darüber) und etwa ein Dutzend Schraubencorvetten
(eorvettes «, nelieo, Vollschiffe blos mit Oberdeckskanonen), ganz ungerechnet
die überaus zahlreichen Schraubenavisos und die Kanonenböte (oaovimiöres)
für die Küstenvertheidigung. Die Zahl der Schraubenfregatten, Schrauben¬
corvetten und Schraubenavisos hat seit jener Zeit nur wenig abgenommen,
da die ausrangirten Schiffe meist durch neue schöne Fahrzeuge ersetzt wurden,
wie z. B. durch den vor 2 Jahren im Havre gebauten „Chateau Renaud".
Dieselben werden größtentheils für den Handelsschutz in fremden Gewässern
verwandt. Vermindert und zwar sehr stark vermindert hat sich seit jener Zeit
nur die Zahl der Schraubenlinienschiffe gerade der schönsten Constructionen,
weil ihre Armirung (die der Zwischendecke mit 90 Geschützen) und Be-



') In Frankreich ist das Marineministerium zugleich Ministerium der Colomen.
Grenzboten III. 187». 64
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[0501] und die noch vorhandenen alten Schiffe dieser Art, namentlich die colossalen Radfregatten, die vor Anwendung der Schraube für Linienschiffe als Gefechts¬ schiffe construirt wie „Cazique", „Or6moque", „Mogador", „Christophe Co- lomb", „Descartes" dienen nur noch zum Truppentransport: Die kleineren Raddampfer dagegen find noch ziemlich zahlreich vorhanden und werden unter der Benennung „Avisos" (Radavisos, avisos A, aubes) bei Friedens¬ zeiten besonders im Colonialdienst verwandt*), in Kriegszeiten dagegen dazu benutzt, die Verbindung der einzelnen Flottentheile unter einander und mit den Häfen aufrecht zu erhalten und Nachrichten über den Feind einzuziehen, mit dem sie stets Fühlung behalten sollen. Diese Avisos sind meist als Briggs (mit zwei Masten und Raaen an beiden) oder als Schooner (mit zwei Masten und Raaen nur am vorderen) getakelt, und bilden mit den Schraubenavisos den Haupttheil der sogenannten aus etwa 150 kleineren Fahrzeugen bestehenden „Flottille", welche mit der Panzerflotte und der Transportflotte im Wesentlichen die ganzen gegen den Feind verwendbaren Seestreitkräfte darstellt. Die dritte Klasse, die Klasse der ,,ungepanzerten Schrauben- schifse" war noch vor einem Jahrzehnt der ansehnlichste und werthvollste Theil der französischen Marine. Sie enthielt Schiffe von einer Schönheit der Construction, welche die der englischen weit hinter sich ließ und daher den Eng¬ ländern vielfach zum Muster gedient hat. Erst das Aufkommen der Panzer¬ schiffe hat dieses Verhältniß geändert. Frankreich besaß damals nicht weniger als 38 Schraubenlinienschiffe (vaisLeaux s, InNes, Schraubenschiffe mit zwei oder drei gedeckten Lagen von Geschützen über einander und mit Vollschifftake¬ lage d. h. drei Masten und Raaen an allen), zwei Dutzend Schraubenfre¬ gatten (trkMtes Ä Keliee, Vollschiffe mit einer gedeckten Lage von Geschützen und Oberdeckskanonen darüber) und etwa ein Dutzend Schraubencorvetten (eorvettes «, nelieo, Vollschiffe blos mit Oberdeckskanonen), ganz ungerechnet die überaus zahlreichen Schraubenavisos und die Kanonenböte (oaovimiöres) für die Küstenvertheidigung. Die Zahl der Schraubenfregatten, Schrauben¬ corvetten und Schraubenavisos hat seit jener Zeit nur wenig abgenommen, da die ausrangirten Schiffe meist durch neue schöne Fahrzeuge ersetzt wurden, wie z. B. durch den vor 2 Jahren im Havre gebauten „Chateau Renaud". Dieselben werden größtentheils für den Handelsschutz in fremden Gewässern verwandt. Vermindert und zwar sehr stark vermindert hat sich seit jener Zeit nur die Zahl der Schraubenlinienschiffe gerade der schönsten Constructionen, weil ihre Armirung (die der Zwischendecke mit 90 Geschützen) und Be- ') In Frankreich ist das Marineministerium zugleich Ministerium der Colomen. Grenzboten III. 187». 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/501>, abgerufen am 29.06.2024.