Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

3) hervorragender Gelehrter bezüglich ihrer eigenen Werke und der Bücher
ihrer Sammlungen, die sie missen möchten,

4) des ganzen französischen Buchhandels sowie aller derjenigen, die durch
Geldbeiträge ihre Theilnahme an den Leiden und dem Heldenmuth einer Stadt be¬
kunden wollen, die so hohe Achtung und so lebhafte Mitempfindung im gesitteten
Europa genießt.

Wäre es nicht möglich, Herr Minister, in gleicher Weise für diesen Zweck die
großmüthige Hilfe der Büchersammlungen und Schriftsteller befreundeter Nationen
zu suchen, die auch die Wunden der französischen Wissenschaft stillen wollten? Viel¬
leicht wäre das, was das Gebiet des öffentlichen Unterrichts anlangt, die beste
Antwort, die man Deutschland geben könnte, das vor aller Augen sein wahrhafti¬
ges Barbarenthum zeigt, indem es von seiner Gelehrsamkeit nur Gebrauch macht,
um zu zerstören.

Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Minister, um den einzigen Dienst zu
leisten, den ich der Hochschule gegenwärtig leisten kann, und bitte die Versicherung
ausgezeichneter Ergebenheit entgegennehmen zu wollen


Ihres gehorsamsten Dieners
I- Zeller.
Rector der Universität Straßburg.

Herr Rector, ich danke Ihnen für Ihren Vortrag; ich erwartete nichts An¬
deres von dem Manne, den ich berufen habe, an die Spitze der erlauchten Hoch¬
schule von Straßburg zu treten.

In seinem Kampf gegen einen rohen Feind spricht und handelt General Adrias
mit der Entschlossenheit eines antiken Charakters und die Soldaten zeigen sich durch
ihren Schwung, die Einwohner durch ihre Standhaftigkeit eines solchen Führers
würdig. Diese fürchterlichen Prüfungen werden ihr Ende finden: wenn einmal die
Ehre gewahrt, die Festung gerettet und die barbarische Armee niedergeworfen ist,
wird Frankreich Straßburg wieder aufbauen.

Dann, und Gott gebe, daß dieser Tag nahe ist, wird die Bibliothek aus den
Trümmern sich wieder erheben; ich beschäftige mich bereits damit, die Mittel dafür
vorzusehen. Es gibt ohne Zweifel unersetzliche Verluste. Wer wird uns die vielen
ersten Ausgaben, die vielen Unica unter den Handschriften ersetzen, die von allen
Gelehrten Europas mit Achtung betrachtet und gebraucht wurden? Wir werden
jedoch unter Benutzung der Hilfsquellen, die das Unterrichtsministerium besitzt und
unter Mitwirkung des ganzen Landes eine Sammlung Bücher wieder schaffen
können, die der gelehrten und tapfern Stadt nicht unwerth ist. Um einen Theil
des Schatzes wieder herzustellen, weisen Sie auf vortreffliche Maßregeln hin, Herr
Rector, und erbieten sich mir sofort mit vollem Eifer Hand anzulegen. Die unter
mir stehenden Verwaltungen erhalten Anweisung, Ihnen nachdrücklich beizustehen.

Zählen Sie auf mich, Herr Rector; die Straßburger Bibliothek wird herrlich
und großartig wiedererstehen. Ich will aus ihr ein Denkmal machen, das künfti¬
gen Geschlechtern die Vaterlandsliebe unseres Elsaß bekunden soll; ich will, daß am
Sockel dieses Denkmals eine Inschrift, oder sagen wir lieber ein Urtheil, das von


3) hervorragender Gelehrter bezüglich ihrer eigenen Werke und der Bücher
ihrer Sammlungen, die sie missen möchten,

4) des ganzen französischen Buchhandels sowie aller derjenigen, die durch
Geldbeiträge ihre Theilnahme an den Leiden und dem Heldenmuth einer Stadt be¬
kunden wollen, die so hohe Achtung und so lebhafte Mitempfindung im gesitteten
Europa genießt.

Wäre es nicht möglich, Herr Minister, in gleicher Weise für diesen Zweck die
großmüthige Hilfe der Büchersammlungen und Schriftsteller befreundeter Nationen
zu suchen, die auch die Wunden der französischen Wissenschaft stillen wollten? Viel¬
leicht wäre das, was das Gebiet des öffentlichen Unterrichts anlangt, die beste
Antwort, die man Deutschland geben könnte, das vor aller Augen sein wahrhafti¬
ges Barbarenthum zeigt, indem es von seiner Gelehrsamkeit nur Gebrauch macht,
um zu zerstören.

Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Minister, um den einzigen Dienst zu
leisten, den ich der Hochschule gegenwärtig leisten kann, und bitte die Versicherung
ausgezeichneter Ergebenheit entgegennehmen zu wollen


Ihres gehorsamsten Dieners
I- Zeller.
Rector der Universität Straßburg.

Herr Rector, ich danke Ihnen für Ihren Vortrag; ich erwartete nichts An¬
deres von dem Manne, den ich berufen habe, an die Spitze der erlauchten Hoch¬
schule von Straßburg zu treten.

In seinem Kampf gegen einen rohen Feind spricht und handelt General Adrias
mit der Entschlossenheit eines antiken Charakters und die Soldaten zeigen sich durch
ihren Schwung, die Einwohner durch ihre Standhaftigkeit eines solchen Führers
würdig. Diese fürchterlichen Prüfungen werden ihr Ende finden: wenn einmal die
Ehre gewahrt, die Festung gerettet und die barbarische Armee niedergeworfen ist,
wird Frankreich Straßburg wieder aufbauen.

Dann, und Gott gebe, daß dieser Tag nahe ist, wird die Bibliothek aus den
Trümmern sich wieder erheben; ich beschäftige mich bereits damit, die Mittel dafür
vorzusehen. Es gibt ohne Zweifel unersetzliche Verluste. Wer wird uns die vielen
ersten Ausgaben, die vielen Unica unter den Handschriften ersetzen, die von allen
Gelehrten Europas mit Achtung betrachtet und gebraucht wurden? Wir werden
jedoch unter Benutzung der Hilfsquellen, die das Unterrichtsministerium besitzt und
unter Mitwirkung des ganzen Landes eine Sammlung Bücher wieder schaffen
können, die der gelehrten und tapfern Stadt nicht unwerth ist. Um einen Theil
des Schatzes wieder herzustellen, weisen Sie auf vortreffliche Maßregeln hin, Herr
Rector, und erbieten sich mir sofort mit vollem Eifer Hand anzulegen. Die unter
mir stehenden Verwaltungen erhalten Anweisung, Ihnen nachdrücklich beizustehen.

Zählen Sie auf mich, Herr Rector; die Straßburger Bibliothek wird herrlich
und großartig wiedererstehen. Ich will aus ihr ein Denkmal machen, das künfti¬
gen Geschlechtern die Vaterlandsliebe unseres Elsaß bekunden soll; ich will, daß am
Sockel dieses Denkmals eine Inschrift, oder sagen wir lieber ein Urtheil, das von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124651"/>
          <p xml:id="ID_1440"> 3) hervorragender Gelehrter bezüglich ihrer eigenen Werke und der Bücher<lb/>
ihrer Sammlungen, die sie missen möchten,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1441"> 4) des ganzen französischen Buchhandels sowie aller derjenigen, die durch<lb/>
Geldbeiträge ihre Theilnahme an den Leiden und dem Heldenmuth einer Stadt be¬<lb/>
kunden wollen, die so hohe Achtung und so lebhafte Mitempfindung im gesitteten<lb/>
Europa genießt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1442"> Wäre es nicht möglich, Herr Minister, in gleicher Weise für diesen Zweck die<lb/>
großmüthige Hilfe der Büchersammlungen und Schriftsteller befreundeter Nationen<lb/>
zu suchen, die auch die Wunden der französischen Wissenschaft stillen wollten? Viel¬<lb/>
leicht wäre das, was das Gebiet des öffentlichen Unterrichts anlangt, die beste<lb/>
Antwort, die man Deutschland geben könnte, das vor aller Augen sein wahrhafti¬<lb/>
ges Barbarenthum zeigt, indem es von seiner Gelehrsamkeit nur Gebrauch macht,<lb/>
um zu zerstören.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1443"> Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Minister, um den einzigen Dienst zu<lb/>
leisten, den ich der Hochschule gegenwärtig leisten kann, und bitte die Versicherung<lb/>
ausgezeichneter Ergebenheit entgegennehmen zu wollen</p><lb/>
          <note type="bibl"> Ihres gehorsamsten Dieners<lb/>
I- Zeller.<lb/>
Rector der Universität Straßburg.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1444"> Herr Rector, ich danke Ihnen für Ihren Vortrag; ich erwartete nichts An¬<lb/>
deres von dem Manne, den ich berufen habe, an die Spitze der erlauchten Hoch¬<lb/>
schule von Straßburg zu treten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1445"> In seinem Kampf gegen einen rohen Feind spricht und handelt General Adrias<lb/>
mit der Entschlossenheit eines antiken Charakters und die Soldaten zeigen sich durch<lb/>
ihren Schwung, die Einwohner durch ihre Standhaftigkeit eines solchen Führers<lb/>
würdig. Diese fürchterlichen Prüfungen werden ihr Ende finden: wenn einmal die<lb/>
Ehre gewahrt, die Festung gerettet und die barbarische Armee niedergeworfen ist,<lb/>
wird Frankreich Straßburg wieder aufbauen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1446"> Dann, und Gott gebe, daß dieser Tag nahe ist, wird die Bibliothek aus den<lb/>
Trümmern sich wieder erheben; ich beschäftige mich bereits damit, die Mittel dafür<lb/>
vorzusehen. Es gibt ohne Zweifel unersetzliche Verluste. Wer wird uns die vielen<lb/>
ersten Ausgaben, die vielen Unica unter den Handschriften ersetzen, die von allen<lb/>
Gelehrten Europas mit Achtung betrachtet und gebraucht wurden? Wir werden<lb/>
jedoch unter Benutzung der Hilfsquellen, die das Unterrichtsministerium besitzt und<lb/>
unter Mitwirkung des ganzen Landes eine Sammlung Bücher wieder schaffen<lb/>
können, die der gelehrten und tapfern Stadt nicht unwerth ist. Um einen Theil<lb/>
des Schatzes wieder herzustellen, weisen Sie auf vortreffliche Maßregeln hin, Herr<lb/>
Rector, und erbieten sich mir sofort mit vollem Eifer Hand anzulegen. Die unter<lb/>
mir stehenden Verwaltungen erhalten Anweisung, Ihnen nachdrücklich beizustehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1447" next="#ID_1448"> Zählen Sie auf mich, Herr Rector; die Straßburger Bibliothek wird herrlich<lb/>
und großartig wiedererstehen. Ich will aus ihr ein Denkmal machen, das künfti¬<lb/>
gen Geschlechtern die Vaterlandsliebe unseres Elsaß bekunden soll; ich will, daß am<lb/>
Sockel dieses Denkmals eine Inschrift, oder sagen wir lieber ein Urtheil, das von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] 3) hervorragender Gelehrter bezüglich ihrer eigenen Werke und der Bücher ihrer Sammlungen, die sie missen möchten, 4) des ganzen französischen Buchhandels sowie aller derjenigen, die durch Geldbeiträge ihre Theilnahme an den Leiden und dem Heldenmuth einer Stadt be¬ kunden wollen, die so hohe Achtung und so lebhafte Mitempfindung im gesitteten Europa genießt. Wäre es nicht möglich, Herr Minister, in gleicher Weise für diesen Zweck die großmüthige Hilfe der Büchersammlungen und Schriftsteller befreundeter Nationen zu suchen, die auch die Wunden der französischen Wissenschaft stillen wollten? Viel¬ leicht wäre das, was das Gebiet des öffentlichen Unterrichts anlangt, die beste Antwort, die man Deutschland geben könnte, das vor aller Augen sein wahrhafti¬ ges Barbarenthum zeigt, indem es von seiner Gelehrsamkeit nur Gebrauch macht, um zu zerstören. Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Minister, um den einzigen Dienst zu leisten, den ich der Hochschule gegenwärtig leisten kann, und bitte die Versicherung ausgezeichneter Ergebenheit entgegennehmen zu wollen Ihres gehorsamsten Dieners I- Zeller. Rector der Universität Straßburg. Herr Rector, ich danke Ihnen für Ihren Vortrag; ich erwartete nichts An¬ deres von dem Manne, den ich berufen habe, an die Spitze der erlauchten Hoch¬ schule von Straßburg zu treten. In seinem Kampf gegen einen rohen Feind spricht und handelt General Adrias mit der Entschlossenheit eines antiken Charakters und die Soldaten zeigen sich durch ihren Schwung, die Einwohner durch ihre Standhaftigkeit eines solchen Führers würdig. Diese fürchterlichen Prüfungen werden ihr Ende finden: wenn einmal die Ehre gewahrt, die Festung gerettet und die barbarische Armee niedergeworfen ist, wird Frankreich Straßburg wieder aufbauen. Dann, und Gott gebe, daß dieser Tag nahe ist, wird die Bibliothek aus den Trümmern sich wieder erheben; ich beschäftige mich bereits damit, die Mittel dafür vorzusehen. Es gibt ohne Zweifel unersetzliche Verluste. Wer wird uns die vielen ersten Ausgaben, die vielen Unica unter den Handschriften ersetzen, die von allen Gelehrten Europas mit Achtung betrachtet und gebraucht wurden? Wir werden jedoch unter Benutzung der Hilfsquellen, die das Unterrichtsministerium besitzt und unter Mitwirkung des ganzen Landes eine Sammlung Bücher wieder schaffen können, die der gelehrten und tapfern Stadt nicht unwerth ist. Um einen Theil des Schatzes wieder herzustellen, weisen Sie auf vortreffliche Maßregeln hin, Herr Rector, und erbieten sich mir sofort mit vollem Eifer Hand anzulegen. Die unter mir stehenden Verwaltungen erhalten Anweisung, Ihnen nachdrücklich beizustehen. Zählen Sie auf mich, Herr Rector; die Straßburger Bibliothek wird herrlich und großartig wiedererstehen. Ich will aus ihr ein Denkmal machen, das künfti¬ gen Geschlechtern die Vaterlandsliebe unseres Elsaß bekunden soll; ich will, daß am Sockel dieses Denkmals eine Inschrift, oder sagen wir lieber ein Urtheil, das von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/499
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/499>, abgerufen am 29.06.2024.