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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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jetzt Niemand im liberalen Lager mit einiger Sicherheit anzugeben. Aus
der regen Theilnahme der Bauern an den Kriegsereignissen, aus der werk¬
thätigen Hilfe, die sie leisten, aus ihrem Haß gegen Frankreich allein darf
wohl auf eine Zustimmung in diesem Punkte, auf eine Aenderung ihrer
Gesinnung gegen Preußen noch nicht geschlossen werden. Ehe in dieser Be¬
ziehung nicht die Fühlhörner nach jeder Richtung ausgestreckt worden sind,
ehe man nicht weiß, wie sich die patriotische Presse zu der Sache stellt, ist es
voreilig, wenn von liberaler Seite schon jetzt auf Auflösung der gegenwärtigen
Abgeordneten-Kammer gedrungen wird. Unsere nächste Aufgabe wird es
vielmehr sein müssen, sich über die Stimmung des Landvolkes Klarheit zu
verschaffen, und sobald nicht mehr alle Sinne und Kräfte durch den Krieg
absorbirt werden, die innere Politik wieder aufzunehmen, die bisher unter
dem Lärm der Waffen ruhen mußte. Möge die liberale Partei am Ausgang
des Krieges ebensoviel Glück und Geschick zeigen wie am Anfang desselben.




Die Mchersammlung der Universität Straschurg.

Das Journal des De'half vom 4. September veröffentlichte folgenden
Schriftenwechsel zwischen dem neuernannten Rector der Straßburger Uni¬
versität Zeller und dem damaligen Unterrichtsminister Braine, der im
Gedächtniß behalten zu werden verdient, weshalb wir ihn hier in Ueber¬
setzung mittheilen.

Herr Minister! Der Brand der Büchersammlung zu Straßburg, einer der
kostbarsten und brauchbarsten Europas vermöge der Seltenheit und Reichhaltigkeit,
ihrer Werke, scheint vollendete Thatsache zu sein.

Frankreich wird die Stadt Straßburg wieder aufbauen. Ich habe die Ehre,
Herr Minister, Sie zu bitten, mich in den Stand zu setzen, daß ich sobald als
möglich für die Erneuerung der Büchersammlung Sorge tragen kann.

Eine Stadt, die fünf Facultäten, berühmte Gelehrte, eine große Zahl Stu¬
denten besitzt, kann von dem Augenblicke an nicht ohne eine Büchersammlung sein, wo
die Nuhe wieder in sie zurückgekehrt ist. Ich nehme mir die Freiheit, Herr Mi¬
nister, von Ihnen die nöthigen Vollmachten und die erforderlichen Mittel zu er¬
bitten, um unter Ihren Auspicien die patriotische Beihilfe und Mitwirkung sowie
patriotischen Opfer zu veranlassen:

1) der reichen Bücherlager in den Ministerien des öffentlichen Unterrichts, der
Künste und Wissenschaften, des Kriegs und des Innern,

2) der öffentlichen Büchersammlungen in Paris und in der Provinz, rücksicht¬
lich ihrer Doppelexemplare,


jetzt Niemand im liberalen Lager mit einiger Sicherheit anzugeben. Aus
der regen Theilnahme der Bauern an den Kriegsereignissen, aus der werk¬
thätigen Hilfe, die sie leisten, aus ihrem Haß gegen Frankreich allein darf
wohl auf eine Zustimmung in diesem Punkte, auf eine Aenderung ihrer
Gesinnung gegen Preußen noch nicht geschlossen werden. Ehe in dieser Be¬
ziehung nicht die Fühlhörner nach jeder Richtung ausgestreckt worden sind,
ehe man nicht weiß, wie sich die patriotische Presse zu der Sache stellt, ist es
voreilig, wenn von liberaler Seite schon jetzt auf Auflösung der gegenwärtigen
Abgeordneten-Kammer gedrungen wird. Unsere nächste Aufgabe wird es
vielmehr sein müssen, sich über die Stimmung des Landvolkes Klarheit zu
verschaffen, und sobald nicht mehr alle Sinne und Kräfte durch den Krieg
absorbirt werden, die innere Politik wieder aufzunehmen, die bisher unter
dem Lärm der Waffen ruhen mußte. Möge die liberale Partei am Ausgang
des Krieges ebensoviel Glück und Geschick zeigen wie am Anfang desselben.




Die Mchersammlung der Universität Straschurg.

Das Journal des De'half vom 4. September veröffentlichte folgenden
Schriftenwechsel zwischen dem neuernannten Rector der Straßburger Uni¬
versität Zeller und dem damaligen Unterrichtsminister Braine, der im
Gedächtniß behalten zu werden verdient, weshalb wir ihn hier in Ueber¬
setzung mittheilen.

Herr Minister! Der Brand der Büchersammlung zu Straßburg, einer der
kostbarsten und brauchbarsten Europas vermöge der Seltenheit und Reichhaltigkeit,
ihrer Werke, scheint vollendete Thatsache zu sein.

Frankreich wird die Stadt Straßburg wieder aufbauen. Ich habe die Ehre,
Herr Minister, Sie zu bitten, mich in den Stand zu setzen, daß ich sobald als
möglich für die Erneuerung der Büchersammlung Sorge tragen kann.

Eine Stadt, die fünf Facultäten, berühmte Gelehrte, eine große Zahl Stu¬
denten besitzt, kann von dem Augenblicke an nicht ohne eine Büchersammlung sein, wo
die Nuhe wieder in sie zurückgekehrt ist. Ich nehme mir die Freiheit, Herr Mi¬
nister, von Ihnen die nöthigen Vollmachten und die erforderlichen Mittel zu er¬
bitten, um unter Ihren Auspicien die patriotische Beihilfe und Mitwirkung sowie
patriotischen Opfer zu veranlassen:

1) der reichen Bücherlager in den Ministerien des öffentlichen Unterrichts, der
Künste und Wissenschaften, des Kriegs und des Innern,

2) der öffentlichen Büchersammlungen in Paris und in der Provinz, rücksicht¬
lich ihrer Doppelexemplare,


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[0498] jetzt Niemand im liberalen Lager mit einiger Sicherheit anzugeben. Aus der regen Theilnahme der Bauern an den Kriegsereignissen, aus der werk¬ thätigen Hilfe, die sie leisten, aus ihrem Haß gegen Frankreich allein darf wohl auf eine Zustimmung in diesem Punkte, auf eine Aenderung ihrer Gesinnung gegen Preußen noch nicht geschlossen werden. Ehe in dieser Be¬ ziehung nicht die Fühlhörner nach jeder Richtung ausgestreckt worden sind, ehe man nicht weiß, wie sich die patriotische Presse zu der Sache stellt, ist es voreilig, wenn von liberaler Seite schon jetzt auf Auflösung der gegenwärtigen Abgeordneten-Kammer gedrungen wird. Unsere nächste Aufgabe wird es vielmehr sein müssen, sich über die Stimmung des Landvolkes Klarheit zu verschaffen, und sobald nicht mehr alle Sinne und Kräfte durch den Krieg absorbirt werden, die innere Politik wieder aufzunehmen, die bisher unter dem Lärm der Waffen ruhen mußte. Möge die liberale Partei am Ausgang des Krieges ebensoviel Glück und Geschick zeigen wie am Anfang desselben. Die Mchersammlung der Universität Straschurg. Das Journal des De'half vom 4. September veröffentlichte folgenden Schriftenwechsel zwischen dem neuernannten Rector der Straßburger Uni¬ versität Zeller und dem damaligen Unterrichtsminister Braine, der im Gedächtniß behalten zu werden verdient, weshalb wir ihn hier in Ueber¬ setzung mittheilen. Herr Minister! Der Brand der Büchersammlung zu Straßburg, einer der kostbarsten und brauchbarsten Europas vermöge der Seltenheit und Reichhaltigkeit, ihrer Werke, scheint vollendete Thatsache zu sein. Frankreich wird die Stadt Straßburg wieder aufbauen. Ich habe die Ehre, Herr Minister, Sie zu bitten, mich in den Stand zu setzen, daß ich sobald als möglich für die Erneuerung der Büchersammlung Sorge tragen kann. Eine Stadt, die fünf Facultäten, berühmte Gelehrte, eine große Zahl Stu¬ denten besitzt, kann von dem Augenblicke an nicht ohne eine Büchersammlung sein, wo die Nuhe wieder in sie zurückgekehrt ist. Ich nehme mir die Freiheit, Herr Mi¬ nister, von Ihnen die nöthigen Vollmachten und die erforderlichen Mittel zu er¬ bitten, um unter Ihren Auspicien die patriotische Beihilfe und Mitwirkung sowie patriotischen Opfer zu veranlassen: 1) der reichen Bücherlager in den Ministerien des öffentlichen Unterrichts, der Künste und Wissenschaften, des Kriegs und des Innern, 2) der öffentlichen Büchersammlungen in Paris und in der Provinz, rücksicht¬ lich ihrer Doppelexemplare,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/498>, abgerufen am 29.06.2024.