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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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jedem Falle wird Oestreich vermittelnd dazwischen treten und seinen Preis
fordern für die Rettung des Schwächeren oder dasür, daß es dem Blutver¬
gießen Einhalt thut.

Und dieser Preis? So abenteuerlich es klingt, so unzweifelhaft ist es,
daß der Autor des skizzirten Actionsprogramms, nämlich Graf Beust selbst,
als Kampfpreis den Wiedereintritt Oestreichs in ein dem früheren ähnliches
Verhältniß zu Deutschland, ein Anknüpfen an das Reformproject von 1863
-- in Aussicht gestellt hat, Gestelle, sagen wir, nicht genommen. Denn es
ist doch wohl zu kühl berechnend und zu klar blickend, um nicht zu erkennen,
daß Deutschland das Aeußerste aufbieten würde, um die Wiederherstellung
des alten wenn auch mannigfach modificirten Zustandes zu verhüten, und
daß die meisten Völkerschaften Oestreichs solcher Restauration den hartnäckig¬
sten Widerstand entgegensetzen würden. Augenscheinlich mußte es einen so
hohen Trumpf ausspielen, um nicht von den äußersten Parteien überstochen
zu werden. Die Franzosensreunde bei Hofe und in seiner Umgebung beruhigte
er durch Vorweisung desselben Zieles, welches sie durch offene Parteinahme
zu erreichen wähnten; den Deutschgesinnten schmeichelte er durch den Plan,
Deutschlands Grenzen gegen den siegreichen Feind zu schätzen und den
Deulschöstreichern den so schwer vermißten Rückhalt gegen Slaven und
Magyaren wiederzugeben; die Heißsporne in Pest, Andrassy und Genossen,
wurden aufgefordert zu bedenken, ob grade Ungarn Ursache habe, von der
Theilnahme am Kriege Früchte für sich zu hoffen; den Kriegerischen wurde
die erwünschte Aussicht nicht verstellt und den Friedlichen konnte gesagt wer¬
den, der Staat werde nicht leichtsinnig in zweifelhafte Unternehmungen verwickelt ;
durch kluges Abwarten und mit geringen Opfern solle aber wiedergewonnen
werden, was die letzten unglücklichen Kriege ihm genommen.

In den Regierungskreisen siegte dieser Plan, so vielfach er von rechts
und links angefochten wurde. Das freilich war nicht zu verhindern, daß die
geheimen Wünsche und Gelüste täglich transpirirten. Es ist vollkommen irrig,
das Militär sammt und sonders zur Kriegspartei zu rechnen. Grade die er¬
fahrensten Generale, und, wie versichert wird, Erzherzog Albrecht an deren
Spitze, verfechten die Neutralität bis zum äußersten Moment. Würden sie
auch vielleicht über das Friedensbedürfniß des Reiches und über die Finanz¬
frage hinweggehen in der Hoffnung, daß ein glücklicher Krieg viele Schäden
heilen werde, so wissen sie doch, daß die 1866 begonnene Umgestaltung der
Armee noch lange nicht befestigt genug ist, um auf eine ernste Probe gestellt
werden zu können. Es sollen rein persönliche Motive, es soll vor allem die
Rivalität zwischen dem Reichskriegsministerium und dem Obercommando sein,
was schreibenden Offizieren gestattet, in den mehr oder weniger officiösen
Militärblättern das unvernünftigste Säbelgerassel aufzuführen.


jedem Falle wird Oestreich vermittelnd dazwischen treten und seinen Preis
fordern für die Rettung des Schwächeren oder dasür, daß es dem Blutver¬
gießen Einhalt thut.

Und dieser Preis? So abenteuerlich es klingt, so unzweifelhaft ist es,
daß der Autor des skizzirten Actionsprogramms, nämlich Graf Beust selbst,
als Kampfpreis den Wiedereintritt Oestreichs in ein dem früheren ähnliches
Verhältniß zu Deutschland, ein Anknüpfen an das Reformproject von 1863
— in Aussicht gestellt hat, Gestelle, sagen wir, nicht genommen. Denn es
ist doch wohl zu kühl berechnend und zu klar blickend, um nicht zu erkennen,
daß Deutschland das Aeußerste aufbieten würde, um die Wiederherstellung
des alten wenn auch mannigfach modificirten Zustandes zu verhüten, und
daß die meisten Völkerschaften Oestreichs solcher Restauration den hartnäckig¬
sten Widerstand entgegensetzen würden. Augenscheinlich mußte es einen so
hohen Trumpf ausspielen, um nicht von den äußersten Parteien überstochen
zu werden. Die Franzosensreunde bei Hofe und in seiner Umgebung beruhigte
er durch Vorweisung desselben Zieles, welches sie durch offene Parteinahme
zu erreichen wähnten; den Deutschgesinnten schmeichelte er durch den Plan,
Deutschlands Grenzen gegen den siegreichen Feind zu schätzen und den
Deulschöstreichern den so schwer vermißten Rückhalt gegen Slaven und
Magyaren wiederzugeben; die Heißsporne in Pest, Andrassy und Genossen,
wurden aufgefordert zu bedenken, ob grade Ungarn Ursache habe, von der
Theilnahme am Kriege Früchte für sich zu hoffen; den Kriegerischen wurde
die erwünschte Aussicht nicht verstellt und den Friedlichen konnte gesagt wer¬
den, der Staat werde nicht leichtsinnig in zweifelhafte Unternehmungen verwickelt ;
durch kluges Abwarten und mit geringen Opfern solle aber wiedergewonnen
werden, was die letzten unglücklichen Kriege ihm genommen.

In den Regierungskreisen siegte dieser Plan, so vielfach er von rechts
und links angefochten wurde. Das freilich war nicht zu verhindern, daß die
geheimen Wünsche und Gelüste täglich transpirirten. Es ist vollkommen irrig,
das Militär sammt und sonders zur Kriegspartei zu rechnen. Grade die er¬
fahrensten Generale, und, wie versichert wird, Erzherzog Albrecht an deren
Spitze, verfechten die Neutralität bis zum äußersten Moment. Würden sie
auch vielleicht über das Friedensbedürfniß des Reiches und über die Finanz¬
frage hinweggehen in der Hoffnung, daß ein glücklicher Krieg viele Schäden
heilen werde, so wissen sie doch, daß die 1866 begonnene Umgestaltung der
Armee noch lange nicht befestigt genug ist, um auf eine ernste Probe gestellt
werden zu können. Es sollen rein persönliche Motive, es soll vor allem die
Rivalität zwischen dem Reichskriegsministerium und dem Obercommando sein,
was schreibenden Offizieren gestattet, in den mehr oder weniger officiösen
Militärblättern das unvernünftigste Säbelgerassel aufzuführen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/303>, abgerufen am 26.06.2024.