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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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eigentlich nur die Vorgeschichte Scharnhorst's bis zu dem Zeitpunkte, wo er
aus hannöverschen in preußische Dienste übergeht (1801), und bekanntlich
währte es auch dann noch eine Reihe von Jahren und es bedürfte der Kata¬
strophe von 1806, bis der stillwirkende, ernste Mann, der nach Clausewitz'
Ausdruck wohl edle Früchte still zeitigen, aber nicht wie Andere mit Blüthen
prangen konnte, in seinem ganzen Werth erkannt und an die rechte Stelle
gesetztz wurde. Der Schwerpunkt dieses ganzen Lebens liegt in den Jahren
von 1807 bis 1813, und so natürlich auch der der Biographie in den
Bänden, welche noch zu erwarten sind.

Aber gern und mit Genuß wird man immerhin auch sich in das Stu¬
dium der langen Vorbereitungsjahre vertiefen, aus denen "der deutschen
Freiheit Waffenschmidt" hervorging.

Und hierfür bietet das Buch von Klippe! reiche und zum Theil neue
Materialien. Die Ausbeute des Verfassers namentlich aus dem ihm zugäng¬
lich gemachten Archiv der Generaladjutantur zu Hannover gibt für die Zeit
von Scharnhorst's Thätigkeit als militärischer^ Lehrer und' als praktischer
Officier im Felde in Hannöverschen- Diensten eine Menge mente wesentlicher
Bereicherungen, und auch für die allgemeine Zeitgeschichte sind manche der
von ihm mitgetheilten Aktenstücke von bedeutendem Interesse*).

Ein Lebenslauf ist es, der>mit vollkommener Stetigkeit in einer ge¬
raden Linie und ganz mäßigen Schrittes vor sich geht. Keine Sprünge, kein
rasches geniales Vorwärtsdrängen auf der eingeschlagenen Bahn, kein bril¬
lantes Hervortreten in glücklich ergriffenen Momenten, wo dann ein Schritt
plötzlich um zehn Schritte fördert. Die Verhältnisse, in die Scharnhorst ein¬
trat, waren dazu nicht angethan > und' die Natur des' Mannes auch nicht.
Aeußerlich unterschied sich sein Lebensgang' bis über sein fünfzigstes Jahr
hinaus kaum von dem eines Mannes, von tüchtiger, brauchbarer Mittel¬
mäßigkeit. Man weiß, wie ganz ähnlich nach den Wechselfällen seiner jungen
Jahre das Leben Gneisenau's verlief, des verspäteten Hauptmanns, den auch
erst das Jahr 1807 und ColbergM Ehren brachte. '

Mitten aus der Kernschicht ntedersächsischen Volksthums wächst Scharn¬
horst "der Bauernsohn", wie Arndt ihn preist, hervor. Sein Vater, ein
prächtiger Charakterkopf -- der stattliche, schöne Reitersmann, der. nachdem
er mit Ehre und Gewinn seine Jahre gedient, heimkehrt in sein Dorf, zu
dem väterlichen Pflug und Acker; der dann jahrelang vergebens wirbt, er
der kleine Bauer, um die Tochter des vornehmen Freisassen im Dorfe, bis
endlich der feste/ leidenschaftlich entschlossene Wille und die ultima ratio --



So namentlich die sehr interessanten .Briefe- Wallmodens vom-Juli 1794,'die ein bcdttit-
sames Licht auf die kaiserliche Kriegführung i" Belgien werfen und fiir> 'die bekannte Sybel-
Hiiffcr'sehe Controverse Beachtliua, verdienen (Kuppel it. S. 11,7 ff.)

eigentlich nur die Vorgeschichte Scharnhorst's bis zu dem Zeitpunkte, wo er
aus hannöverschen in preußische Dienste übergeht (1801), und bekanntlich
währte es auch dann noch eine Reihe von Jahren und es bedürfte der Kata¬
strophe von 1806, bis der stillwirkende, ernste Mann, der nach Clausewitz'
Ausdruck wohl edle Früchte still zeitigen, aber nicht wie Andere mit Blüthen
prangen konnte, in seinem ganzen Werth erkannt und an die rechte Stelle
gesetztz wurde. Der Schwerpunkt dieses ganzen Lebens liegt in den Jahren
von 1807 bis 1813, und so natürlich auch der der Biographie in den
Bänden, welche noch zu erwarten sind.

Aber gern und mit Genuß wird man immerhin auch sich in das Stu¬
dium der langen Vorbereitungsjahre vertiefen, aus denen „der deutschen
Freiheit Waffenschmidt" hervorging.

Und hierfür bietet das Buch von Klippe! reiche und zum Theil neue
Materialien. Die Ausbeute des Verfassers namentlich aus dem ihm zugäng¬
lich gemachten Archiv der Generaladjutantur zu Hannover gibt für die Zeit
von Scharnhorst's Thätigkeit als militärischer^ Lehrer und' als praktischer
Officier im Felde in Hannöverschen- Diensten eine Menge mente wesentlicher
Bereicherungen, und auch für die allgemeine Zeitgeschichte sind manche der
von ihm mitgetheilten Aktenstücke von bedeutendem Interesse*).

Ein Lebenslauf ist es, der>mit vollkommener Stetigkeit in einer ge¬
raden Linie und ganz mäßigen Schrittes vor sich geht. Keine Sprünge, kein
rasches geniales Vorwärtsdrängen auf der eingeschlagenen Bahn, kein bril¬
lantes Hervortreten in glücklich ergriffenen Momenten, wo dann ein Schritt
plötzlich um zehn Schritte fördert. Die Verhältnisse, in die Scharnhorst ein¬
trat, waren dazu nicht angethan > und' die Natur des' Mannes auch nicht.
Aeußerlich unterschied sich sein Lebensgang' bis über sein fünfzigstes Jahr
hinaus kaum von dem eines Mannes, von tüchtiger, brauchbarer Mittel¬
mäßigkeit. Man weiß, wie ganz ähnlich nach den Wechselfällen seiner jungen
Jahre das Leben Gneisenau's verlief, des verspäteten Hauptmanns, den auch
erst das Jahr 1807 und ColbergM Ehren brachte. '

Mitten aus der Kernschicht ntedersächsischen Volksthums wächst Scharn¬
horst „der Bauernsohn", wie Arndt ihn preist, hervor. Sein Vater, ein
prächtiger Charakterkopf — der stattliche, schöne Reitersmann, der. nachdem
er mit Ehre und Gewinn seine Jahre gedient, heimkehrt in sein Dorf, zu
dem väterlichen Pflug und Acker; der dann jahrelang vergebens wirbt, er
der kleine Bauer, um die Tochter des vornehmen Freisassen im Dorfe, bis
endlich der feste/ leidenschaftlich entschlossene Wille und die ultima ratio —



So namentlich die sehr interessanten .Briefe- Wallmodens vom-Juli 1794,'die ein bcdttit-
sames Licht auf die kaiserliche Kriegführung i» Belgien werfen und fiir> 'die bekannte Sybel-
Hiiffcr'sehe Controverse Beachtliua, verdienen (Kuppel it. S. 11,7 ff.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/250>, abgerufen am 29.06.2024.