Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dieser sich abfärben. Einer dieser geheimen Agenten war der junge
Graf Broglie, welchen Ludwig XV. auf des Prinzen Conti Rath mit der
Mission am Hose von Warschau betraute, eine Königswahl auf Conti zu
lenken, obschon August des III. Tochter des Dauphin Gemahlin war und die
officielle französische Politik seit 1733 von den polnischen Dingen, weil man
gegen Rußland nicht auszukommen vermochte, sich fern hielt und demgemäß
auch Broglie instruirte. Broglie geht nach Polen ab und es gelingt ihm auch
eine französische Partei zu bilden. Aber gar bald sieht er, wie ein so zwie¬
spältiger Austrag nicht durchzuführen ist, er entfernt sich von Conti, hält
ihn durch unannehmbare Vorschläge hin und lenkt in die Politik des Mi¬
nisteriums ein, dem er 17S4 eine Allianz Sachsens mit Frankreich und
Preußen vorschlägt. Das war gerade in dem Moment, wo die Verwickelungen
zwischen Frankreich und England in Amerika begannen, die sofort auf Eu¬
ropa zurückwirkend einen Kampf der Diplomatie um Bundesgenossen zumal
in Deutschland hervorriefen, bis dann die Verträge zu Westminster zwischen
Preußen und England, die von Versailles zwischen Oestreich und Frank¬
reich (Oestreich und Rußland waren seit 1747 durch den Petersburger Ver¬
trag gegen Preußen einig) dauernd die Gruppirung für den siebenjährigen
Krieg bestimmten, aus dem England als weltherrschende See- und Colonial-
machr, Preußen nach beispiellosem Heldenkampf gegen die europäischen und
deutschen verschworenen Mächte als neue Großmacht zum Heile Deutsch¬
lands hervorging.

Den Verlauf dieser diplomatischen Action wollen wir gemäß unseres
hohen Autors verfolgen, indem wir bitten, seinen Kreuz- und Winkelzügen,
seiner beispiellosen Ignoranz, seiner sophistischen Interpretation, die in echt
französischer Art nur von Rechten Frankreichs weiß, nicht von Pflichten,
mit Geduld zu folgen. Diese Herren verdienen ebensowenig wie die leiten¬
den Staatsmänner des heutigen Frankreich, daß man sich sittlich über sie
entrüstet, es ist genug, wenn man ihre Art durch die entgegenstehenden
Thatsachen brandmarkt. Schon nebenbei hatte der ehrenwerthe Autor die
Ansicht aufgestellt, Friedrich II. mit seinen Preußen habe nur als Hilfsmacht
an dem östreichischen Erbsolgeknege Theil genommen und doch allein Ge¬
winn daraus gezogen, eine Ansicht, die. wenn sie ein gehässiges Licht auf
Friedrich II. bei der Zranäs Ration werfen soll und sicher wirft, gewiß bei
dem nicht voreingenommenen Leser nur ein Gefühl der Bewunderung für
die Staats- und Kriegskunst erwecken kann, die durch stolze Initiative vor
allen betheiligten Mächten so große Erfolge gewann und sicherstellte. Ins
besondere aber läßt es sich der Autor angelegen sein, die bekannte Ansicht über
die diplomatischen Vorgänge, welche Preußen auf Englands Seite trieben,
und nach welcher gemäß der Darstellung in den bekannten Memoiren von


mit dieser sich abfärben. Einer dieser geheimen Agenten war der junge
Graf Broglie, welchen Ludwig XV. auf des Prinzen Conti Rath mit der
Mission am Hose von Warschau betraute, eine Königswahl auf Conti zu
lenken, obschon August des III. Tochter des Dauphin Gemahlin war und die
officielle französische Politik seit 1733 von den polnischen Dingen, weil man
gegen Rußland nicht auszukommen vermochte, sich fern hielt und demgemäß
auch Broglie instruirte. Broglie geht nach Polen ab und es gelingt ihm auch
eine französische Partei zu bilden. Aber gar bald sieht er, wie ein so zwie¬
spältiger Austrag nicht durchzuführen ist, er entfernt sich von Conti, hält
ihn durch unannehmbare Vorschläge hin und lenkt in die Politik des Mi¬
nisteriums ein, dem er 17S4 eine Allianz Sachsens mit Frankreich und
Preußen vorschlägt. Das war gerade in dem Moment, wo die Verwickelungen
zwischen Frankreich und England in Amerika begannen, die sofort auf Eu¬
ropa zurückwirkend einen Kampf der Diplomatie um Bundesgenossen zumal
in Deutschland hervorriefen, bis dann die Verträge zu Westminster zwischen
Preußen und England, die von Versailles zwischen Oestreich und Frank¬
reich (Oestreich und Rußland waren seit 1747 durch den Petersburger Ver¬
trag gegen Preußen einig) dauernd die Gruppirung für den siebenjährigen
Krieg bestimmten, aus dem England als weltherrschende See- und Colonial-
machr, Preußen nach beispiellosem Heldenkampf gegen die europäischen und
deutschen verschworenen Mächte als neue Großmacht zum Heile Deutsch¬
lands hervorging.

Den Verlauf dieser diplomatischen Action wollen wir gemäß unseres
hohen Autors verfolgen, indem wir bitten, seinen Kreuz- und Winkelzügen,
seiner beispiellosen Ignoranz, seiner sophistischen Interpretation, die in echt
französischer Art nur von Rechten Frankreichs weiß, nicht von Pflichten,
mit Geduld zu folgen. Diese Herren verdienen ebensowenig wie die leiten¬
den Staatsmänner des heutigen Frankreich, daß man sich sittlich über sie
entrüstet, es ist genug, wenn man ihre Art durch die entgegenstehenden
Thatsachen brandmarkt. Schon nebenbei hatte der ehrenwerthe Autor die
Ansicht aufgestellt, Friedrich II. mit seinen Preußen habe nur als Hilfsmacht
an dem östreichischen Erbsolgeknege Theil genommen und doch allein Ge¬
winn daraus gezogen, eine Ansicht, die. wenn sie ein gehässiges Licht auf
Friedrich II. bei der Zranäs Ration werfen soll und sicher wirft, gewiß bei
dem nicht voreingenommenen Leser nur ein Gefühl der Bewunderung für
die Staats- und Kriegskunst erwecken kann, die durch stolze Initiative vor
allen betheiligten Mächten so große Erfolge gewann und sicherstellte. Ins
besondere aber läßt es sich der Autor angelegen sein, die bekannte Ansicht über
die diplomatischen Vorgänge, welche Preußen auf Englands Seite trieben,
und nach welcher gemäß der Darstellung in den bekannten Memoiren von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124386"/>
          <p xml:id="ID_655" prev="#ID_654"> mit dieser sich abfärben. Einer dieser geheimen Agenten war der junge<lb/>
Graf Broglie, welchen Ludwig XV. auf des Prinzen Conti Rath mit der<lb/>
Mission am Hose von Warschau betraute, eine Königswahl auf Conti zu<lb/>
lenken, obschon August des III. Tochter des Dauphin Gemahlin war und die<lb/>
officielle französische Politik seit 1733 von den polnischen Dingen, weil man<lb/>
gegen Rußland nicht auszukommen vermochte, sich fern hielt und demgemäß<lb/>
auch Broglie instruirte. Broglie geht nach Polen ab und es gelingt ihm auch<lb/>
eine französische Partei zu bilden. Aber gar bald sieht er, wie ein so zwie¬<lb/>
spältiger Austrag nicht durchzuführen ist, er entfernt sich von Conti, hält<lb/>
ihn durch unannehmbare Vorschläge hin und lenkt in die Politik des Mi¬<lb/>
nisteriums ein, dem er 17S4 eine Allianz Sachsens mit Frankreich und<lb/>
Preußen vorschlägt. Das war gerade in dem Moment, wo die Verwickelungen<lb/>
zwischen Frankreich und England in Amerika begannen, die sofort auf Eu¬<lb/>
ropa zurückwirkend einen Kampf der Diplomatie um Bundesgenossen zumal<lb/>
in Deutschland hervorriefen, bis dann die Verträge zu Westminster zwischen<lb/>
Preußen und England, die von Versailles zwischen Oestreich und Frank¬<lb/>
reich (Oestreich und Rußland waren seit 1747 durch den Petersburger Ver¬<lb/>
trag gegen Preußen einig) dauernd die Gruppirung für den siebenjährigen<lb/>
Krieg bestimmten, aus dem England als weltherrschende See- und Colonial-<lb/>
machr, Preußen nach beispiellosem Heldenkampf gegen die europäischen und<lb/>
deutschen verschworenen Mächte als neue Großmacht zum Heile Deutsch¬<lb/>
lands hervorging.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_656" next="#ID_657"> Den Verlauf dieser diplomatischen Action wollen wir gemäß unseres<lb/>
hohen Autors verfolgen, indem wir bitten, seinen Kreuz- und Winkelzügen,<lb/>
seiner beispiellosen Ignoranz, seiner sophistischen Interpretation, die in echt<lb/>
französischer Art nur von Rechten Frankreichs weiß, nicht von Pflichten,<lb/>
mit Geduld zu folgen. Diese Herren verdienen ebensowenig wie die leiten¬<lb/>
den Staatsmänner des heutigen Frankreich, daß man sich sittlich über sie<lb/>
entrüstet, es ist genug, wenn man ihre Art durch die entgegenstehenden<lb/>
Thatsachen brandmarkt. Schon nebenbei hatte der ehrenwerthe Autor die<lb/>
Ansicht aufgestellt, Friedrich II. mit seinen Preußen habe nur als Hilfsmacht<lb/>
an dem östreichischen Erbsolgeknege Theil genommen und doch allein Ge¬<lb/>
winn daraus gezogen, eine Ansicht, die. wenn sie ein gehässiges Licht auf<lb/>
Friedrich II. bei der Zranäs Ration werfen soll und sicher wirft, gewiß bei<lb/>
dem nicht voreingenommenen Leser nur ein Gefühl der Bewunderung für<lb/>
die Staats- und Kriegskunst erwecken kann, die durch stolze Initiative vor<lb/>
allen betheiligten Mächten so große Erfolge gewann und sicherstellte. Ins<lb/>
besondere aber läßt es sich der Autor angelegen sein, die bekannte Ansicht über<lb/>
die diplomatischen Vorgänge, welche Preußen auf Englands Seite trieben,<lb/>
und nach welcher gemäß der Darstellung in den bekannten Memoiren von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0236] mit dieser sich abfärben. Einer dieser geheimen Agenten war der junge Graf Broglie, welchen Ludwig XV. auf des Prinzen Conti Rath mit der Mission am Hose von Warschau betraute, eine Königswahl auf Conti zu lenken, obschon August des III. Tochter des Dauphin Gemahlin war und die officielle französische Politik seit 1733 von den polnischen Dingen, weil man gegen Rußland nicht auszukommen vermochte, sich fern hielt und demgemäß auch Broglie instruirte. Broglie geht nach Polen ab und es gelingt ihm auch eine französische Partei zu bilden. Aber gar bald sieht er, wie ein so zwie¬ spältiger Austrag nicht durchzuführen ist, er entfernt sich von Conti, hält ihn durch unannehmbare Vorschläge hin und lenkt in die Politik des Mi¬ nisteriums ein, dem er 17S4 eine Allianz Sachsens mit Frankreich und Preußen vorschlägt. Das war gerade in dem Moment, wo die Verwickelungen zwischen Frankreich und England in Amerika begannen, die sofort auf Eu¬ ropa zurückwirkend einen Kampf der Diplomatie um Bundesgenossen zumal in Deutschland hervorriefen, bis dann die Verträge zu Westminster zwischen Preußen und England, die von Versailles zwischen Oestreich und Frank¬ reich (Oestreich und Rußland waren seit 1747 durch den Petersburger Ver¬ trag gegen Preußen einig) dauernd die Gruppirung für den siebenjährigen Krieg bestimmten, aus dem England als weltherrschende See- und Colonial- machr, Preußen nach beispiellosem Heldenkampf gegen die europäischen und deutschen verschworenen Mächte als neue Großmacht zum Heile Deutsch¬ lands hervorging. Den Verlauf dieser diplomatischen Action wollen wir gemäß unseres hohen Autors verfolgen, indem wir bitten, seinen Kreuz- und Winkelzügen, seiner beispiellosen Ignoranz, seiner sophistischen Interpretation, die in echt französischer Art nur von Rechten Frankreichs weiß, nicht von Pflichten, mit Geduld zu folgen. Diese Herren verdienen ebensowenig wie die leiten¬ den Staatsmänner des heutigen Frankreich, daß man sich sittlich über sie entrüstet, es ist genug, wenn man ihre Art durch die entgegenstehenden Thatsachen brandmarkt. Schon nebenbei hatte der ehrenwerthe Autor die Ansicht aufgestellt, Friedrich II. mit seinen Preußen habe nur als Hilfsmacht an dem östreichischen Erbsolgeknege Theil genommen und doch allein Ge¬ winn daraus gezogen, eine Ansicht, die. wenn sie ein gehässiges Licht auf Friedrich II. bei der Zranäs Ration werfen soll und sicher wirft, gewiß bei dem nicht voreingenommenen Leser nur ein Gefühl der Bewunderung für die Staats- und Kriegskunst erwecken kann, die durch stolze Initiative vor allen betheiligten Mächten so große Erfolge gewann und sicherstellte. Ins besondere aber läßt es sich der Autor angelegen sein, die bekannte Ansicht über die diplomatischen Vorgänge, welche Preußen auf Englands Seite trieben, und nach welcher gemäß der Darstellung in den bekannten Memoiren von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/236
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/236>, abgerufen am 05.07.2024.