Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.eine weitere Annäherung, die sich auch äußerlich durch Ernennung Döllingers Die That der Münchner historischen Schule wirkte nach allen Seiten eine weitere Annäherung, die sich auch äußerlich durch Ernennung Döllingers Die That der Münchner historischen Schule wirkte nach allen Seiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124142"/> <p xml:id="ID_1532" prev="#ID_1531"> eine weitere Annäherung, die sich auch äußerlich durch Ernennung Döllingers<lb/> zum Reichsrath documentirte, und die Verabredung eines gemeinsamen<lb/> Operationsplanes. So erschienen im Frühjahr 1869 die berühmten Artikel<lb/> der Allgemeinen Zeitung über das Concil, als deren Verfasser sich später der<lb/> Professor der Philosophie Dr. Huber bekannte, wenn auch die öffentliche<lb/> Meinung, und wohl mit Recht, sich es nicht hat nehmen lassen will, daß<lb/> der beste Theil daran Döllinger selbst zugehöre. Seine Ansichten über das<lb/> Papstthum sind sicherlich darin enthalten. Seit den Tagen des Flacius<lb/> Illyriens, dessen kritischem Genie es zuerst gelang, in seinen Magdeburger<lb/> Centurien jene Reihe von Fälschungen an das Tageslicht zu ziehen, welche<lb/> die Curie zur Begründung ihrer Prätensionen hatte vornehmen lassen, hat<lb/> kaum ein Buch das historische Papstthum mit mehr Muth und Erfolg an¬<lb/> gegriffen als der „Janus". Nicht nur die Jnfallibilität wird verworfen,<lb/> das ganze Papstthum, wie es seit dem Jahre 845 geworden, erscheint ihm<lb/> als ein „entstellender, krankhafter und athembeklemmender Auswuchs am<lb/> Organismus der Kirche", der am allerwenigsten die Krönung durch die<lb/> Unfehlbarkeits-Erklärung verdient. Später erschien die bekannte mit Namen<lb/> unterzeichnete Erklärung Döllingers in der Allgem. Zeitung, aus der seine<lb/> Uebereinstimmung mit den Ansichten des Janus hervorging.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> Die That der Münchner historischen Schule wirkte nach allen Seiten<lb/> belebend. Die Discussion in der Presse wurde angeregt und erhielt einen<lb/> festen wissenschaftlichen Beistands, und auch das Eis innerhalb des Clerus<lb/> ward gebrochen. Nur der Vorgang eines Mannes von der wissenschaftlichen<lb/> Bedeutung Döllingers konnte dissentirende Geistliche zur Kundgabe ihrer<lb/> Meinung ermuthigen und ihren Oberhirten gegenüber einigermaßen decken.<lb/> Es erfolgten zahlreiche Zustimmungen aus den Reihen des Clerus; der Ja¬<lb/> nus wurde in einer Fluth von Zeitungsartikeln und Brochüren angegriffen<lb/> und vertheidigt, und als Endergebniß des Streites stellte sich heraus, daß<lb/> ein beträchtlicher Theil des Clerus vorerst als Gegner der Unfehlbarkeit zu<lb/> betrachten sei. Mir doppelter Berechtigung konnte nun auch der Staat seine<lb/> Präventivmaßregeln ergreifen. Durch die allarmirende Circular-Depesche<lb/> des Fürsten Hohenlohe wurden die Resultate des Janus politisch verwerthet<lb/> und in die Regierungs- und diplomatischen Kreise eingeführt. Der bisherige<lb/> Gesandte Bayerns, ein unbedeutender der Curie ergebener Mann, erhielt seine<lb/> Abberufung und wurde durch Graf Taufkirchen, den talentvollsten Diplomaten,<lb/> über den die Regierung im Augenblick zu verfügen hatte, ersetzt. Sein Wir¬<lb/> ken in Rom wurde ein sehr einflußreiches, und wenn der durch die Vorgänge<lb/> im Concil gelieferte Stoff stets einer raschen und gründlichen Besprechung<lb/> in der Presse und Literatur entgegengeführt werden konnte, so ist dies nicht<lb/> zum geringsten Theil ein Verdienst der bayrischen Gesandtschaft.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
eine weitere Annäherung, die sich auch äußerlich durch Ernennung Döllingers
zum Reichsrath documentirte, und die Verabredung eines gemeinsamen
Operationsplanes. So erschienen im Frühjahr 1869 die berühmten Artikel
der Allgemeinen Zeitung über das Concil, als deren Verfasser sich später der
Professor der Philosophie Dr. Huber bekannte, wenn auch die öffentliche
Meinung, und wohl mit Recht, sich es nicht hat nehmen lassen will, daß
der beste Theil daran Döllinger selbst zugehöre. Seine Ansichten über das
Papstthum sind sicherlich darin enthalten. Seit den Tagen des Flacius
Illyriens, dessen kritischem Genie es zuerst gelang, in seinen Magdeburger
Centurien jene Reihe von Fälschungen an das Tageslicht zu ziehen, welche
die Curie zur Begründung ihrer Prätensionen hatte vornehmen lassen, hat
kaum ein Buch das historische Papstthum mit mehr Muth und Erfolg an¬
gegriffen als der „Janus". Nicht nur die Jnfallibilität wird verworfen,
das ganze Papstthum, wie es seit dem Jahre 845 geworden, erscheint ihm
als ein „entstellender, krankhafter und athembeklemmender Auswuchs am
Organismus der Kirche", der am allerwenigsten die Krönung durch die
Unfehlbarkeits-Erklärung verdient. Später erschien die bekannte mit Namen
unterzeichnete Erklärung Döllingers in der Allgem. Zeitung, aus der seine
Uebereinstimmung mit den Ansichten des Janus hervorging.
Die That der Münchner historischen Schule wirkte nach allen Seiten
belebend. Die Discussion in der Presse wurde angeregt und erhielt einen
festen wissenschaftlichen Beistands, und auch das Eis innerhalb des Clerus
ward gebrochen. Nur der Vorgang eines Mannes von der wissenschaftlichen
Bedeutung Döllingers konnte dissentirende Geistliche zur Kundgabe ihrer
Meinung ermuthigen und ihren Oberhirten gegenüber einigermaßen decken.
Es erfolgten zahlreiche Zustimmungen aus den Reihen des Clerus; der Ja¬
nus wurde in einer Fluth von Zeitungsartikeln und Brochüren angegriffen
und vertheidigt, und als Endergebniß des Streites stellte sich heraus, daß
ein beträchtlicher Theil des Clerus vorerst als Gegner der Unfehlbarkeit zu
betrachten sei. Mir doppelter Berechtigung konnte nun auch der Staat seine
Präventivmaßregeln ergreifen. Durch die allarmirende Circular-Depesche
des Fürsten Hohenlohe wurden die Resultate des Janus politisch verwerthet
und in die Regierungs- und diplomatischen Kreise eingeführt. Der bisherige
Gesandte Bayerns, ein unbedeutender der Curie ergebener Mann, erhielt seine
Abberufung und wurde durch Graf Taufkirchen, den talentvollsten Diplomaten,
über den die Regierung im Augenblick zu verfügen hatte, ersetzt. Sein Wir¬
ken in Rom wurde ein sehr einflußreiches, und wenn der durch die Vorgänge
im Concil gelieferte Stoff stets einer raschen und gründlichen Besprechung
in der Presse und Literatur entgegengeführt werden konnte, so ist dies nicht
zum geringsten Theil ein Verdienst der bayrischen Gesandtschaft.
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