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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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zu säubern, aus welchem die deutsche Partei ihre Arbeit mit besseren Aus¬
sichten als bisher beginnen kann.

Ohne eines allzugroßen Optimismus verdächtig zu werden, darf man
sagen, daß die deutsche Partei in Würtemberg ihre schwerste Zeit hinter sich
hat. Langsam aber sicher ist sie inmitten einer voreingenommenen Bevölke¬
rung und gegen mächtige verbündete Gegnerschaften emporgekommen. Im
ganzen Lande hat sie Wurzeln geschlagen, die nicht wieder auszureißen sind.
Sie ist zum festen Kern für einen ansehnlichen Bruchtheil des Volks gewor¬
den, der unter allen Umständen deutsch bleiben oder vielmehr deutsch werden
will. Und inmitten jenes aufreibenden Kampfes hat sich zugleich ihr politi¬
sches Programm immer bestimmter und schärfer herausgearbeitet. An ihrem
Schlachtruf: Eintritt in den norddeutschen Bund, hat sie freilich vom ersten
Tag an festgehalten, und man hat sich in Würtemberg niemals mit müßi¬
gen Bedenken über die nothwendigen Bedingungen gequält, von welchen
dieser Beitritt für die süddeutschen Staaten begleitet sein müßte. Aber wich¬
tig ist es, daß sie auf der Landesversammlung am Ostermontag unbekümmert
um Popularitätsrücksichten in der heute brennendsten Frage, in der Militär-
frage, tapfer ihre Stellung genommen hat. Die Forderung, die sie aufzu¬
stellen hatte, schmeckte für eine Bevölkerung nicht angenehm, in der so eben
die Volkspartei den lockenden Appell an den Geldbeutel durch Stadt und
Dorf trug. Dennoch hat die deutsche Partei es nicht zu bedauern, daß sie
sich in diesem Punkt streng an die Wahrheit hielt. Nicht der geringste
Widerspruch wurde laut, als jene Versammlung nach Römer's beredter Mo-
tivirung es aussprach, daß die Ebenbürtigkeit der eigenen Leistungen mit denen
Norddeutschlands der oberste Gesichtspunkt sein müsse, und daß von Erspar¬
nissen nur innerhalb dieser Grenze die Rede sein könne. Darin lag unzweifel¬
haft ein Fortschritt. Frühere Kundgebungen auch der nationalen Partei
hatten in der Regel eine verschämte Clausel enthalten, daß die Lasten aller¬
dings übermäßig hoch seien, hoffentlich nur vorübergehend sein werden, eine
allgemeine Abrüstung höchst wünschenswert!) wäre, lauter Restrictionen und
wohlfeile Vertröstungen, die man mit Recht diesmal gänzlich bei Seite ließ.
Noch vor einem Jahr drohte ein gewisses Schwanken in der Militärfrage
auch unter den Nationalgesinnten der drei süddeutschen Länder einzureihen.
Man sagte damals ungefähr Folgendes: "Allerdings haben wir für das Zu¬
standekommen der neuen Kriegsverfassung gewirkt und dem Lande die grö¬
ßeren Lasten aufbürden helfen; aber wir thaten dies in der Voraussetzung,
daß unter dem Schutz eines starken gesammtdeutschen Heeres die deutsche Eini¬
gung in Bälde sich vollenden werde. Anders jedoch, wenn die Einigung
gleichwohl in eine unabsehbare Zukunft gerückt wird. Bleiben die süddeutschen
Staaten in ihrer bisherigen Souveränetätsstellung, so können wir auch dem


zu säubern, aus welchem die deutsche Partei ihre Arbeit mit besseren Aus¬
sichten als bisher beginnen kann.

Ohne eines allzugroßen Optimismus verdächtig zu werden, darf man
sagen, daß die deutsche Partei in Würtemberg ihre schwerste Zeit hinter sich
hat. Langsam aber sicher ist sie inmitten einer voreingenommenen Bevölke¬
rung und gegen mächtige verbündete Gegnerschaften emporgekommen. Im
ganzen Lande hat sie Wurzeln geschlagen, die nicht wieder auszureißen sind.
Sie ist zum festen Kern für einen ansehnlichen Bruchtheil des Volks gewor¬
den, der unter allen Umständen deutsch bleiben oder vielmehr deutsch werden
will. Und inmitten jenes aufreibenden Kampfes hat sich zugleich ihr politi¬
sches Programm immer bestimmter und schärfer herausgearbeitet. An ihrem
Schlachtruf: Eintritt in den norddeutschen Bund, hat sie freilich vom ersten
Tag an festgehalten, und man hat sich in Würtemberg niemals mit müßi¬
gen Bedenken über die nothwendigen Bedingungen gequält, von welchen
dieser Beitritt für die süddeutschen Staaten begleitet sein müßte. Aber wich¬
tig ist es, daß sie auf der Landesversammlung am Ostermontag unbekümmert
um Popularitätsrücksichten in der heute brennendsten Frage, in der Militär-
frage, tapfer ihre Stellung genommen hat. Die Forderung, die sie aufzu¬
stellen hatte, schmeckte für eine Bevölkerung nicht angenehm, in der so eben
die Volkspartei den lockenden Appell an den Geldbeutel durch Stadt und
Dorf trug. Dennoch hat die deutsche Partei es nicht zu bedauern, daß sie
sich in diesem Punkt streng an die Wahrheit hielt. Nicht der geringste
Widerspruch wurde laut, als jene Versammlung nach Römer's beredter Mo-
tivirung es aussprach, daß die Ebenbürtigkeit der eigenen Leistungen mit denen
Norddeutschlands der oberste Gesichtspunkt sein müsse, und daß von Erspar¬
nissen nur innerhalb dieser Grenze die Rede sein könne. Darin lag unzweifel¬
haft ein Fortschritt. Frühere Kundgebungen auch der nationalen Partei
hatten in der Regel eine verschämte Clausel enthalten, daß die Lasten aller¬
dings übermäßig hoch seien, hoffentlich nur vorübergehend sein werden, eine
allgemeine Abrüstung höchst wünschenswert!) wäre, lauter Restrictionen und
wohlfeile Vertröstungen, die man mit Recht diesmal gänzlich bei Seite ließ.
Noch vor einem Jahr drohte ein gewisses Schwanken in der Militärfrage
auch unter den Nationalgesinnten der drei süddeutschen Länder einzureihen.
Man sagte damals ungefähr Folgendes: „Allerdings haben wir für das Zu¬
standekommen der neuen Kriegsverfassung gewirkt und dem Lande die grö¬
ßeren Lasten aufbürden helfen; aber wir thaten dies in der Voraussetzung,
daß unter dem Schutz eines starken gesammtdeutschen Heeres die deutsche Eini¬
gung in Bälde sich vollenden werde. Anders jedoch, wenn die Einigung
gleichwohl in eine unabsehbare Zukunft gerückt wird. Bleiben die süddeutschen
Staaten in ihrer bisherigen Souveränetätsstellung, so können wir auch dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/512>, abgerufen am 01.09.2024.