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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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wegen Theilnahme an einem Raubmorde zu vieljährigem Kerker verurtheilt
worden. Im Kerker hatte er Settembrini, Spaventa und andere Liberale, die
wegen politischer Vergehen saßen, zu Genossen. Sie erbarmten sich des jungen
Räubers, lehrten ihn lesen und schreiben und brachten ihm die Umgangs"
formen gebildeter Classen bei. Pugliese wurde nach einiger Zeit in den Kerker
von Palermo versetzt. Aus diesem entfloh er im December 1866, gab sich
für. einen alten Garibaldicmer aus, leistete in der Umgebung von Palermo
Dienste als Schulmeister und übernahm später die Aufsicht über ein Land¬
gut. Aus diesem Dienste verjagt, weil er an dem Weibe eines Arbeiters
Nothzucht begangen, schloß er sich an diese Deserteure und Vagabunden, welche
den Gerichten entflohen waren, an, gewann über die allmälig vergrößerte
Bande die Herrschaft und wurde zwei Jahre lang (1863 bis 1865) der
Schrecken des Bezirks von Lercara. Zahllose Dtebstähle und Raubanfälle
vollführte die Bande, begüterte Männer wurden in das Gebirge geschleppt
und nur gegen hohes Lösegeld freigegeben. Auch Mord und Todtschlag blie¬
ben Pugliese nicht fern, der Flecken S. Giovanni de Cammerata wurde von
der dreißig Mann starken Bande förmlich nach Regeln der Kriegskunst be¬
lagert und eingenommen, dann, nachdem alle Einwohner sich versteckt und
verkrochen, die wohlhabendsten Familien des Orts ausgeraubt und kannabalisch
abgeschlachtet. Bei diesem Zuge begleitete ein Priester und ein reicher Guts-
. besitzer Namens Valenza den Räuberhauptmann, der in dem Bezirke, wo er
raubte und stahl. Freunde und Verehrer besaß, beinahe zu den Notablen
zählte. Der Staatsanwalt machte in seiner Rede von Don Peppino folgende
Schilderung: "Don Peppino war am Tische der Barone willkommen und
auf der Jagd ein gern gesehener Genosse von Cavalieren. Er dutzte diese
und sie fanden sich geehrt, daß Peppino ihre Vergnügungen, ihre Liebeleien
theile. Den Stgnor Marchese nannten sie ihn, mit dem Schmeichelnamen
caxitano Äslla mollta-su",, eavaliere asi eavalieri belegten sie ihn. Er erhielt
Händedrücke und genoß Gunstbezeugungen, um welche viele ehrenwerthe
Männer vergeblich sich bemühen." Nicht falscher romantischer Geschmack,
nur persönliche Furcht war es, welche Valenza und andere Galantuomint
zu Freunden des Räubers machte. Wenn sie Peppino ihre Verachtung zeig,
ten, wie leicht konnte dieser sich nicht an ihren Feldern und Heerden rächen,
standen sie dagegen mit ihm auf gutem Fuße, so waren sie gegen Diebstahl
und Mißhandlung gesichert. Zog doch aus diesem Grunde der Marchese
Gabrieli, selbst nachdem die Bande aufgehoben. Peppino vor Gericht gestellt
war, es vor, die ihm widerfahrene Behandlung, Sequestrirung seiner Person,
Bezahlung eines Lösegeldes abzuleugnen, obgleich die That von den Räubern
eingestanden war! -- Könnte man aus dem Charakter der Süditaliener die
Furcht, die allmächtige paura treiben, die Wiedergeburt des Volkes würde


wegen Theilnahme an einem Raubmorde zu vieljährigem Kerker verurtheilt
worden. Im Kerker hatte er Settembrini, Spaventa und andere Liberale, die
wegen politischer Vergehen saßen, zu Genossen. Sie erbarmten sich des jungen
Räubers, lehrten ihn lesen und schreiben und brachten ihm die Umgangs«
formen gebildeter Classen bei. Pugliese wurde nach einiger Zeit in den Kerker
von Palermo versetzt. Aus diesem entfloh er im December 1866, gab sich
für. einen alten Garibaldicmer aus, leistete in der Umgebung von Palermo
Dienste als Schulmeister und übernahm später die Aufsicht über ein Land¬
gut. Aus diesem Dienste verjagt, weil er an dem Weibe eines Arbeiters
Nothzucht begangen, schloß er sich an diese Deserteure und Vagabunden, welche
den Gerichten entflohen waren, an, gewann über die allmälig vergrößerte
Bande die Herrschaft und wurde zwei Jahre lang (1863 bis 1865) der
Schrecken des Bezirks von Lercara. Zahllose Dtebstähle und Raubanfälle
vollführte die Bande, begüterte Männer wurden in das Gebirge geschleppt
und nur gegen hohes Lösegeld freigegeben. Auch Mord und Todtschlag blie¬
ben Pugliese nicht fern, der Flecken S. Giovanni de Cammerata wurde von
der dreißig Mann starken Bande förmlich nach Regeln der Kriegskunst be¬
lagert und eingenommen, dann, nachdem alle Einwohner sich versteckt und
verkrochen, die wohlhabendsten Familien des Orts ausgeraubt und kannabalisch
abgeschlachtet. Bei diesem Zuge begleitete ein Priester und ein reicher Guts-
. besitzer Namens Valenza den Räuberhauptmann, der in dem Bezirke, wo er
raubte und stahl. Freunde und Verehrer besaß, beinahe zu den Notablen
zählte. Der Staatsanwalt machte in seiner Rede von Don Peppino folgende
Schilderung: „Don Peppino war am Tische der Barone willkommen und
auf der Jagd ein gern gesehener Genosse von Cavalieren. Er dutzte diese
und sie fanden sich geehrt, daß Peppino ihre Vergnügungen, ihre Liebeleien
theile. Den Stgnor Marchese nannten sie ihn, mit dem Schmeichelnamen
caxitano Äslla mollta-su«,, eavaliere asi eavalieri belegten sie ihn. Er erhielt
Händedrücke und genoß Gunstbezeugungen, um welche viele ehrenwerthe
Männer vergeblich sich bemühen." Nicht falscher romantischer Geschmack,
nur persönliche Furcht war es, welche Valenza und andere Galantuomint
zu Freunden des Räubers machte. Wenn sie Peppino ihre Verachtung zeig,
ten, wie leicht konnte dieser sich nicht an ihren Feldern und Heerden rächen,
standen sie dagegen mit ihm auf gutem Fuße, so waren sie gegen Diebstahl
und Mißhandlung gesichert. Zog doch aus diesem Grunde der Marchese
Gabrieli, selbst nachdem die Bande aufgehoben. Peppino vor Gericht gestellt
war, es vor, die ihm widerfahrene Behandlung, Sequestrirung seiner Person,
Bezahlung eines Lösegeldes abzuleugnen, obgleich die That von den Räubern
eingestanden war! — Könnte man aus dem Charakter der Süditaliener die
Furcht, die allmächtige paura treiben, die Wiedergeburt des Volkes würde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/498>, abgerufen am 18.12.2024.