Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.Landtage, wie wir im Anschluß an den sonst üblichen Sprachgebrauch statt Landtage, wie wir im Anschluß an den sonst üblichen Sprachgebrauch statt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124103"/> <p xml:id="ID_1434" prev="#ID_1433" next="#ID_1435"> Landtage, wie wir im Anschluß an den sonst üblichen Sprachgebrauch statt<lb/> Vertretung sagen, ausgeschrieben und vollzogen wurden, daß aber von einer<lb/> rechtzeitigen Einberufung der neuen Stände nicht nur keine Rede war, son¬<lb/> dern die Aussetzung derselben nicht einmal mit einem Worte angekündigt oder<lb/> gar motivirt wurde. Wahrscheinlich ist der Grund der verzögerten Ein¬<lb/> berufung des Landtags darin zu suchen, daß die Bevölkerung des Fürsten-<lb/> thums fortfuhr, den Bundesrath über die Verfassungsverhältnisse des Landes<lb/> zu sollicitiren. um eine Revision der octroyirten s. g. Verfassung vom 6. Nov.<lb/> v. I. zu bewirken. Es ist aus den Tagesblättern bekannt, daß der Bundes¬<lb/> rath sich nicht veranlaßt gefunden hat, die vom Advocaten Kindler-Schön¬<lb/> berg formulirten Beschwerden der Ratzeburger anzuerkennen und abzustellen.<lb/> Er beruhigte sich vielmehr bei einigen loyalen Erklärungen der Strelitzer Re¬<lb/> gierung: „es werde nicht beabsichtigt — heißt es u. a. — von dem auf die<lb/> Gesetzgebung für das ganze Großherzogthum sich beziehenden Vorbehalt an¬<lb/> dern Gebrauch zu machen als dies dem andern, mit Verfassung versehenen<lb/> Theile des Landes gegenüber geschehe; daß also, soweit irgend thunlich, vor<lb/> Emanirung von Gesetzen, welche das ganze Großherzogthum befassen sollen,<lb/> zuvor das „rathsame Erachten" der Vertreter des Fürstenthums erfor-<lb/> dert werden würde" — eine Erklärung, die mehr noch den „Besten, Lieben.<lb/> Getreuen und Besonderen" (wie die Stände in stargardischen Kreisen officiell<lb/> titultrt worden) nachzudenken Anlaß haben mögen, als die Ratzeburger Ver-<lb/> treter. Denn letztere wollen in ihrer Majorität bis heute überhaupt nichts<lb/> von der Verfassung, deren Vorbehalten. Clauseln und darauf bezüglichen Er¬<lb/> klärungen wissen. Das haben sie in unzweideutigster Weise zu erkennen ge¬<lb/> geben, nachdem endlich die Einberufung des Landtags auf den Z.0. Juni er¬<lb/> folgt war. Namens der großherzoglichen (rsetius fürstlichen) Landvogtei<lb/> hatte der Graf von Epheu sich erlaubt, dem Einberufungsschreiben die ver¬<lb/> fassungsmäßig nicht gerechtfertigte Clausel hinzuzufügen, „Stände hätten<lb/> im Falle ihres Ausbleibens dasselbe anzuzeigen." Diese Anzeige ist in einer<lb/> Weise erfolgt, welche der Regierung die Augen darüber öffnen muß. was<lb/> die Ratzeburger von ihrem Verfassungsexperiment halten. Wenige Tage<lb/> vor dem Eröffnungstermin unterzeichneten sämmtliche Vertreter der vier<lb/> großen Vogteien. d. h. von 21 überhaupt berufenen Ständemitgliedern acht<lb/> Bauern und außerdem die beiden bürgerschaftlichen Repräsentanten der Stadt<lb/> Schönberg das folgende Schreiben an den Vorsitzenden, den Oberlanddrosten<lb/> Grafen von Epheu: „Hochverehrtester Herr Graf! Unser Ausbleiben bei der<lb/> auf den 10, d. M. angesetzten Versammlung erlauben wir uns hierdurch<lb/> anzuzeigen und hoffen es durch das folgende rechtfertigen zu können: 1) Durch<lb/> die Allerhöchste Verordnung vom 6. November 1869 scheint uns keine Lan¬<lb/> de s Vertretung eingeführt zu sein, die doch schon dem hohen Bundesrathe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Landtage, wie wir im Anschluß an den sonst üblichen Sprachgebrauch statt
Vertretung sagen, ausgeschrieben und vollzogen wurden, daß aber von einer
rechtzeitigen Einberufung der neuen Stände nicht nur keine Rede war, son¬
dern die Aussetzung derselben nicht einmal mit einem Worte angekündigt oder
gar motivirt wurde. Wahrscheinlich ist der Grund der verzögerten Ein¬
berufung des Landtags darin zu suchen, daß die Bevölkerung des Fürsten-
thums fortfuhr, den Bundesrath über die Verfassungsverhältnisse des Landes
zu sollicitiren. um eine Revision der octroyirten s. g. Verfassung vom 6. Nov.
v. I. zu bewirken. Es ist aus den Tagesblättern bekannt, daß der Bundes¬
rath sich nicht veranlaßt gefunden hat, die vom Advocaten Kindler-Schön¬
berg formulirten Beschwerden der Ratzeburger anzuerkennen und abzustellen.
Er beruhigte sich vielmehr bei einigen loyalen Erklärungen der Strelitzer Re¬
gierung: „es werde nicht beabsichtigt — heißt es u. a. — von dem auf die
Gesetzgebung für das ganze Großherzogthum sich beziehenden Vorbehalt an¬
dern Gebrauch zu machen als dies dem andern, mit Verfassung versehenen
Theile des Landes gegenüber geschehe; daß also, soweit irgend thunlich, vor
Emanirung von Gesetzen, welche das ganze Großherzogthum befassen sollen,
zuvor das „rathsame Erachten" der Vertreter des Fürstenthums erfor-
dert werden würde" — eine Erklärung, die mehr noch den „Besten, Lieben.
Getreuen und Besonderen" (wie die Stände in stargardischen Kreisen officiell
titultrt worden) nachzudenken Anlaß haben mögen, als die Ratzeburger Ver-
treter. Denn letztere wollen in ihrer Majorität bis heute überhaupt nichts
von der Verfassung, deren Vorbehalten. Clauseln und darauf bezüglichen Er¬
klärungen wissen. Das haben sie in unzweideutigster Weise zu erkennen ge¬
geben, nachdem endlich die Einberufung des Landtags auf den Z.0. Juni er¬
folgt war. Namens der großherzoglichen (rsetius fürstlichen) Landvogtei
hatte der Graf von Epheu sich erlaubt, dem Einberufungsschreiben die ver¬
fassungsmäßig nicht gerechtfertigte Clausel hinzuzufügen, „Stände hätten
im Falle ihres Ausbleibens dasselbe anzuzeigen." Diese Anzeige ist in einer
Weise erfolgt, welche der Regierung die Augen darüber öffnen muß. was
die Ratzeburger von ihrem Verfassungsexperiment halten. Wenige Tage
vor dem Eröffnungstermin unterzeichneten sämmtliche Vertreter der vier
großen Vogteien. d. h. von 21 überhaupt berufenen Ständemitgliedern acht
Bauern und außerdem die beiden bürgerschaftlichen Repräsentanten der Stadt
Schönberg das folgende Schreiben an den Vorsitzenden, den Oberlanddrosten
Grafen von Epheu: „Hochverehrtester Herr Graf! Unser Ausbleiben bei der
auf den 10, d. M. angesetzten Versammlung erlauben wir uns hierdurch
anzuzeigen und hoffen es durch das folgende rechtfertigen zu können: 1) Durch
die Allerhöchste Verordnung vom 6. November 1869 scheint uns keine Lan¬
de s Vertretung eingeführt zu sein, die doch schon dem hohen Bundesrathe
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