Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.den sonst überfüllten Quartetten merklichen Abbruch. Hellmesberger hatte Das Heer der Virtuosen-Concerte, die jeden disponibeln Abend in Be¬ 58 *
den sonst überfüllten Quartetten merklichen Abbruch. Hellmesberger hatte Das Heer der Virtuosen-Concerte, die jeden disponibeln Abend in Be¬ 58 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0465" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124085"/> <p xml:id="ID_1388" prev="#ID_1387"> den sonst überfüllten Quartetten merklichen Abbruch. Hellmesberger hatte<lb/> diesen Winter seine gewöhnlichen acht Quartettabende auf fünf reducirt, in<lb/> denen Beethoven 6 mal, alle übrigen Componisten je einmal vertreten waren.<lb/> Neues brachten diese, seit dem Jahre 1830 bestehenden Abende diesmal nicht.<lb/> Grün, zweiter Concertmeister am Operntheater, zeigte sich mit seinen vier<lb/> Quartett-Soireen der doppelten Concurrenz nicht gewachsen und mußte die<lb/> zwei letzten um einige Monate verschieben. Sein gut gewähltes Programm<lb/> schloß mit Beethoven's vis-moll-Quartett ox. 131. Johann Brahms, der<lb/> wohl unter uns lebt, aber diesen Winter nur selten hervortrat, spielte am<lb/> letzten Abend mit Beifall sein Clavierquartett 6-moI1 ox. 23.</p><lb/> <p xml:id="ID_1389" next="#ID_1390"> Das Heer der Virtuosen-Concerte, die jeden disponibeln Abend in Be¬<lb/> schlag nahmen, schien dieses Jahr kein Ende nehmen zu wollen. Wenn auch<lb/> bei den Meisten der Name vorübergehend genannt wurde — einen pecuniären<lb/> Gewinn werden die Wenigsten davongetragen haben. Manchen war es auch<lb/> nur darum zu thun, durch ihr Auftreten einen Geleitbrief zur Reise in die<lb/> Provinzen oder in fernere Länder zu erlangen; dies gilt namentlich von den<lb/> Pianistinnen. Ganz anders bei Frau Clara Schumann, die ihrem über¬<lb/> füllten dritten und letzten Concert noch ein Abschiedsconcert zugeben mußte,<lb/> dasselbe, womit sie den neuen kleineren Musikvereinssaal einweihte. Ihr stets<lb/> edel gehaltenes Spiel ist bekannt; diesmal hatte sie die Liebeslieder von<lb/> Brahms (zu 4 Singst, mit 4hdg. Clavierbegl.) zugegeben, welche entschieden<lb/> gefielen. Schade, daß Wien nicht Gelegenheit hatte, die vortreffliche Künst¬<lb/> lerin ein großes Werk mit Orchester vortragen zu hören, was sich leider die<lb/> Philharmoniker entgehen ließen. Frau Auguste Auspitz-Kolar hat sich<lb/> hier bereits einen Kreis von Kunstfreunden gesichert und konnte auf ein gut<lb/> besuchtes Concert rechnen, in dem sie u. A. Schumann's Kreisleriana sehr<lb/> verdienstlich spielte. Sie ist im Augenblick in London, wo sie mit Beifall<lb/> in den ersten Vereinen auftritt. Ein Fräulein Jeanette Stern aus Odessa<lb/> zeigte sich in zwei Concerten als tüchtige Pianistin, die Beethoven, Schumann<lb/> und auch Bach und Händel zu spielen versteht. Die 14jährige Pianistin<lb/> Laura Kahrer gab, kaum dem hiesigen Conservatorium entwachsen, ihr erstes<lb/> Concert, um sogleich eine Tour durch Deutschland anzutreten. Dieses Kind<lb/> hat die Poesie mit dem Weihekuß begnadigt; es wäre höchst beklagenswert!),<lb/> wenn dasselbe voreilig dem eiteln Concertjammer geopfert würde, noch ehe<lb/> die Knospe Zeit gehabt, sich völlig zu entfalten. — Die Pianistinnen Her¬<lb/> mine Stadler, Pauline Fichtner, Gabriele Jost, bereits bekannte<lb/> Namen, und Olga Florian verdienen schon deshalb genannt zu werden,<lb/> weil sie das Opfer einer Orchesterbegleitung nicht scheuten. — Unter den<lb/> Pianisten ragte Anton Rubinstein um eines Hauptes Länge hervor.<lb/> Gleich sein erstes Concert füllte den großen neuen Concertsaal, was nur</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 58 *</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0465]
den sonst überfüllten Quartetten merklichen Abbruch. Hellmesberger hatte
diesen Winter seine gewöhnlichen acht Quartettabende auf fünf reducirt, in
denen Beethoven 6 mal, alle übrigen Componisten je einmal vertreten waren.
Neues brachten diese, seit dem Jahre 1830 bestehenden Abende diesmal nicht.
Grün, zweiter Concertmeister am Operntheater, zeigte sich mit seinen vier
Quartett-Soireen der doppelten Concurrenz nicht gewachsen und mußte die
zwei letzten um einige Monate verschieben. Sein gut gewähltes Programm
schloß mit Beethoven's vis-moll-Quartett ox. 131. Johann Brahms, der
wohl unter uns lebt, aber diesen Winter nur selten hervortrat, spielte am
letzten Abend mit Beifall sein Clavierquartett 6-moI1 ox. 23.
Das Heer der Virtuosen-Concerte, die jeden disponibeln Abend in Be¬
schlag nahmen, schien dieses Jahr kein Ende nehmen zu wollen. Wenn auch
bei den Meisten der Name vorübergehend genannt wurde — einen pecuniären
Gewinn werden die Wenigsten davongetragen haben. Manchen war es auch
nur darum zu thun, durch ihr Auftreten einen Geleitbrief zur Reise in die
Provinzen oder in fernere Länder zu erlangen; dies gilt namentlich von den
Pianistinnen. Ganz anders bei Frau Clara Schumann, die ihrem über¬
füllten dritten und letzten Concert noch ein Abschiedsconcert zugeben mußte,
dasselbe, womit sie den neuen kleineren Musikvereinssaal einweihte. Ihr stets
edel gehaltenes Spiel ist bekannt; diesmal hatte sie die Liebeslieder von
Brahms (zu 4 Singst, mit 4hdg. Clavierbegl.) zugegeben, welche entschieden
gefielen. Schade, daß Wien nicht Gelegenheit hatte, die vortreffliche Künst¬
lerin ein großes Werk mit Orchester vortragen zu hören, was sich leider die
Philharmoniker entgehen ließen. Frau Auguste Auspitz-Kolar hat sich
hier bereits einen Kreis von Kunstfreunden gesichert und konnte auf ein gut
besuchtes Concert rechnen, in dem sie u. A. Schumann's Kreisleriana sehr
verdienstlich spielte. Sie ist im Augenblick in London, wo sie mit Beifall
in den ersten Vereinen auftritt. Ein Fräulein Jeanette Stern aus Odessa
zeigte sich in zwei Concerten als tüchtige Pianistin, die Beethoven, Schumann
und auch Bach und Händel zu spielen versteht. Die 14jährige Pianistin
Laura Kahrer gab, kaum dem hiesigen Conservatorium entwachsen, ihr erstes
Concert, um sogleich eine Tour durch Deutschland anzutreten. Dieses Kind
hat die Poesie mit dem Weihekuß begnadigt; es wäre höchst beklagenswert!),
wenn dasselbe voreilig dem eiteln Concertjammer geopfert würde, noch ehe
die Knospe Zeit gehabt, sich völlig zu entfalten. — Die Pianistinnen Her¬
mine Stadler, Pauline Fichtner, Gabriele Jost, bereits bekannte
Namen, und Olga Florian verdienen schon deshalb genannt zu werden,
weil sie das Opfer einer Orchesterbegleitung nicht scheuten. — Unter den
Pianisten ragte Anton Rubinstein um eines Hauptes Länge hervor.
Gleich sein erstes Concert füllte den großen neuen Concertsaal, was nur
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