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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Rechte definitiv übertragen werden. Sonst bleibt es eine Reform von sehr
mechanischer Bedeutung, aus zwei oder drei Bezirksregierungen eine
Provwzialregierung zusammen zu schmelzen, und diese "Ober-Präsidium" zu
nennen. Die Beseitigung administrativer Zwischeninstanzen, aus welche der
Verfasser einen für die organische Reform durchaus zu starken Nachdruck legt,
könnte verwirklicht werden ohne jede andere Wirkung, als die einer gesteigerten
Centralisation und Vermehrung des bureaukratischen Schreibwerks. Die
Preußischen Bezirksregierungen, wie sie durch die Verordnungen vom 26. De¬
zember 1808. 20. April 1815 und 23. October 1817 aus den Kriegs- und
Domänenkammern gebildet worden sind, haben zum guten Theil eine eigent¬
lich natürlichere, mehr geschichtliche und particularstaatliche Basis, wie die
mit ihnen zugleich organisirten zehn, später acht Provinzen. Die provinzielle
Einheit der Mark, Preußens. Sachsens. Westfalens, der Rheinlande ist
eine willkürlich erst in diesem Jahrhundert gewordene. Daß die Ober-
Präsidenten sich zwischen die Regierungen und die (Zentralbehörden hinein¬
geschoben haben, datirt entschieden erst seit der Kabinets-Ordre und Instruk¬
tion vom 31. December 1825, und ist durch die konstitutionelle Zeit in ganz
erschreckender Weise gesteigert worden. Im Geiste der Regenerationsgesetz¬
gebung lag es unbedingt nicht. Nach Sinn und Wortlaut jener Verord¬
nungen vom Jahre 1808. 1815. 1817 sollten die Ober-Präsidenten in sehr
Weise abgewogener Competenz mehr eine repräsentative, den provinziellen
Zusammenhang schützende Stellung einnehmen, als irgendwie einen die selbst¬
ständige Thätigkeit der Regierungscollegien beherrschenden Einfluß ausüben.
I" es drängt sich einem beim aufmerksamen Studium der Reformgedanken
jener großen Zeit nicht selten die Vermuthung auf, die Regeneratoren unseres
Staatswesens hätten ihre Ober-Präsidenten nicht eigentlich als eine dauernde
staatliche Institution, vielmehr als vorübergehende Stützen zur Kräftigung
der jungen Neubildungen gewollt. Daß heute selbst ein so unbefangener,
freisinnigrr. der Selbstverwaltung zugeneigter Reformer, wie unser Verfasser,
ihrer nicht mehr entbehren zu können glaubt, sondern in ihrer centralisirteren
Zusammenwerfung mit den Regierungscollegien das Heil findet, ist charakte¬
ristisch für die Richtungen unserer Lage. Anknüpfen kann man an die
preußischen Ober-Präsidenten freilich viel und vielerlei: sie ließen sich eben¬
so gut zu Präfekten mit ihren Präfekturräthen umbilden, wie zu Sheriffs
oder Lord-Lteutenants. Alles hängt davon ab, wie wir uns in einem Grund¬
statut der Zukunft die Grenzen nicht dieser oder jener staatlichen Admini¬
strativbehörde, sondern aller und jeder staatlichen Verwaltung und Beauf¬
sichtigung gesteckt denken.

Und hiervon wird auch wesentlich der Grundcharaktea des deutschen
Parlamentarismus der Zukunft abhängig werden, über welchen sich unsere


Rechte definitiv übertragen werden. Sonst bleibt es eine Reform von sehr
mechanischer Bedeutung, aus zwei oder drei Bezirksregierungen eine
Provwzialregierung zusammen zu schmelzen, und diese „Ober-Präsidium" zu
nennen. Die Beseitigung administrativer Zwischeninstanzen, aus welche der
Verfasser einen für die organische Reform durchaus zu starken Nachdruck legt,
könnte verwirklicht werden ohne jede andere Wirkung, als die einer gesteigerten
Centralisation und Vermehrung des bureaukratischen Schreibwerks. Die
Preußischen Bezirksregierungen, wie sie durch die Verordnungen vom 26. De¬
zember 1808. 20. April 1815 und 23. October 1817 aus den Kriegs- und
Domänenkammern gebildet worden sind, haben zum guten Theil eine eigent¬
lich natürlichere, mehr geschichtliche und particularstaatliche Basis, wie die
mit ihnen zugleich organisirten zehn, später acht Provinzen. Die provinzielle
Einheit der Mark, Preußens. Sachsens. Westfalens, der Rheinlande ist
eine willkürlich erst in diesem Jahrhundert gewordene. Daß die Ober-
Präsidenten sich zwischen die Regierungen und die (Zentralbehörden hinein¬
geschoben haben, datirt entschieden erst seit der Kabinets-Ordre und Instruk¬
tion vom 31. December 1825, und ist durch die konstitutionelle Zeit in ganz
erschreckender Weise gesteigert worden. Im Geiste der Regenerationsgesetz¬
gebung lag es unbedingt nicht. Nach Sinn und Wortlaut jener Verord¬
nungen vom Jahre 1808. 1815. 1817 sollten die Ober-Präsidenten in sehr
Weise abgewogener Competenz mehr eine repräsentative, den provinziellen
Zusammenhang schützende Stellung einnehmen, als irgendwie einen die selbst¬
ständige Thätigkeit der Regierungscollegien beherrschenden Einfluß ausüben.
I» es drängt sich einem beim aufmerksamen Studium der Reformgedanken
jener großen Zeit nicht selten die Vermuthung auf, die Regeneratoren unseres
Staatswesens hätten ihre Ober-Präsidenten nicht eigentlich als eine dauernde
staatliche Institution, vielmehr als vorübergehende Stützen zur Kräftigung
der jungen Neubildungen gewollt. Daß heute selbst ein so unbefangener,
freisinnigrr. der Selbstverwaltung zugeneigter Reformer, wie unser Verfasser,
ihrer nicht mehr entbehren zu können glaubt, sondern in ihrer centralisirteren
Zusammenwerfung mit den Regierungscollegien das Heil findet, ist charakte¬
ristisch für die Richtungen unserer Lage. Anknüpfen kann man an die
preußischen Ober-Präsidenten freilich viel und vielerlei: sie ließen sich eben¬
so gut zu Präfekten mit ihren Präfekturräthen umbilden, wie zu Sheriffs
oder Lord-Lteutenants. Alles hängt davon ab, wie wir uns in einem Grund¬
statut der Zukunft die Grenzen nicht dieser oder jener staatlichen Admini¬
strativbehörde, sondern aller und jeder staatlichen Verwaltung und Beauf¬
sichtigung gesteckt denken.

Und hiervon wird auch wesentlich der Grundcharaktea des deutschen
Parlamentarismus der Zukunft abhängig werden, über welchen sich unsere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/419>, abgerufen am 18.12.2024.