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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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seiner politischen Gegner gelitten, die heiße Empfindung, welche dem Ge¬
prüften bis an sein Lebensende blieb, färbte ihm wohl zuweilen seine
Bilder von der politischen Lage zu dunkel. Auch er erfuhr die innere Ein¬
buße an Unbefangenheit und Sicherheit des Urtheils, welche durch einen un¬
ablässigen hoffnungsarmen, protestirenden Widerspruch gegen die Machthaber
erlitten wird. Aber er war. obwohl gereizt und verdüstert, doch als Deut¬
scher ein Preuße und Patriot, welcher mehr als einmal in großen Fragen
das Interesse des Staates mit Selbstverleugnung weit höher faßte als seine
liebsten Parteigenossen. Und wenn einer der Zeitgenossen, so verdiente er
die ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit seiner Wähler, denn er bewährte seinen
Charakter vor Allem gegen sie, und wie er überhaupt Compromissen abge¬
neigt war, auf denen doch fast jede fruchtbare Thätigkeit des Politikers ruht,
so hat er vollends seinen Wählern nicht aus Beifallsliebe Concessionen ge¬
macht und weder das Getöse der Wahlversammlungen, noch das Bestreben
an der Spitze des Fortschrittes zu stehen, haben ihn bei den Fragen, die er
sich in seiner Weise zurechtgelegt hatte, zu einer Modification seiner Ueber¬
zeugung gebracht. In diesem Sinne wurde er nicht getrieben, sondern er
war Führer und solche Festigkeit lohnten seine Wähler durch unerschütter¬
liche Treue, Aber seine Popularität hatte noch einen anderen festeren Grund,
der den deutschen Wählern unter den gehäuften Versuchungen der Gegenwart
immer maßgebender das Urtheil über die Männer seines Vertrauens richten wird,
er war von stolzer Ehrenhaftigkeit und fleckenloser Integrität. Er erlebte noch,
daß die parlamentarische Thätigkeit an Bedeutung gewann und daß die Volksver¬
treter nicht nur von der Regierung, auch von den Spekulanten der Börse umwor¬
ben wurden, er sah die Zeit heraufkommen, wo die Charaktere in neuer Weise
geprüft werden und er sah zornig, wie unserem Volk in sein argloses Gemüth
Mißtrauen genöthigt wurde gegen die Integrität hoher Beamten und die
Uneigennützigst Solcher, denen es anhing. Auch darin war Waldeck ganz
ein Mann der alten Schule, von einer guten alten Schule, welcher der Satz:
Reichthum ist Macht, als das Credo von Thoren und Schelmen erschien.
D. Bl. hat, so lange er lebte, nicht zu seinen politischen Freunden gehört
und gegen vieles, was er forderte, gekämpft, aber auch wir, die Gegner des
Lebenden, wissen, daß er, was er that, für unsern Staat gethan hat, beharr¬
lich, uneigennützig, nach seiner besten Kraft bis aufs äußerste. In einer Zeit,
wo es in Preußen nur zu sehr an Zuversicht fehlte, hat er in vielen Tausenden
hingebende Wärme und Vertrauen auf Mannesmuth erhalten; und dies
Vertrauen hat er gewonnen in unablässigem Kampf für gesetzliche Freiheit.
Und wir hoffen von Herzen, daß auch ihm, wenn er in den letzten Wochen
seines Lebens auf viele Jahre aufreibender Kämpfe zurückblickte, sein Streit
nicht fruchtlos und der Gewinn, der seiner Nation von seinen Anstrengungen
zurückblieb, groß und dauerhaft erschienen sei.


seiner politischen Gegner gelitten, die heiße Empfindung, welche dem Ge¬
prüften bis an sein Lebensende blieb, färbte ihm wohl zuweilen seine
Bilder von der politischen Lage zu dunkel. Auch er erfuhr die innere Ein¬
buße an Unbefangenheit und Sicherheit des Urtheils, welche durch einen un¬
ablässigen hoffnungsarmen, protestirenden Widerspruch gegen die Machthaber
erlitten wird. Aber er war. obwohl gereizt und verdüstert, doch als Deut¬
scher ein Preuße und Patriot, welcher mehr als einmal in großen Fragen
das Interesse des Staates mit Selbstverleugnung weit höher faßte als seine
liebsten Parteigenossen. Und wenn einer der Zeitgenossen, so verdiente er
die ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit seiner Wähler, denn er bewährte seinen
Charakter vor Allem gegen sie, und wie er überhaupt Compromissen abge¬
neigt war, auf denen doch fast jede fruchtbare Thätigkeit des Politikers ruht,
so hat er vollends seinen Wählern nicht aus Beifallsliebe Concessionen ge¬
macht und weder das Getöse der Wahlversammlungen, noch das Bestreben
an der Spitze des Fortschrittes zu stehen, haben ihn bei den Fragen, die er
sich in seiner Weise zurechtgelegt hatte, zu einer Modification seiner Ueber¬
zeugung gebracht. In diesem Sinne wurde er nicht getrieben, sondern er
war Führer und solche Festigkeit lohnten seine Wähler durch unerschütter¬
liche Treue, Aber seine Popularität hatte noch einen anderen festeren Grund,
der den deutschen Wählern unter den gehäuften Versuchungen der Gegenwart
immer maßgebender das Urtheil über die Männer seines Vertrauens richten wird,
er war von stolzer Ehrenhaftigkeit und fleckenloser Integrität. Er erlebte noch,
daß die parlamentarische Thätigkeit an Bedeutung gewann und daß die Volksver¬
treter nicht nur von der Regierung, auch von den Spekulanten der Börse umwor¬
ben wurden, er sah die Zeit heraufkommen, wo die Charaktere in neuer Weise
geprüft werden und er sah zornig, wie unserem Volk in sein argloses Gemüth
Mißtrauen genöthigt wurde gegen die Integrität hoher Beamten und die
Uneigennützigst Solcher, denen es anhing. Auch darin war Waldeck ganz
ein Mann der alten Schule, von einer guten alten Schule, welcher der Satz:
Reichthum ist Macht, als das Credo von Thoren und Schelmen erschien.
D. Bl. hat, so lange er lebte, nicht zu seinen politischen Freunden gehört
und gegen vieles, was er forderte, gekämpft, aber auch wir, die Gegner des
Lebenden, wissen, daß er, was er that, für unsern Staat gethan hat, beharr¬
lich, uneigennützig, nach seiner besten Kraft bis aufs äußerste. In einer Zeit,
wo es in Preußen nur zu sehr an Zuversicht fehlte, hat er in vielen Tausenden
hingebende Wärme und Vertrauen auf Mannesmuth erhalten; und dies
Vertrauen hat er gewonnen in unablässigem Kampf für gesetzliche Freiheit.
Und wir hoffen von Herzen, daß auch ihm, wenn er in den letzten Wochen
seines Lebens auf viele Jahre aufreibender Kämpfe zurückblickte, sein Streit
nicht fruchtlos und der Gewinn, der seiner Nation von seinen Anstrengungen
zurückblieb, groß und dauerhaft erschienen sei.


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[0328] seiner politischen Gegner gelitten, die heiße Empfindung, welche dem Ge¬ prüften bis an sein Lebensende blieb, färbte ihm wohl zuweilen seine Bilder von der politischen Lage zu dunkel. Auch er erfuhr die innere Ein¬ buße an Unbefangenheit und Sicherheit des Urtheils, welche durch einen un¬ ablässigen hoffnungsarmen, protestirenden Widerspruch gegen die Machthaber erlitten wird. Aber er war. obwohl gereizt und verdüstert, doch als Deut¬ scher ein Preuße und Patriot, welcher mehr als einmal in großen Fragen das Interesse des Staates mit Selbstverleugnung weit höher faßte als seine liebsten Parteigenossen. Und wenn einer der Zeitgenossen, so verdiente er die ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit seiner Wähler, denn er bewährte seinen Charakter vor Allem gegen sie, und wie er überhaupt Compromissen abge¬ neigt war, auf denen doch fast jede fruchtbare Thätigkeit des Politikers ruht, so hat er vollends seinen Wählern nicht aus Beifallsliebe Concessionen ge¬ macht und weder das Getöse der Wahlversammlungen, noch das Bestreben an der Spitze des Fortschrittes zu stehen, haben ihn bei den Fragen, die er sich in seiner Weise zurechtgelegt hatte, zu einer Modification seiner Ueber¬ zeugung gebracht. In diesem Sinne wurde er nicht getrieben, sondern er war Führer und solche Festigkeit lohnten seine Wähler durch unerschütter¬ liche Treue, Aber seine Popularität hatte noch einen anderen festeren Grund, der den deutschen Wählern unter den gehäuften Versuchungen der Gegenwart immer maßgebender das Urtheil über die Männer seines Vertrauens richten wird, er war von stolzer Ehrenhaftigkeit und fleckenloser Integrität. Er erlebte noch, daß die parlamentarische Thätigkeit an Bedeutung gewann und daß die Volksver¬ treter nicht nur von der Regierung, auch von den Spekulanten der Börse umwor¬ ben wurden, er sah die Zeit heraufkommen, wo die Charaktere in neuer Weise geprüft werden und er sah zornig, wie unserem Volk in sein argloses Gemüth Mißtrauen genöthigt wurde gegen die Integrität hoher Beamten und die Uneigennützigst Solcher, denen es anhing. Auch darin war Waldeck ganz ein Mann der alten Schule, von einer guten alten Schule, welcher der Satz: Reichthum ist Macht, als das Credo von Thoren und Schelmen erschien. D. Bl. hat, so lange er lebte, nicht zu seinen politischen Freunden gehört und gegen vieles, was er forderte, gekämpft, aber auch wir, die Gegner des Lebenden, wissen, daß er, was er that, für unsern Staat gethan hat, beharr¬ lich, uneigennützig, nach seiner besten Kraft bis aufs äußerste. In einer Zeit, wo es in Preußen nur zu sehr an Zuversicht fehlte, hat er in vielen Tausenden hingebende Wärme und Vertrauen auf Mannesmuth erhalten; und dies Vertrauen hat er gewonnen in unablässigem Kampf für gesetzliche Freiheit. Und wir hoffen von Herzen, daß auch ihm, wenn er in den letzten Wochen seines Lebens auf viele Jahre aufreibender Kämpfe zurückblickte, sein Streit nicht fruchtlos und der Gewinn, der seiner Nation von seinen Anstrengungen zurückblieb, groß und dauerhaft erschienen sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/328>, abgerufen am 27.07.2024.