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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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ihm ist in den nächsten Jahrhunderten charakteristisch, daß es den Grenzkampf
gegen die Slaven durch mehrere seiner Söhne in Preußen fortführt, der Name
Reuß gewinnt im deutschen Orden besondere Bedeutung. -- Noch jetzt bietet
das Volk der kleinen Fürstenthümer für Sprache und Alterthumskunde man¬
ches Eigenthümliche, nur die Nordgrenze liegt an großer Völkerstraße und die
Stadt Gera ist für die moderne Cultur des Landes Mittelpunkt geworden.
In den Thälern und Hügeln aber, welche zum Frankenwald hinaufführen
und von dem bairischen Franken trennen, hat sich in Volkssitte und Brauch,
in Hausbau und Sprache recht viel Alterthümliches bewahrt. Es ist eine
Freude wie übersichtlich und reichlich dies massenhafte Material in dem Werke
verarbeitet ist. Das Buch gibt zuerst ein Bild von der Natur des Landes,
Plastisch-geogn ostische Uebersicht, Bewässerung, Klima, Vegetation. Thierleben.
Dann schildert es das Volk durch reichliche statistische Nachweise, nationale
Bauart der Dörfer, Häuser. Kirchen, das Leben des Hauses, die Mundart, Kleid
und Kost. Gestalt und Charakter. Volkskrankheiten und Heilkünste. Sitte und
Brauch, Sage und Glaube. Darauf die Betriebsamkeit und moderne Cultur
der Bewohner: Landwirthschaft, Forsten. Bergbau. Industrie. Handel. Dann
Staat und Kirche in ihrer Verfassung, das Recht, sociale Einrichtungen.
Darauf folgt die ausführliche Geschichte des Landes und seines Fürstenhauses,
eine besonders sorgfältige und dankenswerthe Arbeit, die vieles Neue bringt
und historische Fabel tilgt. Endlich kommt als umfangreichster Theil die
Ortskunde, eine anschauliche Beschreibung jedes Ortes, seine Geschichte, seine
Culturverhältnisse, seine Flur-- und Bergnamen, locale Ueberlieferungen, bet
jedem die älteren Namenssormen nach den Urkunden des Mittelalters.

Es ist kein großes Terrain, welches durch dieses Werk geschildert wird,
aber das Buch ist in seiner Art doch eine Arbeit von erstem Range, die
historischen und statistischen Notizen sind aus einigen tausend Urkunden,
Regesten und Actennummern zusammengetragen, die Beschreibung des Lan¬
des und Volkes durch mehrjährige Correspondenz, viele Reisen und nur da¬
durch möglich geworden, daß der Landesherr und der Verfasser Alt und Jung
zur Mitthätigkeit heranzogen. Die Geschichte des Fürstenthums ist jetzt von
ihren Anfängen neu aufgebaut, eine lange Reihe von verlorenen Ortsnamen
und Wustungen sind neu entdeckt und bestimmt, und in jedem Theil des
Buches eine Fülle von belehrendem und schildernden Detail eingearbeitet.
Wir rühmen gern den Fürsten, welcher das Werk emsig förderte und den
Versasser. der es schrieb; denn Localschilderungen dieser Art sind nicht nur
für genaue Kenntniß des deutschen Lebens in der Gegenwart unentbehrlich
sie sind auch die nothwendige Grundlage für jede eindringende historische
Forschung in Geschichte, Literatur, Alterthumskunde und wenn uns ein


Grenzboten II. 1870. 40

ihm ist in den nächsten Jahrhunderten charakteristisch, daß es den Grenzkampf
gegen die Slaven durch mehrere seiner Söhne in Preußen fortführt, der Name
Reuß gewinnt im deutschen Orden besondere Bedeutung. — Noch jetzt bietet
das Volk der kleinen Fürstenthümer für Sprache und Alterthumskunde man¬
ches Eigenthümliche, nur die Nordgrenze liegt an großer Völkerstraße und die
Stadt Gera ist für die moderne Cultur des Landes Mittelpunkt geworden.
In den Thälern und Hügeln aber, welche zum Frankenwald hinaufführen
und von dem bairischen Franken trennen, hat sich in Volkssitte und Brauch,
in Hausbau und Sprache recht viel Alterthümliches bewahrt. Es ist eine
Freude wie übersichtlich und reichlich dies massenhafte Material in dem Werke
verarbeitet ist. Das Buch gibt zuerst ein Bild von der Natur des Landes,
Plastisch-geogn ostische Uebersicht, Bewässerung, Klima, Vegetation. Thierleben.
Dann schildert es das Volk durch reichliche statistische Nachweise, nationale
Bauart der Dörfer, Häuser. Kirchen, das Leben des Hauses, die Mundart, Kleid
und Kost. Gestalt und Charakter. Volkskrankheiten und Heilkünste. Sitte und
Brauch, Sage und Glaube. Darauf die Betriebsamkeit und moderne Cultur
der Bewohner: Landwirthschaft, Forsten. Bergbau. Industrie. Handel. Dann
Staat und Kirche in ihrer Verfassung, das Recht, sociale Einrichtungen.
Darauf folgt die ausführliche Geschichte des Landes und seines Fürstenhauses,
eine besonders sorgfältige und dankenswerthe Arbeit, die vieles Neue bringt
und historische Fabel tilgt. Endlich kommt als umfangreichster Theil die
Ortskunde, eine anschauliche Beschreibung jedes Ortes, seine Geschichte, seine
Culturverhältnisse, seine Flur-- und Bergnamen, locale Ueberlieferungen, bet
jedem die älteren Namenssormen nach den Urkunden des Mittelalters.

Es ist kein großes Terrain, welches durch dieses Werk geschildert wird,
aber das Buch ist in seiner Art doch eine Arbeit von erstem Range, die
historischen und statistischen Notizen sind aus einigen tausend Urkunden,
Regesten und Actennummern zusammengetragen, die Beschreibung des Lan¬
des und Volkes durch mehrjährige Correspondenz, viele Reisen und nur da¬
durch möglich geworden, daß der Landesherr und der Verfasser Alt und Jung
zur Mitthätigkeit heranzogen. Die Geschichte des Fürstenthums ist jetzt von
ihren Anfängen neu aufgebaut, eine lange Reihe von verlorenen Ortsnamen
und Wustungen sind neu entdeckt und bestimmt, und in jedem Theil des
Buches eine Fülle von belehrendem und schildernden Detail eingearbeitet.
Wir rühmen gern den Fürsten, welcher das Werk emsig förderte und den
Versasser. der es schrieb; denn Localschilderungen dieser Art sind nicht nur
für genaue Kenntniß des deutschen Lebens in der Gegenwart unentbehrlich
sie sind auch die nothwendige Grundlage für jede eindringende historische
Forschung in Geschichte, Literatur, Alterthumskunde und wenn uns ein


Grenzboten II. 1870. 40
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[0319] ihm ist in den nächsten Jahrhunderten charakteristisch, daß es den Grenzkampf gegen die Slaven durch mehrere seiner Söhne in Preußen fortführt, der Name Reuß gewinnt im deutschen Orden besondere Bedeutung. — Noch jetzt bietet das Volk der kleinen Fürstenthümer für Sprache und Alterthumskunde man¬ ches Eigenthümliche, nur die Nordgrenze liegt an großer Völkerstraße und die Stadt Gera ist für die moderne Cultur des Landes Mittelpunkt geworden. In den Thälern und Hügeln aber, welche zum Frankenwald hinaufführen und von dem bairischen Franken trennen, hat sich in Volkssitte und Brauch, in Hausbau und Sprache recht viel Alterthümliches bewahrt. Es ist eine Freude wie übersichtlich und reichlich dies massenhafte Material in dem Werke verarbeitet ist. Das Buch gibt zuerst ein Bild von der Natur des Landes, Plastisch-geogn ostische Uebersicht, Bewässerung, Klima, Vegetation. Thierleben. Dann schildert es das Volk durch reichliche statistische Nachweise, nationale Bauart der Dörfer, Häuser. Kirchen, das Leben des Hauses, die Mundart, Kleid und Kost. Gestalt und Charakter. Volkskrankheiten und Heilkünste. Sitte und Brauch, Sage und Glaube. Darauf die Betriebsamkeit und moderne Cultur der Bewohner: Landwirthschaft, Forsten. Bergbau. Industrie. Handel. Dann Staat und Kirche in ihrer Verfassung, das Recht, sociale Einrichtungen. Darauf folgt die ausführliche Geschichte des Landes und seines Fürstenhauses, eine besonders sorgfältige und dankenswerthe Arbeit, die vieles Neue bringt und historische Fabel tilgt. Endlich kommt als umfangreichster Theil die Ortskunde, eine anschauliche Beschreibung jedes Ortes, seine Geschichte, seine Culturverhältnisse, seine Flur-- und Bergnamen, locale Ueberlieferungen, bet jedem die älteren Namenssormen nach den Urkunden des Mittelalters. Es ist kein großes Terrain, welches durch dieses Werk geschildert wird, aber das Buch ist in seiner Art doch eine Arbeit von erstem Range, die historischen und statistischen Notizen sind aus einigen tausend Urkunden, Regesten und Actennummern zusammengetragen, die Beschreibung des Lan¬ des und Volkes durch mehrjährige Correspondenz, viele Reisen und nur da¬ durch möglich geworden, daß der Landesherr und der Verfasser Alt und Jung zur Mitthätigkeit heranzogen. Die Geschichte des Fürstenthums ist jetzt von ihren Anfängen neu aufgebaut, eine lange Reihe von verlorenen Ortsnamen und Wustungen sind neu entdeckt und bestimmt, und in jedem Theil des Buches eine Fülle von belehrendem und schildernden Detail eingearbeitet. Wir rühmen gern den Fürsten, welcher das Werk emsig förderte und den Versasser. der es schrieb; denn Localschilderungen dieser Art sind nicht nur für genaue Kenntniß des deutschen Lebens in der Gegenwart unentbehrlich sie sind auch die nothwendige Grundlage für jede eindringende historische Forschung in Geschichte, Literatur, Alterthumskunde und wenn uns ein Grenzboten II. 1870. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/319>, abgerufen am 01.09.2024.