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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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sehen die Frauen, wie dringend ihre Angelegenheit als Ganzes der vor-
urtheilsfreien und wohlwollenden Beurtheilung, ja des thätigen Beistandes
der verhältnißmäßig wenigen Männer bedarf, welche die Begründung und
den Werth derselben zu würdigen wissen. Sie lassen außer Acht, daß ihre
Agitation, so weit sie Berechtigung hat, keine Sache des einen Geschlechts,
sondern der ganzen Menschheit ist. an der denkende und fühlende Männer mit
Recht ihren Antheil reclamiren können, schon weil sie Söhne, Brüder, Gatten
und Väter weiblicher Wesen sind, deren Schicksal ihnen ebenso sehr am Herzen
liegt, wie irgendwelchen Frauen. Der Mann, welcher zuerst in einem bestimm¬
ten Ort oder Kreise für die Frauenhände in die Schranken getreten ist, wird
fast immer geduldig durch ein gewisses Kreuzfeuer von Scherzen und Hinder¬
nissen haben gehen müssen: warum soll sein Lohn nun die Zurückweisung
seiner Hilfe durch dieselben Frauen sein, welche vorgeblich am lebhaftesten
fühlen, wie nothwendig die Lage ihres Geschlechts der Hebung durch alle
überhaupt anwendbaren Mittel bedarf?

Die Verschmähung ehrenwerther männlicher Hilfe wird bald in Amerika
wie in Europa zu den Kinderkrankheiten dieser Bewegung gerechnet werden,
welchen allerdings nicht leicht Jemand in seinen jungen Jahren ganz ent¬
geht, über die des Erwachsenen härtere Haut aber desto sicherer hinaus ist.
Politische Kinderkrankheiten kann man auch sonst im Innern dieser Agitation
manche wahrnehmen, vor Allem ein übertriebenes Wohlgefallen an Parteiung
und scharfer Verketzerung der nicht vollkommen gleichqesinnten Strebens-
genossen. Hoffen wir, daß dies Stadium bald vorüber sein möge, und dann
für immer.




Die religiöse Bewegung in der Schweiz.

Es wird nun bald ein Jahr, daß ich am Schluß eines Berichtes über
die Züricher Bewegung Ihnen geschrieben habe, es stehe dort eine Ver-
längerung des leidenschaftlichen Gegensatzes der beiden Parteien in sicherer
Aussicht, weil die Demokraten trotz ihrer geringen Mehrheit das in der
Schweiz so beliebte Princip des Mehrheitsdespotismus geltend zu machen
fortfahren. Es ist seither auch nicht anders geworden mit diesem Despotis-


sehen die Frauen, wie dringend ihre Angelegenheit als Ganzes der vor-
urtheilsfreien und wohlwollenden Beurtheilung, ja des thätigen Beistandes
der verhältnißmäßig wenigen Männer bedarf, welche die Begründung und
den Werth derselben zu würdigen wissen. Sie lassen außer Acht, daß ihre
Agitation, so weit sie Berechtigung hat, keine Sache des einen Geschlechts,
sondern der ganzen Menschheit ist. an der denkende und fühlende Männer mit
Recht ihren Antheil reclamiren können, schon weil sie Söhne, Brüder, Gatten
und Väter weiblicher Wesen sind, deren Schicksal ihnen ebenso sehr am Herzen
liegt, wie irgendwelchen Frauen. Der Mann, welcher zuerst in einem bestimm¬
ten Ort oder Kreise für die Frauenhände in die Schranken getreten ist, wird
fast immer geduldig durch ein gewisses Kreuzfeuer von Scherzen und Hinder¬
nissen haben gehen müssen: warum soll sein Lohn nun die Zurückweisung
seiner Hilfe durch dieselben Frauen sein, welche vorgeblich am lebhaftesten
fühlen, wie nothwendig die Lage ihres Geschlechts der Hebung durch alle
überhaupt anwendbaren Mittel bedarf?

Die Verschmähung ehrenwerther männlicher Hilfe wird bald in Amerika
wie in Europa zu den Kinderkrankheiten dieser Bewegung gerechnet werden,
welchen allerdings nicht leicht Jemand in seinen jungen Jahren ganz ent¬
geht, über die des Erwachsenen härtere Haut aber desto sicherer hinaus ist.
Politische Kinderkrankheiten kann man auch sonst im Innern dieser Agitation
manche wahrnehmen, vor Allem ein übertriebenes Wohlgefallen an Parteiung
und scharfer Verketzerung der nicht vollkommen gleichqesinnten Strebens-
genossen. Hoffen wir, daß dies Stadium bald vorüber sein möge, und dann
für immer.




Die religiöse Bewegung in der Schweiz.

Es wird nun bald ein Jahr, daß ich am Schluß eines Berichtes über
die Züricher Bewegung Ihnen geschrieben habe, es stehe dort eine Ver-
längerung des leidenschaftlichen Gegensatzes der beiden Parteien in sicherer
Aussicht, weil die Demokraten trotz ihrer geringen Mehrheit das in der
Schweiz so beliebte Princip des Mehrheitsdespotismus geltend zu machen
fortfahren. Es ist seither auch nicht anders geworden mit diesem Despotis-


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[0308] sehen die Frauen, wie dringend ihre Angelegenheit als Ganzes der vor- urtheilsfreien und wohlwollenden Beurtheilung, ja des thätigen Beistandes der verhältnißmäßig wenigen Männer bedarf, welche die Begründung und den Werth derselben zu würdigen wissen. Sie lassen außer Acht, daß ihre Agitation, so weit sie Berechtigung hat, keine Sache des einen Geschlechts, sondern der ganzen Menschheit ist. an der denkende und fühlende Männer mit Recht ihren Antheil reclamiren können, schon weil sie Söhne, Brüder, Gatten und Väter weiblicher Wesen sind, deren Schicksal ihnen ebenso sehr am Herzen liegt, wie irgendwelchen Frauen. Der Mann, welcher zuerst in einem bestimm¬ ten Ort oder Kreise für die Frauenhände in die Schranken getreten ist, wird fast immer geduldig durch ein gewisses Kreuzfeuer von Scherzen und Hinder¬ nissen haben gehen müssen: warum soll sein Lohn nun die Zurückweisung seiner Hilfe durch dieselben Frauen sein, welche vorgeblich am lebhaftesten fühlen, wie nothwendig die Lage ihres Geschlechts der Hebung durch alle überhaupt anwendbaren Mittel bedarf? Die Verschmähung ehrenwerther männlicher Hilfe wird bald in Amerika wie in Europa zu den Kinderkrankheiten dieser Bewegung gerechnet werden, welchen allerdings nicht leicht Jemand in seinen jungen Jahren ganz ent¬ geht, über die des Erwachsenen härtere Haut aber desto sicherer hinaus ist. Politische Kinderkrankheiten kann man auch sonst im Innern dieser Agitation manche wahrnehmen, vor Allem ein übertriebenes Wohlgefallen an Parteiung und scharfer Verketzerung der nicht vollkommen gleichqesinnten Strebens- genossen. Hoffen wir, daß dies Stadium bald vorüber sein möge, und dann für immer. Die religiöse Bewegung in der Schweiz. Es wird nun bald ein Jahr, daß ich am Schluß eines Berichtes über die Züricher Bewegung Ihnen geschrieben habe, es stehe dort eine Ver- längerung des leidenschaftlichen Gegensatzes der beiden Parteien in sicherer Aussicht, weil die Demokraten trotz ihrer geringen Mehrheit das in der Schweiz so beliebte Princip des Mehrheitsdespotismus geltend zu machen fortfahren. Es ist seither auch nicht anders geworden mit diesem Despotis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/308>, abgerufen am 18.12.2024.