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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Jahre 1772 von einer Theilung Polens zu sprechen pflegt. Es handelte sich
nur darum, daß die theilenden Mächte über den Beuteantheil eines Jeden
einig würden. Eine solche Einigung zu erzielen, waren Joseph und Ka¬
tharina in den Jahren 1782 und 1783 bemüht. Auf Katharina's Klagen
über die fortwährenden Unruhen in der Krim, antwortet Joseph, er sei
bereit, sich mit der Kaiserin über die Eventualitäen dieser Unruhen zu eini¬
gen, nur solle Katharina ihre Wünsche deutlicher formuliren (S. 136). Hierauf
folgt dann ein ausführliches Memoire der Kaiserin vom 10. Septbr. 1782*),
in welchem von einem bevorstehenden Kriege mit der Türkei als von einer
so gut wie abgemachten Sache die Rede ist, das muthmaßliche Verhalten
der anderen Mächte genau erörtert und schließlich eine Reihe von Annexio¬
nen ausgeführt wird, welche Rußland auszuführen beabsichtige. Es handelt
sich um die Gründung eines aus der Moldau, Wallachei und Bessarabien
zu bildenden Königreichs Dacier mit einem Herrscher griechisch-katholischer
Confession, um die Erwerbung Otschakow's und des ganzen Landstrichs
zwischen Bug und Dnjestr und einer oder zweier Inseln im Archipelagus
und endlich je nach den Kriegserfolgen um die Herstellung des griechischen
Kaiserreichs mit dem Großfürsten Konstantin als künftigem Herrscher. Dem
Kaiser werden Erwerbungen solcher Punkte am Mittelmeer in Aussicht ge¬
stellt, welche für den östreichischen Handel von Wichtigkeit seien.

Es ist auffallend, daß von der Erwerbung der Krim nicht ein Wort
gesagt wird. In dieser Zeit wurde Alles vorbereitet, wenige Monate später
war die Annexion der Krim eine vollzogene Thatsache. Besborodko, Po-
temkin hatten in ausführlichen Gutachten von der Erwerbung der Krim als
von einer nothwendigen und thunlichen Sache gesprochen. Rußland hatte
in den Ereignissen auf der Taurischen Halbinsel fortwährend seine Hand im
Spiel. Es war bereit, diese Frucht zu pflücken. Für Katharina war
im September 1782 die Erwerbung der Krim beschlossene Sache, während
Joseph, als dieselbe erfolgt war, etwas spät davon in Kenntniß gesetzt wurde.
Es ist nicht anzunehmen, daß Katharina diesen Punkt als selbstverständlich
mit Stillschweigen übergehen konnte. In späteren Briefen wird von dem
Kampfe der Parteien in der as jure damals noch völlig unabhängigen Halb¬
insel als von einer durchaus schwebenden Frage gesprochen.

Einige Wochen verstrichen, ehe Joseph seine Antwort aus das große
Memoire der Kaiserin absandte.**) Die Kopfrose, an welcher er in dieser
Zeit litt, hatte einen Aufschub veranlaßt. Joseph warnte vor Preußen und
Frankreich, welche der Ausführung der Pläne Hindernisse in den Weg legen
würden, versichert, daß seinerseits der Erwerbung Otschakows und einiger




") z. Th. gedruckt bei Herrmann VI. 461--464, vollständig bei Arneth S. 143--176.
z. Th. bei Herrmann 464, bei Arneth vollständig S. 16S--176.

Jahre 1772 von einer Theilung Polens zu sprechen pflegt. Es handelte sich
nur darum, daß die theilenden Mächte über den Beuteantheil eines Jeden
einig würden. Eine solche Einigung zu erzielen, waren Joseph und Ka¬
tharina in den Jahren 1782 und 1783 bemüht. Auf Katharina's Klagen
über die fortwährenden Unruhen in der Krim, antwortet Joseph, er sei
bereit, sich mit der Kaiserin über die Eventualitäen dieser Unruhen zu eini¬
gen, nur solle Katharina ihre Wünsche deutlicher formuliren (S. 136). Hierauf
folgt dann ein ausführliches Memoire der Kaiserin vom 10. Septbr. 1782*),
in welchem von einem bevorstehenden Kriege mit der Türkei als von einer
so gut wie abgemachten Sache die Rede ist, das muthmaßliche Verhalten
der anderen Mächte genau erörtert und schließlich eine Reihe von Annexio¬
nen ausgeführt wird, welche Rußland auszuführen beabsichtige. Es handelt
sich um die Gründung eines aus der Moldau, Wallachei und Bessarabien
zu bildenden Königreichs Dacier mit einem Herrscher griechisch-katholischer
Confession, um die Erwerbung Otschakow's und des ganzen Landstrichs
zwischen Bug und Dnjestr und einer oder zweier Inseln im Archipelagus
und endlich je nach den Kriegserfolgen um die Herstellung des griechischen
Kaiserreichs mit dem Großfürsten Konstantin als künftigem Herrscher. Dem
Kaiser werden Erwerbungen solcher Punkte am Mittelmeer in Aussicht ge¬
stellt, welche für den östreichischen Handel von Wichtigkeit seien.

Es ist auffallend, daß von der Erwerbung der Krim nicht ein Wort
gesagt wird. In dieser Zeit wurde Alles vorbereitet, wenige Monate später
war die Annexion der Krim eine vollzogene Thatsache. Besborodko, Po-
temkin hatten in ausführlichen Gutachten von der Erwerbung der Krim als
von einer nothwendigen und thunlichen Sache gesprochen. Rußland hatte
in den Ereignissen auf der Taurischen Halbinsel fortwährend seine Hand im
Spiel. Es war bereit, diese Frucht zu pflücken. Für Katharina war
im September 1782 die Erwerbung der Krim beschlossene Sache, während
Joseph, als dieselbe erfolgt war, etwas spät davon in Kenntniß gesetzt wurde.
Es ist nicht anzunehmen, daß Katharina diesen Punkt als selbstverständlich
mit Stillschweigen übergehen konnte. In späteren Briefen wird von dem
Kampfe der Parteien in der as jure damals noch völlig unabhängigen Halb¬
insel als von einer durchaus schwebenden Frage gesprochen.

Einige Wochen verstrichen, ehe Joseph seine Antwort aus das große
Memoire der Kaiserin absandte.**) Die Kopfrose, an welcher er in dieser
Zeit litt, hatte einen Aufschub veranlaßt. Joseph warnte vor Preußen und
Frankreich, welche der Ausführung der Pläne Hindernisse in den Weg legen
würden, versichert, daß seinerseits der Erwerbung Otschakows und einiger




") z. Th. gedruckt bei Herrmann VI. 461—464, vollständig bei Arneth S. 143—176.
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[0261] Jahre 1772 von einer Theilung Polens zu sprechen pflegt. Es handelte sich nur darum, daß die theilenden Mächte über den Beuteantheil eines Jeden einig würden. Eine solche Einigung zu erzielen, waren Joseph und Ka¬ tharina in den Jahren 1782 und 1783 bemüht. Auf Katharina's Klagen über die fortwährenden Unruhen in der Krim, antwortet Joseph, er sei bereit, sich mit der Kaiserin über die Eventualitäen dieser Unruhen zu eini¬ gen, nur solle Katharina ihre Wünsche deutlicher formuliren (S. 136). Hierauf folgt dann ein ausführliches Memoire der Kaiserin vom 10. Septbr. 1782*), in welchem von einem bevorstehenden Kriege mit der Türkei als von einer so gut wie abgemachten Sache die Rede ist, das muthmaßliche Verhalten der anderen Mächte genau erörtert und schließlich eine Reihe von Annexio¬ nen ausgeführt wird, welche Rußland auszuführen beabsichtige. Es handelt sich um die Gründung eines aus der Moldau, Wallachei und Bessarabien zu bildenden Königreichs Dacier mit einem Herrscher griechisch-katholischer Confession, um die Erwerbung Otschakow's und des ganzen Landstrichs zwischen Bug und Dnjestr und einer oder zweier Inseln im Archipelagus und endlich je nach den Kriegserfolgen um die Herstellung des griechischen Kaiserreichs mit dem Großfürsten Konstantin als künftigem Herrscher. Dem Kaiser werden Erwerbungen solcher Punkte am Mittelmeer in Aussicht ge¬ stellt, welche für den östreichischen Handel von Wichtigkeit seien. Es ist auffallend, daß von der Erwerbung der Krim nicht ein Wort gesagt wird. In dieser Zeit wurde Alles vorbereitet, wenige Monate später war die Annexion der Krim eine vollzogene Thatsache. Besborodko, Po- temkin hatten in ausführlichen Gutachten von der Erwerbung der Krim als von einer nothwendigen und thunlichen Sache gesprochen. Rußland hatte in den Ereignissen auf der Taurischen Halbinsel fortwährend seine Hand im Spiel. Es war bereit, diese Frucht zu pflücken. Für Katharina war im September 1782 die Erwerbung der Krim beschlossene Sache, während Joseph, als dieselbe erfolgt war, etwas spät davon in Kenntniß gesetzt wurde. Es ist nicht anzunehmen, daß Katharina diesen Punkt als selbstverständlich mit Stillschweigen übergehen konnte. In späteren Briefen wird von dem Kampfe der Parteien in der as jure damals noch völlig unabhängigen Halb¬ insel als von einer durchaus schwebenden Frage gesprochen. Einige Wochen verstrichen, ehe Joseph seine Antwort aus das große Memoire der Kaiserin absandte.**) Die Kopfrose, an welcher er in dieser Zeit litt, hatte einen Aufschub veranlaßt. Joseph warnte vor Preußen und Frankreich, welche der Ausführung der Pläne Hindernisse in den Weg legen würden, versichert, daß seinerseits der Erwerbung Otschakows und einiger ") z. Th. gedruckt bei Herrmann VI. 461—464, vollständig bei Arneth S. 143—176. z. Th. bei Herrmann 464, bei Arneth vollständig S. 16S—176.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/261>, abgerufen am 18.12.2024.