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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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England und Holland, an' Spanien. Die Hauptschrift aus dieser Zeit ist
aber das "Manifest, enthaltend die Rechte Karls III., Königs von Spanien,
die Gründe seiner Expedition" u. s. w. vom Jahre 1704, die im Auftrag
des Wiener Hoff verfaßt ist und im ersten Theil die Rechtsfrage erörtert,
im zweiten -- der anonyme Verfasser schreibt als Spanier -- seinen Lands¬
leuten die Candidatur des Habsburgers empfiehlt.

Dem günstigen Verlauf, den der Krieg in der ersten Zeit unter der
glänzenden Führung Eugens und Marlborough's nahm, folgte Leibniz mit
freudiger Theilnahme. Als aber im Jahr 1711 Karl III. durch den Tod
seines Bruders Josef I. die Reichskrone erhielt und damit die Wendung
eintrat, welche England und Holland dem Bündniß entfremdeten, strengte
Leibniz alle Kräfte an. um einen abermaligen schmachvollen Frieden abzu¬
wenden und die Früchte der Siege zu sichern. In dieser Zeit entwickelte er
eine fieberhafte Thätigkeit. Er ist gleichsam der officielle Reichspublieist.
Er schreibt in einer Vorrede zur/zweiten Ausgabe des Manisests Karls III.,
jetzt Karls VI. Er mahnt die Holländer (Reflexionen eines Holländers :e.
1713) zur Ausdauer. Und in einer Reihe von Schriften wendet er sich gleich¬
zeitig an den Kaiser, um ihn zur Fortsetzung des Kriegs zu mahnen und
mit Rath zu unterstützen. Vor dem Frieden, im Jahre 1713, sind die beiden
Schriften geschrieben : "Denkschrift über die politische Weltlage" und "Kurzes
Bedenken über den gegenwärtigen Laus des gemeinen Wesens." Sie sind '
namentlich bemerkenswerth durch das militärische Detail, in welches Leibniz
hier sich einläßt. Luxussteuern, Papiergeld nach dem Muster von England,
Beschaffung von Getreide,, das Santtätswesen, die Schonung der Pferde,
die Bewaffnung. Alles interessirt ihn. "Von Waffen wäre viel zu sagen;
solche sind anjetzo in einem ganz anderen Stand, als vor Jahren, und dürf¬
ten bald noch fernerhin einen anderen Stand gerathen. Wer hier einen
Vorsprung hat, dem gehört der Sieg. Neue Erfindungen von erfahrenen
und ingeniösen Personen wären von trefflicher Nutzbarkeit, den Feind zu ver¬
wirren, daher ganz geheim zu treiben. Und weil mir Leute bekannt, die
solche Vortheile erfunden, von denen ein Großes zu hoffen, wird solches ein
eigenes Bedenken erfordern. Denn billig von Kriegsverständigen auf diesen
hochwichtigen Punkt zu denken."

Als England und Holland ihren Frieden zu Utrecht schlössen, verfaßt
Leibniz seine bedeutendste Schrift aus dieser Zeit: "la Mix ä'vtreelit inex-
eusMsum den Seemächten das Unverantwortliche ihres Abfalls vorzu¬
halten und dagegen das Beharren des Kaisers bei der einst gemeinsamen
europäischen Sache als berechtigt und einzig vernünftig nachzuweisen. Die
dem Kaiser und Reich gestellten Bedingungen, insbesondere der Satz: "Der
Rhein wird als Schranke zwischen Frankreich und Deutschland dienen" wird


England und Holland, an' Spanien. Die Hauptschrift aus dieser Zeit ist
aber das „Manifest, enthaltend die Rechte Karls III., Königs von Spanien,
die Gründe seiner Expedition" u. s. w. vom Jahre 1704, die im Auftrag
des Wiener Hoff verfaßt ist und im ersten Theil die Rechtsfrage erörtert,
im zweiten — der anonyme Verfasser schreibt als Spanier — seinen Lands¬
leuten die Candidatur des Habsburgers empfiehlt.

Dem günstigen Verlauf, den der Krieg in der ersten Zeit unter der
glänzenden Führung Eugens und Marlborough's nahm, folgte Leibniz mit
freudiger Theilnahme. Als aber im Jahr 1711 Karl III. durch den Tod
seines Bruders Josef I. die Reichskrone erhielt und damit die Wendung
eintrat, welche England und Holland dem Bündniß entfremdeten, strengte
Leibniz alle Kräfte an. um einen abermaligen schmachvollen Frieden abzu¬
wenden und die Früchte der Siege zu sichern. In dieser Zeit entwickelte er
eine fieberhafte Thätigkeit. Er ist gleichsam der officielle Reichspublieist.
Er schreibt in einer Vorrede zur/zweiten Ausgabe des Manisests Karls III.,
jetzt Karls VI. Er mahnt die Holländer (Reflexionen eines Holländers :e.
1713) zur Ausdauer. Und in einer Reihe von Schriften wendet er sich gleich¬
zeitig an den Kaiser, um ihn zur Fortsetzung des Kriegs zu mahnen und
mit Rath zu unterstützen. Vor dem Frieden, im Jahre 1713, sind die beiden
Schriften geschrieben : „Denkschrift über die politische Weltlage" und „Kurzes
Bedenken über den gegenwärtigen Laus des gemeinen Wesens." Sie sind '
namentlich bemerkenswerth durch das militärische Detail, in welches Leibniz
hier sich einläßt. Luxussteuern, Papiergeld nach dem Muster von England,
Beschaffung von Getreide,, das Santtätswesen, die Schonung der Pferde,
die Bewaffnung. Alles interessirt ihn. „Von Waffen wäre viel zu sagen;
solche sind anjetzo in einem ganz anderen Stand, als vor Jahren, und dürf¬
ten bald noch fernerhin einen anderen Stand gerathen. Wer hier einen
Vorsprung hat, dem gehört der Sieg. Neue Erfindungen von erfahrenen
und ingeniösen Personen wären von trefflicher Nutzbarkeit, den Feind zu ver¬
wirren, daher ganz geheim zu treiben. Und weil mir Leute bekannt, die
solche Vortheile erfunden, von denen ein Großes zu hoffen, wird solches ein
eigenes Bedenken erfordern. Denn billig von Kriegsverständigen auf diesen
hochwichtigen Punkt zu denken."

Als England und Holland ihren Frieden zu Utrecht schlössen, verfaßt
Leibniz seine bedeutendste Schrift aus dieser Zeit: „la Mix ä'vtreelit inex-
eusMsum den Seemächten das Unverantwortliche ihres Abfalls vorzu¬
halten und dagegen das Beharren des Kaisers bei der einst gemeinsamen
europäischen Sache als berechtigt und einzig vernünftig nachzuweisen. Die
dem Kaiser und Reich gestellten Bedingungen, insbesondere der Satz: „Der
Rhein wird als Schranke zwischen Frankreich und Deutschland dienen" wird


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[0026] England und Holland, an' Spanien. Die Hauptschrift aus dieser Zeit ist aber das „Manifest, enthaltend die Rechte Karls III., Königs von Spanien, die Gründe seiner Expedition" u. s. w. vom Jahre 1704, die im Auftrag des Wiener Hoff verfaßt ist und im ersten Theil die Rechtsfrage erörtert, im zweiten — der anonyme Verfasser schreibt als Spanier — seinen Lands¬ leuten die Candidatur des Habsburgers empfiehlt. Dem günstigen Verlauf, den der Krieg in der ersten Zeit unter der glänzenden Führung Eugens und Marlborough's nahm, folgte Leibniz mit freudiger Theilnahme. Als aber im Jahr 1711 Karl III. durch den Tod seines Bruders Josef I. die Reichskrone erhielt und damit die Wendung eintrat, welche England und Holland dem Bündniß entfremdeten, strengte Leibniz alle Kräfte an. um einen abermaligen schmachvollen Frieden abzu¬ wenden und die Früchte der Siege zu sichern. In dieser Zeit entwickelte er eine fieberhafte Thätigkeit. Er ist gleichsam der officielle Reichspublieist. Er schreibt in einer Vorrede zur/zweiten Ausgabe des Manisests Karls III., jetzt Karls VI. Er mahnt die Holländer (Reflexionen eines Holländers :e. 1713) zur Ausdauer. Und in einer Reihe von Schriften wendet er sich gleich¬ zeitig an den Kaiser, um ihn zur Fortsetzung des Kriegs zu mahnen und mit Rath zu unterstützen. Vor dem Frieden, im Jahre 1713, sind die beiden Schriften geschrieben : „Denkschrift über die politische Weltlage" und „Kurzes Bedenken über den gegenwärtigen Laus des gemeinen Wesens." Sie sind ' namentlich bemerkenswerth durch das militärische Detail, in welches Leibniz hier sich einläßt. Luxussteuern, Papiergeld nach dem Muster von England, Beschaffung von Getreide,, das Santtätswesen, die Schonung der Pferde, die Bewaffnung. Alles interessirt ihn. „Von Waffen wäre viel zu sagen; solche sind anjetzo in einem ganz anderen Stand, als vor Jahren, und dürf¬ ten bald noch fernerhin einen anderen Stand gerathen. Wer hier einen Vorsprung hat, dem gehört der Sieg. Neue Erfindungen von erfahrenen und ingeniösen Personen wären von trefflicher Nutzbarkeit, den Feind zu ver¬ wirren, daher ganz geheim zu treiben. Und weil mir Leute bekannt, die solche Vortheile erfunden, von denen ein Großes zu hoffen, wird solches ein eigenes Bedenken erfordern. Denn billig von Kriegsverständigen auf diesen hochwichtigen Punkt zu denken." Als England und Holland ihren Frieden zu Utrecht schlössen, verfaßt Leibniz seine bedeutendste Schrift aus dieser Zeit: „la Mix ä'vtreelit inex- eusMsum den Seemächten das Unverantwortliche ihres Abfalls vorzu¬ halten und dagegen das Beharren des Kaisers bei der einst gemeinsamen europäischen Sache als berechtigt und einzig vernünftig nachzuweisen. Die dem Kaiser und Reich gestellten Bedingungen, insbesondere der Satz: „Der Rhein wird als Schranke zwischen Frankreich und Deutschland dienen" wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/26>, abgerufen am 27.07.2024.