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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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7. December 1789 (S. 342 bei Arneth). In dem erwähnten Tagebuche des
Geheimschreibers finden sich an mehreren Stellen Angaben über die Corre-
spondenz mit Joseph II., Ausdrücke, Redewendungen, nicht selten ganze Zeilen
aus solchen Briefen, so z. B. aus Katharina's Briefe an Joseph vom
7. October 1788 (S. 320 bei Arneth) vom 21. December 1788 (S. 324
bei Arneth); aus Joseph's Briefe an Katharina vom 7. August (S. 317
bei Arneth) u. tgi. in. -- Ferner hat Solowjow in seiner Geschichte
des Falles von Polen u. A. zwei Briefe (Joseph's vom 12. Juli 1782
und Katharina's vom 1. August 1782). die sich aus die Angelegen¬
heiten in der Krim beziehen, ihrem Inhalte nach mitgetheilt. Ein
ganz kurzer Brief Joseph's an Katharina II., angeblich beim Ausbruche des
Türkenkriegs im Jahre 1787 geschrieben und ohne Datum mitgetheilt in
einer russischen Lebensschreibung der Kaiserin aus dem Jahre 1811 (Thaten
Katherina's. von Kolotow, Bd. III. S. 240) kann wohl nicht echt sein. Der
Brief lautet wörtlich: "Da ich die Nachricht erhalten habe, daß einer Ihrer
Diener in Konstantinopel in die Sieben Thürme eingesperrt worden, so sende
ich, da ich auch einer Ihrer Diener bin, meine Truppen ins Feld." -- Der
Einsperrung des russischen Gesandten Bulgakow erwähnt Joseph in dem von
Arneth S. 299 mitgetheilten Briefe. Erst mehrere Monate später waren
die östreichischen Truppen marschbereit.*)

Die Briefe der beiden großen Herrscher sind mit sehr wenigen Aus¬
nahmen eigenhändig geschrieben. Ihr Inhalt unterscheidet sie aber wesent¬
lich von den artigen und herzlichen Briefen, welche unsere Souveräne mit
eigener Hand einander zu senden pflegen. Noch jetzt wird bei großen Ver¬
anlassungen die Form vertrauter Briefe gewählt, um directe Verständigung
über politische Fragen zu erreichen, oder Schwierigkeiten wegzuräumen, welche
der Diplomatie unüberwindlich sind. Und wir nehmen an, daß auch die
größte und verfassungstreuste Monarchin der Welt diesem letzten Mittel, um
für ihren Staat Nützliches durchzusetzen, nicht entsagen würde. Aber solches
hohe Eingreifen in die Politik ist jetzt im Ganzen Ausnahme. In der
Courtoisie des persönlichen Briefverkehrs wird wenigstens das Detail potiti-



-) Wenige Briefe sind schon früher von Herrmann in seiner Geschichte des russischen Staat"
mitgetheilt, doch finden sich Verschiedenheiten der Tagesangaben. -- Herrmann (IV, 459) hat daS
Datum vom 18. Mai 1789, während Arneth (78) denselben Brief vom 21. Mai 1781 datirt.
Die von Herrmann mitgetheilte Copie mag vom 18ten, das von Arneth herausgegebene Original
oder die ihm aus dem russischen Archiv zugegangene Abschrift des Originals vom 21. Mai datirt
gewesen sein. Die Jahreszahl bei Herrmann ist nur ein Druckfehler. Auch das Datum 13. Octo¬
ber 1782 bei Herrmann VI, 464 ist offenbar falsch und Arneth's Angabe -- 13. November
1782 richtig. In dem Briefe ist der Kopfrose erwähnt, an welcher Joseph, wie aus dem Zettel
an Kaunitz (S. XIX bei Arneth) Vom 10. November hervorgeht, in der ersten Hälfte dieses
Monats litt. --

7. December 1789 (S. 342 bei Arneth). In dem erwähnten Tagebuche des
Geheimschreibers finden sich an mehreren Stellen Angaben über die Corre-
spondenz mit Joseph II., Ausdrücke, Redewendungen, nicht selten ganze Zeilen
aus solchen Briefen, so z. B. aus Katharina's Briefe an Joseph vom
7. October 1788 (S. 320 bei Arneth) vom 21. December 1788 (S. 324
bei Arneth); aus Joseph's Briefe an Katharina vom 7. August (S. 317
bei Arneth) u. tgi. in. — Ferner hat Solowjow in seiner Geschichte
des Falles von Polen u. A. zwei Briefe (Joseph's vom 12. Juli 1782
und Katharina's vom 1. August 1782). die sich aus die Angelegen¬
heiten in der Krim beziehen, ihrem Inhalte nach mitgetheilt. Ein
ganz kurzer Brief Joseph's an Katharina II., angeblich beim Ausbruche des
Türkenkriegs im Jahre 1787 geschrieben und ohne Datum mitgetheilt in
einer russischen Lebensschreibung der Kaiserin aus dem Jahre 1811 (Thaten
Katherina's. von Kolotow, Bd. III. S. 240) kann wohl nicht echt sein. Der
Brief lautet wörtlich: „Da ich die Nachricht erhalten habe, daß einer Ihrer
Diener in Konstantinopel in die Sieben Thürme eingesperrt worden, so sende
ich, da ich auch einer Ihrer Diener bin, meine Truppen ins Feld." — Der
Einsperrung des russischen Gesandten Bulgakow erwähnt Joseph in dem von
Arneth S. 299 mitgetheilten Briefe. Erst mehrere Monate später waren
die östreichischen Truppen marschbereit.*)

Die Briefe der beiden großen Herrscher sind mit sehr wenigen Aus¬
nahmen eigenhändig geschrieben. Ihr Inhalt unterscheidet sie aber wesent¬
lich von den artigen und herzlichen Briefen, welche unsere Souveräne mit
eigener Hand einander zu senden pflegen. Noch jetzt wird bei großen Ver¬
anlassungen die Form vertrauter Briefe gewählt, um directe Verständigung
über politische Fragen zu erreichen, oder Schwierigkeiten wegzuräumen, welche
der Diplomatie unüberwindlich sind. Und wir nehmen an, daß auch die
größte und verfassungstreuste Monarchin der Welt diesem letzten Mittel, um
für ihren Staat Nützliches durchzusetzen, nicht entsagen würde. Aber solches
hohe Eingreifen in die Politik ist jetzt im Ganzen Ausnahme. In der
Courtoisie des persönlichen Briefverkehrs wird wenigstens das Detail potiti-



-) Wenige Briefe sind schon früher von Herrmann in seiner Geschichte des russischen Staat«
mitgetheilt, doch finden sich Verschiedenheiten der Tagesangaben. — Herrmann (IV, 459) hat daS
Datum vom 18. Mai 1789, während Arneth (78) denselben Brief vom 21. Mai 1781 datirt.
Die von Herrmann mitgetheilte Copie mag vom 18ten, das von Arneth herausgegebene Original
oder die ihm aus dem russischen Archiv zugegangene Abschrift des Originals vom 21. Mai datirt
gewesen sein. Die Jahreszahl bei Herrmann ist nur ein Druckfehler. Auch das Datum 13. Octo¬
ber 1782 bei Herrmann VI, 464 ist offenbar falsch und Arneth's Angabe — 13. November
1782 richtig. In dem Briefe ist der Kopfrose erwähnt, an welcher Joseph, wie aus dem Zettel
an Kaunitz (S. XIX bei Arneth) Vom 10. November hervorgeht, in der ersten Hälfte dieses
Monats litt. —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/248>, abgerufen am 27.07.2024.