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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Conferenzen, die Einrichtungen und nähere Bestimmungen betreffend, es wird
aber nicht immer viel bestimmt und wird erst einmal ein Anfang gemacht
M. H. werden müssen. --

Leipzig, 28. Februar 1843.


Lieber Herr Capellmeister!

......Ich komme eben aus einem Concert des Parish Alvars
des Harfenvirtuosen, vielleicht des größten, den es gibt, aber wir sind doch
nach dem ersten Stück des zweiten Theils, der Ouvertüre "Ossiansklänge"
von Gabe, herausgegangen; über das Instrument kann er doch nicht hinaus
und an dem haften, um Alles darauf machen zu wollen, zu viele Mängel.
Je besser der Triller auf der Harfe gemacht wird, desto deutlicher wird es,
daß man keinen machen soll. Ausklingende Piano-Accorde in Arpeggien
möchte allenfalls etwas sein, was die Harfe eigenthümlich schöner als das
Pianoforte hat, (die Harfencompofitionen müßten gegen die Claviercomposi-
tionen einfacherer Natur sein, mehr im Charakter der Palme als des Eich-
baums), in allem andern steht sie im Nachtheil, und der reiche complicirte
Mechanismus, nicht um etwas schön spielen zu können, nur um die Mög¬
lichkeit zu erlangen, etwas zu spielen, ist gerad recht ihre Armuth und es,
ist kein Wunder, wenn sich so wenige damit befassen wollen. Dabei ist es
wieder das einzige von allen unsern modernen Instrumenten, was an sich
eine gute Gestalt hat, dem Spieler eine gute Gestalt gibt und anmuthige
Bewegung gestattet, das einzige, was keine kleinliche oder keine Unform hat
und zu dem ein idealeres Costüm noch besser stehen würde als unser ver¬
zwicktes. Man könnte sich einen Sarastro, die Pedale abgerechnet, recht gut
mit der Harfe, viel weniger mit der Geige oder Oboe denken. -- Im näch¬
sten Concert wird die Symphonie von Gabe gegeben, die Ouvertüre ist recht
hübsch, aber noch lange kein Meisterstück, sie hört sich noch etwas stückweis
an und hat in ihrem Verlauf keinen rechten dominanten Höhepunkt, etwas
näher schwer zu bezeichnendes, das guten Sachen nicht fehlt, ohne sich hier
sehr bemerkbar zumachen, aber den Mangel fühlt man deutlich. So scheinen
die Bach'schen Fugen und Motettensätze in einem ganz gleichartigen Stimm¬
geflechte fortzugehen vom Anfang bis zum Ende, so sieht es auf dem Papier
aus, aber wenn man sie hört und Anderes dagegen hört, dann ist das eine
ein herrlicher Baum, das andere ist Gesträuch und Gestrüpp, was nicht von
der Erde weg will, nur in die Breite, nie in die Höhe geht und es nirgends
zu einem Gipfel bringt. So war neulich der 5stimmige Psalm "Du bist's ze."
von A. Ramberg (der auch im Cäcilien-Verein gesungen wird) in der Tho¬
maskirche als Motette, gegen jene grundkräftigen Sachen von ganz lümmer-


Conferenzen, die Einrichtungen und nähere Bestimmungen betreffend, es wird
aber nicht immer viel bestimmt und wird erst einmal ein Anfang gemacht
M. H. werden müssen. —

Leipzig, 28. Februar 1843.


Lieber Herr Capellmeister!

......Ich komme eben aus einem Concert des Parish Alvars
des Harfenvirtuosen, vielleicht des größten, den es gibt, aber wir sind doch
nach dem ersten Stück des zweiten Theils, der Ouvertüre „Ossiansklänge"
von Gabe, herausgegangen; über das Instrument kann er doch nicht hinaus
und an dem haften, um Alles darauf machen zu wollen, zu viele Mängel.
Je besser der Triller auf der Harfe gemacht wird, desto deutlicher wird es,
daß man keinen machen soll. Ausklingende Piano-Accorde in Arpeggien
möchte allenfalls etwas sein, was die Harfe eigenthümlich schöner als das
Pianoforte hat, (die Harfencompofitionen müßten gegen die Claviercomposi-
tionen einfacherer Natur sein, mehr im Charakter der Palme als des Eich-
baums), in allem andern steht sie im Nachtheil, und der reiche complicirte
Mechanismus, nicht um etwas schön spielen zu können, nur um die Mög¬
lichkeit zu erlangen, etwas zu spielen, ist gerad recht ihre Armuth und es,
ist kein Wunder, wenn sich so wenige damit befassen wollen. Dabei ist es
wieder das einzige von allen unsern modernen Instrumenten, was an sich
eine gute Gestalt hat, dem Spieler eine gute Gestalt gibt und anmuthige
Bewegung gestattet, das einzige, was keine kleinliche oder keine Unform hat
und zu dem ein idealeres Costüm noch besser stehen würde als unser ver¬
zwicktes. Man könnte sich einen Sarastro, die Pedale abgerechnet, recht gut
mit der Harfe, viel weniger mit der Geige oder Oboe denken. — Im näch¬
sten Concert wird die Symphonie von Gabe gegeben, die Ouvertüre ist recht
hübsch, aber noch lange kein Meisterstück, sie hört sich noch etwas stückweis
an und hat in ihrem Verlauf keinen rechten dominanten Höhepunkt, etwas
näher schwer zu bezeichnendes, das guten Sachen nicht fehlt, ohne sich hier
sehr bemerkbar zumachen, aber den Mangel fühlt man deutlich. So scheinen
die Bach'schen Fugen und Motettensätze in einem ganz gleichartigen Stimm¬
geflechte fortzugehen vom Anfang bis zum Ende, so sieht es auf dem Papier
aus, aber wenn man sie hört und Anderes dagegen hört, dann ist das eine
ein herrlicher Baum, das andere ist Gesträuch und Gestrüpp, was nicht von
der Erde weg will, nur in die Breite, nie in die Höhe geht und es nirgends
zu einem Gipfel bringt. So war neulich der 5stimmige Psalm „Du bist's ze."
von A. Ramberg (der auch im Cäcilien-Verein gesungen wird) in der Tho¬
maskirche als Motette, gegen jene grundkräftigen Sachen von ganz lümmer-


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[0192] Conferenzen, die Einrichtungen und nähere Bestimmungen betreffend, es wird aber nicht immer viel bestimmt und wird erst einmal ein Anfang gemacht M. H. werden müssen. — Leipzig, 28. Februar 1843. Lieber Herr Capellmeister! ......Ich komme eben aus einem Concert des Parish Alvars des Harfenvirtuosen, vielleicht des größten, den es gibt, aber wir sind doch nach dem ersten Stück des zweiten Theils, der Ouvertüre „Ossiansklänge" von Gabe, herausgegangen; über das Instrument kann er doch nicht hinaus und an dem haften, um Alles darauf machen zu wollen, zu viele Mängel. Je besser der Triller auf der Harfe gemacht wird, desto deutlicher wird es, daß man keinen machen soll. Ausklingende Piano-Accorde in Arpeggien möchte allenfalls etwas sein, was die Harfe eigenthümlich schöner als das Pianoforte hat, (die Harfencompofitionen müßten gegen die Claviercomposi- tionen einfacherer Natur sein, mehr im Charakter der Palme als des Eich- baums), in allem andern steht sie im Nachtheil, und der reiche complicirte Mechanismus, nicht um etwas schön spielen zu können, nur um die Mög¬ lichkeit zu erlangen, etwas zu spielen, ist gerad recht ihre Armuth und es, ist kein Wunder, wenn sich so wenige damit befassen wollen. Dabei ist es wieder das einzige von allen unsern modernen Instrumenten, was an sich eine gute Gestalt hat, dem Spieler eine gute Gestalt gibt und anmuthige Bewegung gestattet, das einzige, was keine kleinliche oder keine Unform hat und zu dem ein idealeres Costüm noch besser stehen würde als unser ver¬ zwicktes. Man könnte sich einen Sarastro, die Pedale abgerechnet, recht gut mit der Harfe, viel weniger mit der Geige oder Oboe denken. — Im näch¬ sten Concert wird die Symphonie von Gabe gegeben, die Ouvertüre ist recht hübsch, aber noch lange kein Meisterstück, sie hört sich noch etwas stückweis an und hat in ihrem Verlauf keinen rechten dominanten Höhepunkt, etwas näher schwer zu bezeichnendes, das guten Sachen nicht fehlt, ohne sich hier sehr bemerkbar zumachen, aber den Mangel fühlt man deutlich. So scheinen die Bach'schen Fugen und Motettensätze in einem ganz gleichartigen Stimm¬ geflechte fortzugehen vom Anfang bis zum Ende, so sieht es auf dem Papier aus, aber wenn man sie hört und Anderes dagegen hört, dann ist das eine ein herrlicher Baum, das andere ist Gesträuch und Gestrüpp, was nicht von der Erde weg will, nur in die Breite, nie in die Höhe geht und es nirgends zu einem Gipfel bringt. So war neulich der 5stimmige Psalm „Du bist's ze." von A. Ramberg (der auch im Cäcilien-Verein gesungen wird) in der Tho¬ maskirche als Motette, gegen jene grundkräftigen Sachen von ganz lümmer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/192>, abgerufen am 01.09.2024.