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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Dies erziehende und heranbildende System, welches das Devrientsche
Institut hob und hielt, hatte auch auf die jungen Talente der Bühnendichter
günstigen Einfluß. Ein Leseeomite, -- die Vorstände und zwei aus dem
Personal alljährlich neu gewählte Mitglieder, -- hatte die Aufgabe alle und
jede dem Theater zukommenden Bühnendichtungen zu lesen und durch schrift¬
liche Urtheile und Jnhaltsberichte der Direction zur Annahme zu empfehlen
oder deren Unmöglichkeit nachzuweisen. Konnte sich so kein Bühnen¬
dichter über gänzliche Vernachlässigung beklagen, so gelang es Devrient nicht
selten, von einem aufstrebenden Talente durch praktische Winke das Werk
bühnengemäß umarbeiten zu lassen. Wie denn Devrient allezeit bestrebt
war, den Talenten der Gegenwart an seiner Bühne die erste Gelegenheit zur
Verwirklichung ihrer Werke zu schaffen. Namen wie Lindner, Eschenbach, aus
früherer Zeit O. Ludwig u. a. in. danken Ed. Devrient ihren ersten Klang.
Nicht wenige Stücke machten von Karlsruhe aus den Weg auf deutschen
Bühnen.

Daß eine nach allen Richtungen hin ebenso sparsame als aus künstleri¬
sche Vollendung der Ausführung zielende Leitung auch der finanziellen
Seite der Anstalt zu Nutzen wirken mußte, ist erklärlich. Und in gleichem
Maaße wie der Antheil des anfangs trotzig widerstrebenden Publicums
von Jahr zu Jahr wuchs, verzeichneten auch die Jahrabschlüsse einen wach¬
senden Erntesegen der Einnahmen und Ed. Devrient durste seinem Nach¬
folger nicht nur ein in allen Gattungen und Züchten geordnetes Institut,
sondern auch eine für die kleinen Verhältnisse hochgesteigerte Einnahme
hinterlassen, die er noch kurz vor seinem Scheiden, den augenblicklichen Groll
der Betheiligten nicht achtend, durch Erhöhung der vornehmeren Eintritts¬
preise vermehren konnte, ohne dadurch den Zulauf zu den Vorstellungen zu
mindern.

Fragt man nun nach den Factoren, welche eine solche gänzliche Umge¬
staltung zum Besten ermöglichten, so ist zunächst Ed. Devrient's wohlthuende
Persönlichkeit zu nennen, Erfahrung auf allen dramatischen Gebieten aus
eigener Anschauung, seine Methode der Belehrung, seine Schriften, die daran
geknüpfte Autorität, sein streng moralisches Leben und die eingreifende
Wirkung desselben auf die sittliche Disciplin des Personals. -- Er gab z. B. dem
Personale neue auf die alten Systeme der vorzüglichsten Directoren: Eckhof,
Schröder, Jffland, Goethe, Immermann u. s. w. gesüßte Dienstregeln. --
Nicht weniger half das ganz ungewöhnliche Vertrauen eines freisinnigen und
edlen Fürsten, der sein Theater der Leitung eines praktischen Bühnenleiters
überließ mit dem Versprechen, jede Einmischung abzuwehren und der diese
Verheißung in der That bis ins achtzehnte Jahr erfüllte.

Großherzog Friedrich von Baden hat sein Einverständniß mit dem Grund-


Dies erziehende und heranbildende System, welches das Devrientsche
Institut hob und hielt, hatte auch auf die jungen Talente der Bühnendichter
günstigen Einfluß. Ein Leseeomite, — die Vorstände und zwei aus dem
Personal alljährlich neu gewählte Mitglieder, — hatte die Aufgabe alle und
jede dem Theater zukommenden Bühnendichtungen zu lesen und durch schrift¬
liche Urtheile und Jnhaltsberichte der Direction zur Annahme zu empfehlen
oder deren Unmöglichkeit nachzuweisen. Konnte sich so kein Bühnen¬
dichter über gänzliche Vernachlässigung beklagen, so gelang es Devrient nicht
selten, von einem aufstrebenden Talente durch praktische Winke das Werk
bühnengemäß umarbeiten zu lassen. Wie denn Devrient allezeit bestrebt
war, den Talenten der Gegenwart an seiner Bühne die erste Gelegenheit zur
Verwirklichung ihrer Werke zu schaffen. Namen wie Lindner, Eschenbach, aus
früherer Zeit O. Ludwig u. a. in. danken Ed. Devrient ihren ersten Klang.
Nicht wenige Stücke machten von Karlsruhe aus den Weg auf deutschen
Bühnen.

Daß eine nach allen Richtungen hin ebenso sparsame als aus künstleri¬
sche Vollendung der Ausführung zielende Leitung auch der finanziellen
Seite der Anstalt zu Nutzen wirken mußte, ist erklärlich. Und in gleichem
Maaße wie der Antheil des anfangs trotzig widerstrebenden Publicums
von Jahr zu Jahr wuchs, verzeichneten auch die Jahrabschlüsse einen wach¬
senden Erntesegen der Einnahmen und Ed. Devrient durste seinem Nach¬
folger nicht nur ein in allen Gattungen und Züchten geordnetes Institut,
sondern auch eine für die kleinen Verhältnisse hochgesteigerte Einnahme
hinterlassen, die er noch kurz vor seinem Scheiden, den augenblicklichen Groll
der Betheiligten nicht achtend, durch Erhöhung der vornehmeren Eintritts¬
preise vermehren konnte, ohne dadurch den Zulauf zu den Vorstellungen zu
mindern.

Fragt man nun nach den Factoren, welche eine solche gänzliche Umge¬
staltung zum Besten ermöglichten, so ist zunächst Ed. Devrient's wohlthuende
Persönlichkeit zu nennen, Erfahrung auf allen dramatischen Gebieten aus
eigener Anschauung, seine Methode der Belehrung, seine Schriften, die daran
geknüpfte Autorität, sein streng moralisches Leben und die eingreifende
Wirkung desselben auf die sittliche Disciplin des Personals. — Er gab z. B. dem
Personale neue auf die alten Systeme der vorzüglichsten Directoren: Eckhof,
Schröder, Jffland, Goethe, Immermann u. s. w. gesüßte Dienstregeln. —
Nicht weniger half das ganz ungewöhnliche Vertrauen eines freisinnigen und
edlen Fürsten, der sein Theater der Leitung eines praktischen Bühnenleiters
überließ mit dem Versprechen, jede Einmischung abzuwehren und der diese
Verheißung in der That bis ins achtzehnte Jahr erfüllte.

Großherzog Friedrich von Baden hat sein Einverständniß mit dem Grund-


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[0173] Dies erziehende und heranbildende System, welches das Devrientsche Institut hob und hielt, hatte auch auf die jungen Talente der Bühnendichter günstigen Einfluß. Ein Leseeomite, — die Vorstände und zwei aus dem Personal alljährlich neu gewählte Mitglieder, — hatte die Aufgabe alle und jede dem Theater zukommenden Bühnendichtungen zu lesen und durch schrift¬ liche Urtheile und Jnhaltsberichte der Direction zur Annahme zu empfehlen oder deren Unmöglichkeit nachzuweisen. Konnte sich so kein Bühnen¬ dichter über gänzliche Vernachlässigung beklagen, so gelang es Devrient nicht selten, von einem aufstrebenden Talente durch praktische Winke das Werk bühnengemäß umarbeiten zu lassen. Wie denn Devrient allezeit bestrebt war, den Talenten der Gegenwart an seiner Bühne die erste Gelegenheit zur Verwirklichung ihrer Werke zu schaffen. Namen wie Lindner, Eschenbach, aus früherer Zeit O. Ludwig u. a. in. danken Ed. Devrient ihren ersten Klang. Nicht wenige Stücke machten von Karlsruhe aus den Weg auf deutschen Bühnen. Daß eine nach allen Richtungen hin ebenso sparsame als aus künstleri¬ sche Vollendung der Ausführung zielende Leitung auch der finanziellen Seite der Anstalt zu Nutzen wirken mußte, ist erklärlich. Und in gleichem Maaße wie der Antheil des anfangs trotzig widerstrebenden Publicums von Jahr zu Jahr wuchs, verzeichneten auch die Jahrabschlüsse einen wach¬ senden Erntesegen der Einnahmen und Ed. Devrient durste seinem Nach¬ folger nicht nur ein in allen Gattungen und Züchten geordnetes Institut, sondern auch eine für die kleinen Verhältnisse hochgesteigerte Einnahme hinterlassen, die er noch kurz vor seinem Scheiden, den augenblicklichen Groll der Betheiligten nicht achtend, durch Erhöhung der vornehmeren Eintritts¬ preise vermehren konnte, ohne dadurch den Zulauf zu den Vorstellungen zu mindern. Fragt man nun nach den Factoren, welche eine solche gänzliche Umge¬ staltung zum Besten ermöglichten, so ist zunächst Ed. Devrient's wohlthuende Persönlichkeit zu nennen, Erfahrung auf allen dramatischen Gebieten aus eigener Anschauung, seine Methode der Belehrung, seine Schriften, die daran geknüpfte Autorität, sein streng moralisches Leben und die eingreifende Wirkung desselben auf die sittliche Disciplin des Personals. — Er gab z. B. dem Personale neue auf die alten Systeme der vorzüglichsten Directoren: Eckhof, Schröder, Jffland, Goethe, Immermann u. s. w. gesüßte Dienstregeln. — Nicht weniger half das ganz ungewöhnliche Vertrauen eines freisinnigen und edlen Fürsten, der sein Theater der Leitung eines praktischen Bühnenleiters überließ mit dem Versprechen, jede Einmischung abzuwehren und der diese Verheißung in der That bis ins achtzehnte Jahr erfüllte. Großherzog Friedrich von Baden hat sein Einverständniß mit dem Grund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/173>, abgerufen am 18.12.2024.