Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.gewarnt und zum Ausharren ermuthigt. Die dritte Schrift aber. "Deutsch¬ 2*
gewarnt und zum Ausharren ermuthigt. Die dritte Schrift aber. „Deutsch¬ 2*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123637"/> <p xml:id="ID_31" prev="#ID_30" next="#ID_32"> gewarnt und zum Ausharren ermuthigt. Die dritte Schrift aber. „Deutsch¬<lb/> lands Klag-, Straf- und Ermahnungsrede an seine ungetreuen und verräthe-<lb/> rischen Kinder" richtet sich in kräftigster Weise gegen die Gesinnungslosigkeit<lb/> und Schlaffheit im Reich, die dem Verfasser während seines Aufenthalts in<lb/> Frankreich doppelt erbärmlich erscheinen mußten. Deutschland ist redend als<lb/> Mutter eingeführt, und mit gewaltiger Beredtsamkeit spricht sie den unge-<lb/> rathenen Kindern ins Gewissen, „welche Gott und dem Kaiser eidbrüchig zu<lb/> sein, ihr liebes Vaterland zu verrathen und den Eltern sammt der ganzen<lb/> Freundschaft einen ewigen Schandfleck dadurch anzuhängen, ja sich und ihre<lb/> unschuldige Nation um ein schnödes Geld in eine ausländische harte Knecht¬<lb/> schaft einzuführen ihnen kein Gewissen machen. Mit welchem Gewissen wollt<lb/> ihr euch denn an fremde Potentaten hängen, welche des Kaisers und des<lb/> Reichs Untergang suchen, und ihnen zu ihrem bösen Vorhaben Rath und<lb/> Vorschub geben können? Judas der Verräther, war ein gräulicher Bösewicht,<lb/> ihr aber seid fast noch schlimmer. Insbesondere werden die katholischen Bi¬<lb/> schöfe und Fürsten hart mitgenommen, die dem ausländischen Potentaten,<lb/> weil er die katholische Religion fortzupflanzen vorgehe, an die Hand stehen.<lb/> Seid ihr etwa zum Theil Atheisten, so unterwerfet euch gleichwohl dem Ge¬<lb/> setz der Natur, vermöge dessen die alten Heiden dafür hielten, daß ein Jeder<lb/> sein Vaterland, allen anderen Sachen vorzuziehen schuldig sei. schämet ihr<lb/> euch nicht, die ihr Christen sein wollt, ärger zu sein als die Heiden? Weiter<lb/> hält die strafende Germania ihren verirrten Kindern vor. wie bei der frem¬<lb/> den Nation (nicht bei Allen, aber bei den Mehrsten) der Ehebruch eine Ga¬<lb/> lanterie und die Hoffarth, Insolenz und Verachtung aller Völker eine ange-<lb/> borne Gewohnheit sei, wie die Franzosen seit zwei Jahren tyrannisch auf<lb/> deutschem Boden gehaust, das Schloß in Aschaffenburg angezündet, die Städte<lb/> Kolmar und Trier demolirt, die Reichsbürger zu unbarmherziger Frohn an¬<lb/> gespannt, die schöne Brücke zu Straßburg in Brand gesteckt. Kirchen und<lb/> Klöster beraubt, die Leut zu Reichung unerträglicher Contributionen und<lb/> Brandschatzungen angestrengt haben — und an diesem Allem seid ihr schul¬<lb/> dig. Verräther des Vaterlandes, habt ihr noch einen Funken eines redlichen<lb/> deutschen Gemüths, so lasset euch doch dieses alles tief zu Herzen gehn. Exa-<lb/> minirt euer Gewissen, ob ihr soviel Unheil, welches ihr angestiftet, an jenem<lb/> großen Tag vor dem Richterstuhl Gottes zu verantworten euch gedräuet. Die<lb/> Gerechtigkeit Gottes schreiet euch zu: Gebt wieder die Legionen, gebt die Regio¬<lb/> nen, gebt zurück dem Vaterland die Freiheit, gebt den Geschändeten die Jung¬<lb/> frauschaft, den unschuldig Gemordeten das Leben wieder! Aber wie ist euch dies<lb/> möglich! Ihr müsset fürwahr ein weites Gewissen haben, wenn ihr nicht in<lb/> Desperationsgedanken gerathen solltet. Vielleicht aber gehet es euch, wie denen<lb/> vertieften Schuldnern, welche, wenn sie einmal die Scham verloren und ander-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 2*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
gewarnt und zum Ausharren ermuthigt. Die dritte Schrift aber. „Deutsch¬
lands Klag-, Straf- und Ermahnungsrede an seine ungetreuen und verräthe-
rischen Kinder" richtet sich in kräftigster Weise gegen die Gesinnungslosigkeit
und Schlaffheit im Reich, die dem Verfasser während seines Aufenthalts in
Frankreich doppelt erbärmlich erscheinen mußten. Deutschland ist redend als
Mutter eingeführt, und mit gewaltiger Beredtsamkeit spricht sie den unge-
rathenen Kindern ins Gewissen, „welche Gott und dem Kaiser eidbrüchig zu
sein, ihr liebes Vaterland zu verrathen und den Eltern sammt der ganzen
Freundschaft einen ewigen Schandfleck dadurch anzuhängen, ja sich und ihre
unschuldige Nation um ein schnödes Geld in eine ausländische harte Knecht¬
schaft einzuführen ihnen kein Gewissen machen. Mit welchem Gewissen wollt
ihr euch denn an fremde Potentaten hängen, welche des Kaisers und des
Reichs Untergang suchen, und ihnen zu ihrem bösen Vorhaben Rath und
Vorschub geben können? Judas der Verräther, war ein gräulicher Bösewicht,
ihr aber seid fast noch schlimmer. Insbesondere werden die katholischen Bi¬
schöfe und Fürsten hart mitgenommen, die dem ausländischen Potentaten,
weil er die katholische Religion fortzupflanzen vorgehe, an die Hand stehen.
Seid ihr etwa zum Theil Atheisten, so unterwerfet euch gleichwohl dem Ge¬
setz der Natur, vermöge dessen die alten Heiden dafür hielten, daß ein Jeder
sein Vaterland, allen anderen Sachen vorzuziehen schuldig sei. schämet ihr
euch nicht, die ihr Christen sein wollt, ärger zu sein als die Heiden? Weiter
hält die strafende Germania ihren verirrten Kindern vor. wie bei der frem¬
den Nation (nicht bei Allen, aber bei den Mehrsten) der Ehebruch eine Ga¬
lanterie und die Hoffarth, Insolenz und Verachtung aller Völker eine ange-
borne Gewohnheit sei, wie die Franzosen seit zwei Jahren tyrannisch auf
deutschem Boden gehaust, das Schloß in Aschaffenburg angezündet, die Städte
Kolmar und Trier demolirt, die Reichsbürger zu unbarmherziger Frohn an¬
gespannt, die schöne Brücke zu Straßburg in Brand gesteckt. Kirchen und
Klöster beraubt, die Leut zu Reichung unerträglicher Contributionen und
Brandschatzungen angestrengt haben — und an diesem Allem seid ihr schul¬
dig. Verräther des Vaterlandes, habt ihr noch einen Funken eines redlichen
deutschen Gemüths, so lasset euch doch dieses alles tief zu Herzen gehn. Exa-
minirt euer Gewissen, ob ihr soviel Unheil, welches ihr angestiftet, an jenem
großen Tag vor dem Richterstuhl Gottes zu verantworten euch gedräuet. Die
Gerechtigkeit Gottes schreiet euch zu: Gebt wieder die Legionen, gebt die Regio¬
nen, gebt zurück dem Vaterland die Freiheit, gebt den Geschändeten die Jung¬
frauschaft, den unschuldig Gemordeten das Leben wieder! Aber wie ist euch dies
möglich! Ihr müsset fürwahr ein weites Gewissen haben, wenn ihr nicht in
Desperationsgedanken gerathen solltet. Vielleicht aber gehet es euch, wie denen
vertieften Schuldnern, welche, wenn sie einmal die Scham verloren und ander-
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