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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Erben eines Spielgenossen, der seinen Stand "wohl und unklagNch" versehen
habe, in dessen Rechte eintreten sollen.

Daß wohlerworbene Rechte auf erste Stände (Hauptrollen) von den Be¬
sitzern abgetreten wurden, beweist ein am Se. Martinstage 1582 gefaßter
Protocollbeschluß des Spielausschusses: "Erstlich den fümehmsten Stand,
nämlich den Salvatorstand anlangend: so soll Herr Seckelmeister Holdermeyer
nochmalen angesprochen werden, ob er nicht verwilligen will, denselben Herrn
Leutpriester abzutreten."

Nachdem die Vertheilung der Stände am Se. Martinstage begonnen,
ward dieselbe im Hause "Zur Schneidern" fortgesetzt am Se. Othmarstage,
am Sonntag nach Se. Othmari, am Se. Conradstage und endlich am Sonn¬
tag vor Weihnachten zu Ende geführt. ,

Hierauf wurde dem Regens befohlen, die "Sprüche" (Textworte) ab¬
schreiben zu lassen, und zwar die größten und längsten zuerst. Diese Rollen,
welche auf schmalen Papierstreifen höchst sauber geschrieben waren, wurden
nach der Benutzung wieder eingefordert und finden sich zum Theil noch bei
den Acten des Spieles.

Bevor diese Sprüche ihren Inhaber ausgehändigt wurden, mußten diese
eine "Anlage" thun "zur Erhaltung der allgemeinen Unkosten". Und zwar
zahlten die Schauspieler:

für einen der obersten Stände (Rollen)......40 Schilling
" " sonst sürnehmen Stand nach den obersten . . 30 "
" " mittelmäßigen............20 "
" " gar kleinen oder kleinsten oder Synagogenschüler 8 "

Dies Geld zog der Seckelmeister ein. Jedoch sollte dabei "den Armen
halb Bctrachtniß und Mitleiden gehalten werden."

Wer seine Rolle verlor, hatte dafür 10 Schilling zu zahlen; wer sie
nach 14 Tagen ohne Grund zurückgab, ebenfalls 10 Schilling. Vor Ablauf
dieser Frist stand jedoch Rückgabe frei. Die Abschrift der Sprüche erfolgte
auf Kosten der Brüderschaft der Bekrönung.

Nach der Aushändigung der Sprüche begannen die Proben. Ihre An¬
ordnung und Leitung war Sache des Regens, dem zur Besorgung der Lauf-
geschäfte zwei "Pedelle" überwiesen wurden. Der Spielausschuß setzte für
unser Spiel fest, daß die Proben im Hause der Gesellschaft zu den Schützen
abgehalten werden, jedoch nicht früher als eine Woche vor den Fasten an¬
fangen sollten. Wenigstens ein Mal sollte eine Probe "in der Kleidung"
(Kostümprobe) stattfinden.

Zur Aufrechthaltung der Ordnung wurden in ganz moderner Weise
Strafgelder festgesetzt. Wer z. B. ohne Noth eine Probe versäumt, zahlt


Erben eines Spielgenossen, der seinen Stand „wohl und unklagNch" versehen
habe, in dessen Rechte eintreten sollen.

Daß wohlerworbene Rechte auf erste Stände (Hauptrollen) von den Be¬
sitzern abgetreten wurden, beweist ein am Se. Martinstage 1582 gefaßter
Protocollbeschluß des Spielausschusses: »Erstlich den fümehmsten Stand,
nämlich den Salvatorstand anlangend: so soll Herr Seckelmeister Holdermeyer
nochmalen angesprochen werden, ob er nicht verwilligen will, denselben Herrn
Leutpriester abzutreten."

Nachdem die Vertheilung der Stände am Se. Martinstage begonnen,
ward dieselbe im Hause „Zur Schneidern" fortgesetzt am Se. Othmarstage,
am Sonntag nach Se. Othmari, am Se. Conradstage und endlich am Sonn¬
tag vor Weihnachten zu Ende geführt. ,

Hierauf wurde dem Regens befohlen, die „Sprüche" (Textworte) ab¬
schreiben zu lassen, und zwar die größten und längsten zuerst. Diese Rollen,
welche auf schmalen Papierstreifen höchst sauber geschrieben waren, wurden
nach der Benutzung wieder eingefordert und finden sich zum Theil noch bei
den Acten des Spieles.

Bevor diese Sprüche ihren Inhaber ausgehändigt wurden, mußten diese
eine „Anlage" thun „zur Erhaltung der allgemeinen Unkosten". Und zwar
zahlten die Schauspieler:

für einen der obersten Stände (Rollen)......40 Schilling
„ „ sonst sürnehmen Stand nach den obersten . . 30 „
„ „ mittelmäßigen............20 „
„ „ gar kleinen oder kleinsten oder Synagogenschüler 8 „

Dies Geld zog der Seckelmeister ein. Jedoch sollte dabei „den Armen
halb Bctrachtniß und Mitleiden gehalten werden."

Wer seine Rolle verlor, hatte dafür 10 Schilling zu zahlen; wer sie
nach 14 Tagen ohne Grund zurückgab, ebenfalls 10 Schilling. Vor Ablauf
dieser Frist stand jedoch Rückgabe frei. Die Abschrift der Sprüche erfolgte
auf Kosten der Brüderschaft der Bekrönung.

Nach der Aushändigung der Sprüche begannen die Proben. Ihre An¬
ordnung und Leitung war Sache des Regens, dem zur Besorgung der Lauf-
geschäfte zwei „Pedelle" überwiesen wurden. Der Spielausschuß setzte für
unser Spiel fest, daß die Proben im Hause der Gesellschaft zu den Schützen
abgehalten werden, jedoch nicht früher als eine Woche vor den Fasten an¬
fangen sollten. Wenigstens ein Mal sollte eine Probe „in der Kleidung"
(Kostümprobe) stattfinden.

Zur Aufrechthaltung der Ordnung wurden in ganz moderner Weise
Strafgelder festgesetzt. Wer z. B. ohne Noth eine Probe versäumt, zahlt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/110>, abgerufen am 01.09.2024.