Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht weniger war als Dichter, Dramaturg, Regisseur, Garderobier, Maschi¬
nist, Baumeister, Inspector, Soufleur und noch verschiedenes Andere.

Da kann man es dem armen Mann denn nicht übel nehmen, wenn er
am Schlüsse schreibt: "Man ist unfleißig im Lernen, wenige können ihre Sprüche
(Rollen) auswendig: ja etliche nicht lesen, es ist so wenig Fleiß im
Aufmerken und Gewöhnung der Geberden, man läßt es alles auf dem
Regens, das wurde ihm zu viel, und hernach auf dem Platze
große Unordnung."

In allen bezeichneten Aemtern handelte der Regens unter der Autorität
des Spielausschusses, doch hatte er diesem alle irgend bedeutenden Fragen
zur Entscheidung vorzulegen. Daher sind in den meisten seiner Denkrodeln
(Aufzeichnungen zu eigenem Gebrauch) die Gegenstände in fragende Form
gesetzt. Z. B. "Man beratheschlage, ob die Brügins (s. u.) zugemacht seien."
Auch der Text des Spiels stand unter der Censur des Ausschusses. Daher
nimmt Cysat sich vor, nachdem er beim Spiele von 1683 die Erfahrung ge¬
macht hat, daß dem Volke die Lehrer- und Prophetensprüche langweilig, ver-
drüßig und unangenehm sind, dem Ausschuß deren Kürzung vorzuschlagen
und dafür die Einfügung von lustigen Historien aus beiden Testamenten, z. B.
die Hochzeit zu Kanaa u. a. n. zu empfehlen.

Obgleich die Brüderschaft der Bekrönung nur einen kleinen Theil der
Kosten trug (sie bezahlte nur die Abschrift der Rollen) so gingen doch von
ihr sämmtliche Anordnungen aus, welche den Empfang der Fremden, ihre
Unterbringung, Unterhaltung, Bewirthung und Plaeirung am Spieltage,
sowie die gesammte öffentliche Ordnung betreffen. In Ausführung dieser
Bestimmungen, verfügte die geistliche Brüderschaft nicht blos über die Po¬
lizeiknechte der Stadt, sondern sogar über ihre Räthe, ihren Großweibel
und Schultheißen. Dies beweist, wie streng der Charakter des Spiels als
einer geistlichen Feier festgehalten wurde, die sich demgemäß der geistlichen
Oberaufsicht zu unterwerfen hatte.

Die von der Brüderschaft zu diesem Zwecke angeordneten Maßregeln
verzeichnet Cysat in folgenden Punkten:

1) Am Palmsonntag soll man in beiden Kirchen an der Kanzel rufen
und gebieten, daß sich Niemand an die Höfe (f. u.) auf den Platz setze, denn
wer dahin gehört, bei Strafe der Gefängniß.

2) Die Spielpersonen, so keine eigenen Höfe haben, sollen in keine Höfe
gehen, sie haben denn da zu schaffen, bei Strafe, die ihnen die Brüderschaft
bescheiden auferlegen mag; wer aber inzwischen nicht zu schaffen oder ihm
sonst verdrüßig wäre, ohne Geschäft am Platze zu verharren, der mag sich
sonst anders wohin nach seiner Gelegenheit verfügen.

Z) Man soll auch in Höfen nicht zechen, denn allein so viel und was


nicht weniger war als Dichter, Dramaturg, Regisseur, Garderobier, Maschi¬
nist, Baumeister, Inspector, Soufleur und noch verschiedenes Andere.

Da kann man es dem armen Mann denn nicht übel nehmen, wenn er
am Schlüsse schreibt: „Man ist unfleißig im Lernen, wenige können ihre Sprüche
(Rollen) auswendig: ja etliche nicht lesen, es ist so wenig Fleiß im
Aufmerken und Gewöhnung der Geberden, man läßt es alles auf dem
Regens, das wurde ihm zu viel, und hernach auf dem Platze
große Unordnung."

In allen bezeichneten Aemtern handelte der Regens unter der Autorität
des Spielausschusses, doch hatte er diesem alle irgend bedeutenden Fragen
zur Entscheidung vorzulegen. Daher sind in den meisten seiner Denkrodeln
(Aufzeichnungen zu eigenem Gebrauch) die Gegenstände in fragende Form
gesetzt. Z. B. „Man beratheschlage, ob die Brügins (s. u.) zugemacht seien."
Auch der Text des Spiels stand unter der Censur des Ausschusses. Daher
nimmt Cysat sich vor, nachdem er beim Spiele von 1683 die Erfahrung ge¬
macht hat, daß dem Volke die Lehrer- und Prophetensprüche langweilig, ver-
drüßig und unangenehm sind, dem Ausschuß deren Kürzung vorzuschlagen
und dafür die Einfügung von lustigen Historien aus beiden Testamenten, z. B.
die Hochzeit zu Kanaa u. a. n. zu empfehlen.

Obgleich die Brüderschaft der Bekrönung nur einen kleinen Theil der
Kosten trug (sie bezahlte nur die Abschrift der Rollen) so gingen doch von
ihr sämmtliche Anordnungen aus, welche den Empfang der Fremden, ihre
Unterbringung, Unterhaltung, Bewirthung und Plaeirung am Spieltage,
sowie die gesammte öffentliche Ordnung betreffen. In Ausführung dieser
Bestimmungen, verfügte die geistliche Brüderschaft nicht blos über die Po¬
lizeiknechte der Stadt, sondern sogar über ihre Räthe, ihren Großweibel
und Schultheißen. Dies beweist, wie streng der Charakter des Spiels als
einer geistlichen Feier festgehalten wurde, die sich demgemäß der geistlichen
Oberaufsicht zu unterwerfen hatte.

Die von der Brüderschaft zu diesem Zwecke angeordneten Maßregeln
verzeichnet Cysat in folgenden Punkten:

1) Am Palmsonntag soll man in beiden Kirchen an der Kanzel rufen
und gebieten, daß sich Niemand an die Höfe (f. u.) auf den Platz setze, denn
wer dahin gehört, bei Strafe der Gefängniß.

2) Die Spielpersonen, so keine eigenen Höfe haben, sollen in keine Höfe
gehen, sie haben denn da zu schaffen, bei Strafe, die ihnen die Brüderschaft
bescheiden auferlegen mag; wer aber inzwischen nicht zu schaffen oder ihm
sonst verdrüßig wäre, ohne Geschäft am Platze zu verharren, der mag sich
sonst anders wohin nach seiner Gelegenheit verfügen.

Z) Man soll auch in Höfen nicht zechen, denn allein so viel und was


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123727"/>
          <p xml:id="ID_256" prev="#ID_255"> nicht weniger war als Dichter, Dramaturg, Regisseur, Garderobier, Maschi¬<lb/>
nist, Baumeister, Inspector, Soufleur und noch verschiedenes Andere.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_257"> Da kann man es dem armen Mann denn nicht übel nehmen, wenn er<lb/>
am Schlüsse schreibt: &#x201E;Man ist unfleißig im Lernen, wenige können ihre Sprüche<lb/>
(Rollen) auswendig: ja etliche nicht lesen, es ist so wenig Fleiß im<lb/>
Aufmerken und Gewöhnung der Geberden, man läßt es alles auf dem<lb/>
Regens, das wurde ihm zu viel, und hernach auf dem Platze<lb/>
große Unordnung."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_258"> In allen bezeichneten Aemtern handelte der Regens unter der Autorität<lb/>
des Spielausschusses, doch hatte er diesem alle irgend bedeutenden Fragen<lb/>
zur Entscheidung vorzulegen. Daher sind in den meisten seiner Denkrodeln<lb/>
(Aufzeichnungen zu eigenem Gebrauch) die Gegenstände in fragende Form<lb/>
gesetzt. Z. B. &#x201E;Man beratheschlage, ob die Brügins (s. u.) zugemacht seien."<lb/>
Auch der Text des Spiels stand unter der Censur des Ausschusses. Daher<lb/>
nimmt Cysat sich vor, nachdem er beim Spiele von 1683 die Erfahrung ge¬<lb/>
macht hat, daß dem Volke die Lehrer- und Prophetensprüche langweilig, ver-<lb/>
drüßig und unangenehm sind, dem Ausschuß deren Kürzung vorzuschlagen<lb/>
und dafür die Einfügung von lustigen Historien aus beiden Testamenten, z. B.<lb/>
die Hochzeit zu Kanaa u. a. n. zu empfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_259"> Obgleich die Brüderschaft der Bekrönung nur einen kleinen Theil der<lb/>
Kosten trug (sie bezahlte nur die Abschrift der Rollen) so gingen doch von<lb/>
ihr sämmtliche Anordnungen aus, welche den Empfang der Fremden, ihre<lb/>
Unterbringung, Unterhaltung, Bewirthung und Plaeirung am Spieltage,<lb/>
sowie die gesammte öffentliche Ordnung betreffen. In Ausführung dieser<lb/>
Bestimmungen, verfügte die geistliche Brüderschaft nicht blos über die Po¬<lb/>
lizeiknechte der Stadt, sondern sogar über ihre Räthe, ihren Großweibel<lb/>
und Schultheißen. Dies beweist, wie streng der Charakter des Spiels als<lb/>
einer geistlichen Feier festgehalten wurde, die sich demgemäß der geistlichen<lb/>
Oberaufsicht zu unterwerfen hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_260"> Die von der Brüderschaft zu diesem Zwecke angeordneten Maßregeln<lb/>
verzeichnet Cysat in folgenden Punkten:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_261"> 1) Am Palmsonntag soll man in beiden Kirchen an der Kanzel rufen<lb/>
und gebieten, daß sich Niemand an die Höfe (f. u.) auf den Platz setze, denn<lb/>
wer dahin gehört, bei Strafe der Gefängniß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_262"> 2) Die Spielpersonen, so keine eigenen Höfe haben, sollen in keine Höfe<lb/>
gehen, sie haben denn da zu schaffen, bei Strafe, die ihnen die Brüderschaft<lb/>
bescheiden auferlegen mag; wer aber inzwischen nicht zu schaffen oder ihm<lb/>
sonst verdrüßig wäre, ohne Geschäft am Platze zu verharren, der mag sich<lb/>
sonst anders wohin nach seiner Gelegenheit verfügen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_263" next="#ID_264"> Z) Man soll auch in Höfen nicht zechen, denn allein so viel und was</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] nicht weniger war als Dichter, Dramaturg, Regisseur, Garderobier, Maschi¬ nist, Baumeister, Inspector, Soufleur und noch verschiedenes Andere. Da kann man es dem armen Mann denn nicht übel nehmen, wenn er am Schlüsse schreibt: „Man ist unfleißig im Lernen, wenige können ihre Sprüche (Rollen) auswendig: ja etliche nicht lesen, es ist so wenig Fleiß im Aufmerken und Gewöhnung der Geberden, man läßt es alles auf dem Regens, das wurde ihm zu viel, und hernach auf dem Platze große Unordnung." In allen bezeichneten Aemtern handelte der Regens unter der Autorität des Spielausschusses, doch hatte er diesem alle irgend bedeutenden Fragen zur Entscheidung vorzulegen. Daher sind in den meisten seiner Denkrodeln (Aufzeichnungen zu eigenem Gebrauch) die Gegenstände in fragende Form gesetzt. Z. B. „Man beratheschlage, ob die Brügins (s. u.) zugemacht seien." Auch der Text des Spiels stand unter der Censur des Ausschusses. Daher nimmt Cysat sich vor, nachdem er beim Spiele von 1683 die Erfahrung ge¬ macht hat, daß dem Volke die Lehrer- und Prophetensprüche langweilig, ver- drüßig und unangenehm sind, dem Ausschuß deren Kürzung vorzuschlagen und dafür die Einfügung von lustigen Historien aus beiden Testamenten, z. B. die Hochzeit zu Kanaa u. a. n. zu empfehlen. Obgleich die Brüderschaft der Bekrönung nur einen kleinen Theil der Kosten trug (sie bezahlte nur die Abschrift der Rollen) so gingen doch von ihr sämmtliche Anordnungen aus, welche den Empfang der Fremden, ihre Unterbringung, Unterhaltung, Bewirthung und Plaeirung am Spieltage, sowie die gesammte öffentliche Ordnung betreffen. In Ausführung dieser Bestimmungen, verfügte die geistliche Brüderschaft nicht blos über die Po¬ lizeiknechte der Stadt, sondern sogar über ihre Räthe, ihren Großweibel und Schultheißen. Dies beweist, wie streng der Charakter des Spiels als einer geistlichen Feier festgehalten wurde, die sich demgemäß der geistlichen Oberaufsicht zu unterwerfen hatte. Die von der Brüderschaft zu diesem Zwecke angeordneten Maßregeln verzeichnet Cysat in folgenden Punkten: 1) Am Palmsonntag soll man in beiden Kirchen an der Kanzel rufen und gebieten, daß sich Niemand an die Höfe (f. u.) auf den Platz setze, denn wer dahin gehört, bei Strafe der Gefängniß. 2) Die Spielpersonen, so keine eigenen Höfe haben, sollen in keine Höfe gehen, sie haben denn da zu schaffen, bei Strafe, die ihnen die Brüderschaft bescheiden auferlegen mag; wer aber inzwischen nicht zu schaffen oder ihm sonst verdrüßig wäre, ohne Geschäft am Platze zu verharren, der mag sich sonst anders wohin nach seiner Gelegenheit verfügen. Z) Man soll auch in Höfen nicht zechen, denn allein so viel und was

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/107
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/107>, abgerufen am 18.12.2024.